Münster - Das Kolleg bietet die Möglichkeit, jährlich bis zu 16 thematisch einschlägig forschende Gastwissenschaftlerinnen und Gastwissenschaftlern für sechs bis zwölf Monate nach Münster einzuladen, ihnen Zeit für ihre Forschung zu bieten und zugleich Raum für den Austausch miteinander zu schaffen.
Inhaltlich geht es vor allem um die Frage, wie sich das Verhältnis von Einheit und Vielfalt im Recht in verschiedenen kulturellen Zusammenhängen und während der Epochen gestaltete. „Ausgangspunkt ist für uns die mitteleuropäische frühneuzeitliche Geschichte“, erläutert Peter Oestmann, „von der ägyptischen Papyrologie bis zur Neuzeit ist aber alles dabei.“ So gab es beispielsweise bis zur französischen Revolution keine einheitlichen Rechtsräume für die Bürger, sondern einzelne Rechtsrahmen für bestimmte Regionen und Personengruppen. Mit der Revolution sei zwar die Idee der Gleichheit aufgekommen. Aber gab es tatsächlich die Gleichheit vor den Gesetzen? Gab es nicht vielmehr weiterhin eine Differenzierung nach sozialen Aspekten?
Mit seiner Arbeit beschäftigt sich das Kolleg mit der noch immer häufig anzutreffenden Annahme, dass es eine Entwicklung „von der Vielfalt zur Einheit“ in der Rechtssetzung und Rechtsprechung gebe. Stattdessen sollen die vielstimmigen Perspektiven und Erzählstränge historischer und gegenwärtiger Entwicklungen des Rechts am Kolleg in den Blick genommen werden, erläutert Ulrike Ludwig, die zum Strafrecht und zur Kriminalitätsgeschichte forscht.
Zwei aktuelle Beispiele für die Einheit und Vielfalt im Recht: Mit Blick auf die Corona-Pandemie gibt es auf Bundes- und Landesebene unterschiedliche Regelungen, die bis auf die Ebene der Städte, Kreise und Gemeinden „heruntergebrochen“ und interpretiert werden müssen. Multinationale Konzerne müssen zudem damit umgehen, dass sie in den verschiedenen Ländern, in denen sie agieren, unterschiedlichen Normen unterliegen. Andererseits bemüht sich die internationale Staatengemeinschaft um einheitliche Rechtsstandards, wie beispielsweise das UN-Kriegsverbrechertribunal zeigt.
Das Kolleg untersuche nicht, betonen Ulrike Ludwig und Peter Oestmann, „was davon besser oder schlechter ist“, sondern wie Gesellschaften mit rechtlicher Vielfalt umgehen und welche Bemühungen um Vereinheitlichung zugleich angestoßen werden. Neben Rechtswissenschaftlern und Historikern werden beispielsweise auch Wissenschaftler aus den Ethnologien, der Soziologie, der Judaistik und der Sinologie eingeladen, im Kolleg mitzuarbeiten.
Käte Hamburger-Kollegs
Die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF)
finanzierten Käte Hamburger-Kollegs zielen darauf ab, die Strukturen in
der geistes- und sozialwissenschaftlichen Spitzenforschung
weiterzuentwickeln. Die Förderung dient unter anderem dazu,
Wissenschaftler international zu vernetzen und die interdisziplinäre
Zusammenarbeit deutscher Hochschulen zu stärken.
2008 startete das BMBF mit der Initiative „Freiraum für die Geisteswissenschaften“ die Förderung von „Internationalen Kollegs für geisteswissenschaftliche Forschung“, die seit 2009 den Namen der Germanistin Käte Hamburger (1896 -1992) tragen. Bis zu zehn Fellows aus Deutschland und der Welt können pro Jahr an selbstgewählten Fragestellungen zum Kollegthema arbeiten. Sie forschen interdisziplinär zu unterschiedlichen Themenkomplexen wie Religion, Medienphilosophie und Theaterkulturen; sie sollen sich in ihren Fach- und Themengebieten als Orte freier Forschung mit einer hohen Anziehungskraft für die internationale Forschergemeinschaft etablieren.
WWU Münster (upm/bh/nor).
Foto: WWU - MünsterView. Mit „Einheit und Vielfalt im Recht“ beschäftigt sich das erste Käte Hamburger-Kolleg an der Universität Münster. Wie selbstverständlich plurale Rechtsordnungen waren, zeigen Prof. Dr. Peter Oestmann und Prof. Dr. Ulrike Ludwig anhand historischer Quellen.