NEW YORK, N.Y./ BERLIN / FRANKFURT: 8. April 2021- Gideon Taylor, der Präsident der Conference on Jewish Material Claims Against Germany (Claims Conference), kündigte heute eine neue von Überlebenden des Holocaust getragene digitale Kampagne an: #ItStartedWithWords.
Noch bevor regional antijüdische Gesetze erlassen wurden, Geschäfte und Synagogen in der Nachbarschaft zerstört wurden, und bevor Juden in Ghettos, Viehwaggons und Lager gezwungen wurden, wurden Worte benutzt, um das Feuer des Hasses zu schüren. #ItStartedWithWords ist eine digitale Aufklärungskampagne über den Holocaust, bei der wöchentlich ein neues Video von Überlebenden aus der ganzen Welt gezeigt wird. Sie reflektieren über Momente, die zum Holocaust führten – zu einer Zeit, in der sie nicht vorhersehen konnten, wie rasch sich ihre langjährigen Nachbarn, Lehrer, Klassenkameraden und Kollegen gegen sie wenden und von Worten des Hasses zu Gewalttaten übergehen würden.
"Der Holocaust begann mit Worten", sagte Gideon Taylor. "Es waren hasserfüllte Worte, die im Park gebrüllt, auf der Straße ausgespuckt und im Klassenzimmer gegrölt wurden. Diese Worte entfremdeten, verharmlosten und schockierten; aber schlimmer noch, diese Worte waren der Auslöser für den grausamen Völkermord an sechs Millionen Juden. Die #ItStartedWithWords-Kampagne wird anhand von Überlebendenzeugnissen aus erster Hand zeigen, dass die schrecklichen Verbrechen des Holocaust keineswegs aus dem Nichts kamen. Es begann buchstäblich mit Worten."
Nach der erfolgreichen #NoDenyingIt-Kampagne ist die #ItStartedWithWords-Initiative Teil einer weiteren Anstrengung, das Bewusstsein für die Bedeutung von Holocaust-Erziehung zu stärken. Die Kampagne wird mit Hilfe von Aussagen Überlebender an den Wurzeln des Holocaust rühren und nach Erklärungen suchen. Hitler und die Nazis nutzten den latenten Antisemitismus, um sich Unterstützung in ganz Europa zu verschaffen, noch bevor eine einzige Kriegshandlung durchgeführt wurde. Das Ziel der Kampagne ist es zu zeigen, wie aus Worten des Hasses Taten werden können und wie diese Taten unvorstellbare Folgen zeitigen können.
Greg Schneider, Executive Vice President der Claims Conference, sagte: "Man wacht nicht eines Morgens auf und beschließt, sich an einem Massenmord zu beteiligen. Hassreden, Propaganda, Antisemitismus und Rassismus waren die Wurzeln, die im Völkermord gipfelten. Die schockierenden Ergebnisse unseres U.S. Millennial Holocaust Knowledge and Awareness Survey von 2020 haben gezeigt, dass 63 Prozent der Millennials und Gen Z nicht wussten, dass sechs Millionen Juden ermordet wurden. Das macht deutlich, wie wichtig es ist, nicht nur die Geschichte des Holocaust zu vermitteln, sondern auch den Kontext zu erläutern, wie es zu einem so schrecklichen Ereignis wie dem Holocaust kommen konnte.
Ruediger Mahlo, der Repräsentant der Claims Conference in Deutschland, unterstrich, dass die authentischen Aussagen der Überlebenden und ihre furchtbaren Erfahrungen insbesondere auch heute von größter Bedeutung sind. „Mehr als jemals zuvor finden Worte des Hasses durch die Echoräume der sozialen Medien eine ungehemmte und oft auch unwidersprochene Verbreitung. Niemals dürfen wir die Macht der Worte unterschätzen und müssen uns ihrer Folgen bewusst sein.“
Zahlreiche prominente Holocaust-Überlebende aus aller Welt haben Videos aufgenommen und für die Kampagne zur Verfügung gestellt.
