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Bundestag billigte Aufbau von EU-Fonds im Kampf gegen Pandemie-Folgen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verlangt auf dem am Donnerstag begonnenen EU-Gipfel eine schonungslose Analyse der Schwächen der Staatengemeinschaft.

In einer Regierungserklärung im Bundestag sagte Merkel vor Gipfelbeginn, es sei bei der Bewältigung der Corona-Pandemie noch viel zu tun.

"Es gehört zu den Wahrheiten, dass diese Pandemie gezeigt hat, dass wir schonungslos analysieren müssen, wo unsere Schwächen liegen, sagte Merkel in der Regierungserklärung. "Wir wissen, dass Europa in dieser Krise weder erstarren noch verharren darf." Insbesondere forderte Merkel deutlich mehr Tempo bei der digitalen Souveränität der Europäischen Union.

Die Bundeskanzlerin verteidigte zugleich die viel kritisierte gemeinsame Impfstoffbeschaffung der EU. Angesichts des gerade ausgebrochenen Streits um die Impfstoffverteilung wolle sie sich gar nicht vorstellen, was passiert wäre, wenn einige EU-Staaten Impfstoffe hätten und andere nicht. "Das würde den Binnenmarkt in seinen Grundfesten erschüttern." Es sei richtig gewesen, auf die gemeinsame Beschaffung der Impfstoffe zu setzen.

Wenige Stunden nach Merkels Auftritt stimmte der Bundestag dem Aufbau des gemeinsamen EU-Wiederaufbaufonds zu. Für die nötige Schuldenaufnahme durch die EU-Kommission stimmten 478 Abgeordnete, 95 waren dagegen, 72 enthielten sich. Der sogenannte Eigenmittelbeschluss ermächtigt die Kommission, für den Wiederaufbaufonds bis zu 750 Milliarden Euro am Kapitalmarkt aufzunehmen. Das nun vom Bundestag verabschiedete Gesetz dient der Ratifizierung dieses EU-Beschlusses.

Außenstaatsminister Michael Roth (SPD) betonte in der Debatte, Europa komme durch "diese schwere Krise nur gemeinsam und solidarisch". Der geplante Fonds sei ein "klares Signal, dass wir niemanden alleine lassen". Roth verwies dabei auch auf deutsche Interessen: "Arbeitslose Griechinnen und Griechen sind auch eine Gefährdung für Arbeitsplätze in Deutschland."

390 Milliarden Euro aus dem Corona-Hilfsfonds sollen den EU-Plänen zufolge als Zuschüsse verteilt werden, die restlichen 360 Milliarden Euro als Kredite fließen. Diese Gelder müssen von den Empfängern an die EU-Kommission zurückgezahlt werden, die dann damit die entsprechenden EU-Schulden tilgt. Insgesamt sollen die Corona-Schulden der EU bis zum Jahr 2058 zurückgezahlt sein. Wie genau, ist noch weitgehend offen.

Um höhere Beiträge der Mitgliedstaaten zu verhindern, soll die Tilgung über neue EU-Einnahmen finanziert werden: Beschlossen ist ab 2021 bereits eine Abgabe auf Plastikmüll. Geplant sind zudem eine Digitalsteuer, ein Aufschlag auf Importe aus Drittstaaten mit geringeren Umweltauflagen sowie eine Ausweitung des Emissionshandels auf Luft- und Schifffahrt.

Bisher haben nach Kommissionsangaben 16 der 27 Mitgliedstaaten den Eigenmittelbeschluss ratifiziert. Damit die EU-Kommission mit der Schuldenaufnahme loslegen kann, müssen dies alle tun. 

In Deutschland befasst sich voraussichtlich bereits an diesem Freitag der Bundesrat mit der Vorlage. Die AfD-Fraktion im Bundestag kündigte am Donnerstag allerdings eine Klage gegen den deutschen Ratifizierungsprozess an. Sie will demnach beim Bundesverfassungsgericht Organklage einlegen und zugleich eine einstweilige Anordnung beantragen mit dem Ziel, dass Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier das Gesetz vorerst nicht unterschreiben darf. Es würde dann zunächst nicht in Kraft treten.

cne/bk


© Agence France-Presse