Die Holocaust-Überlebende Charlotte Knobloch wurde 1932 in München geboren, wo sie auch heute noch lebt. In ihrem Video-Post teilt sie ihre erste Erinnerung daran, dass sie anders behandelt wurde, weil sie Jüdin war. „Es begann mit Worten. Es waren noch nicht die grauenhaften Taten, die Morde, die Verbrechen, es waren Beleidigungen und Hass …, sagt sie. „Ich war vier Jahre alt, als ich im Hof des Hauses gegenüber mit den Nachbarskindern spielen wollte. Das machte ich fast jeden Tag. Aber jetzt war das Tor plötzlich verschlossen. Meine Freunde schauten mich stumm an; bevor ich verstehen konnte, was los war, kam die Frau des Hausmeisters dazu und herrschte mich an: ‚Judenkinder dürfen nicht mit unseren Kindern spielen‘. Ich war vier Jahre alt. Ich wusste nicht einmal, was Juden überhaupt sind.“ LINK ZUM VIDEO
Der Holocaust-Überlebende Abe Foxman, der 1940 in Polen geboren wurde und heute in den USA lebt, teilt in seinem Kampagnenvideo seine Gedanken über die Ursprünge des Holocausts: "Die Krematorien und Gaskammern in Auschwitz und andernorts nahmen ihren Anfang nicht mit Ziegeln, sondern mit Worten ... bösen Worten, Worten des Hasses, Worten des Antisemitismus, Worten des Vorurteils. Und als es in Gewalt überging, gab es keine Worte dagegen." LINK ZUM VIDEO
Der Holocaust-Überlebende Yisrael Meir Lau, geboren 1937 in Polen, lebt heute in Israel. In seiner Heimatstadt Piotrkow Trybunalski lebten vor dem Krieg mehr als 10.000 Juden; die meisten wurden 1942 nach Treblinka deportiert und getötet. "Sie glaubten, sie könnten ein Volk mit Worten eliminieren", sagt er in seinem Videobeitrag. „Und es hat sich gezeigt, dass es beinah so kam.“ LINK ZUM VIDEO
Der Holocaust-Überlebende Sidney Zoltak, 1931 in Polen geboren, lebt heute in Kanada. In seinem Videobeitrag erinnert er sich daran, wie er schon in jungem Alter Zeuge von Hass wurde: "Es war 1935, ich war vier Jahre alt, als ich meine Großeltern in einem Dorf besuchte, in dem sie einen Gemischtwarenladen betrieben. Vor ihrem Laden standen junge Polen mit Schildern 'Don't Buy From a Jew'. Ich wusste nicht, was Antisemitismus war, aber das war der erste Akt von Antisemitismus, den ich miterlebt habe. Antisemitismus wurde in Polen zu dieser Zeit nicht nur toleriert, sondern sogar gefördert." LINK ZUM VIDEO
Der Holocaust-Überlebende Aron Krell, 1927 in Lódź, Polen geboren, lebt heute in den USA. Er erklärt: "Wir hörten die Worte ... die Juden wurden verflucht, die Juden sind Verräter und alle Probleme in der Welt beginnen mit den Juden, deshalb müssen wir die Juden loswerden." LINK ZUM VIDEO
Die Holocaust-Überlebende Eva Schloss, 1929 in Österreich geboren, lebt heute im Vereinigten Königreich. Sie war damals um die neun Jahre alt und teilt ihre Erinnerung an die Mutter ihrer besten Freundin: "... meine beste Freundin war ein katholisches Mädchen; auf meinem Heimweg ging ich immer zu ihr, um mit ihr zu spielen. Als ich eines Tages dort hinging, stand die Mutter an der Tür, schaute mich hasserfüllt an und sagte: 'Wir wollen Dich hier nie wieder sehen!' Und sie schlug mir die Tür vor der Nase zu." LINK ZUM VIDEO
Die Holocaust-Überlebende Colette Avital, geboren 1940 in Bukarest, Rumänien, lebt heute in Israel. In ihrem Videobeitrag erinnert sie sich an die Worte, mit denen sie und ihre Familie beleidigt wurden. "Es waren meist Worte wie 'dreckiger Jude', aber auch Drohungen. 'Wir werden euch töten, wir werden euch alle eliminieren, ihr seid der Abschaum der Erde.'" Sie denkt über die Folgen dieser Worte nach: "Diese Worte verwandelten sich in Taten." LINK TO VIDEO
#ItStartedWithWords zeigt, wie rassistische und antisemitische Äußerungen zu Taten führten, die Vernichtung fast eines ganzen Volkes zur Folge hatten. Um Bildungsangebote von Partnermuseen und -institutionen sowie die Sammlung der Überlebenden-Videos der Kampagne zur Verfügung zu stellen, hat die Claims Conference eine eigene Website ItStartedWithWords.org eingerichtet, die als Ressource für Pädagogen auf der ganzen Welt dienen soll.
Unterstützt wird die Kampagne von mehr als 20 Museen und Institutionen aus der ganzen Welt, darunter: United States Holocaust Memorial Museum, Yad Vashem, International Holocaust Remembrance Alliance, Anne Frank Haus in den Niederlanden, Stiftung Denkmal für die Ermordeten Juden Europas und Haus der Wannseekonferenz, beide Berlin, Fondation pour la Mémoire de la Shoah, Paris, Babi Yar Holocaust Memorial Center, Kiew und viele mehr.
Über die Claims Conference: Die Conference on Jewish Material Claims Against Germany (Claims Conference), eine Nonprofit-Organisation mit Büros in New York, Israel und Deutschland, steht ein für die materielle Entschädigung von Holocaust-Überlebenden weltweit. 1951 von Vertretern von 23 bedeutenden internationalen jüdischen Organisationen gegründet, verhandelt die Claims Conference Gelder und verteilt diese an Einzelpersonen und Organisationen. Sie betreibt ferner die Rückgabe von während des Holocaust gestohlenen Vermögenswerten. Infolge von Verhandlungen der Claims Conference hat die Bundesrepublik Deutschland seit 1952 mehr als $ 80 Milliarden für Entschädigungszahlungen an Einzelpersonen für deren Leiden und Verfolgung durch die Nationalsozialisten geleistet. Im Jahr 2021 wird die Claims Conference mehr als $ 625 Millionen als direkte Entschädigungszahlungen an über 260.000 Überlebende in 83 Ländern verteilen. Sie wird darüber hinaus rund $ 640 Millionen an über 300 Sozialeinrichtungen weltweit vergeben, die Dienstleistungen wie häusliche Betreuung, Essen und Medikamente für Holocaust-Überlebende bereitstellen.
Claims Conference (Conference
on Jewish Material Claims Against Germany) vom 08.04.2021