Künftig soll in einem neuen § 28b bundesweit verbindlich vorgeschrieben werden, welche Einschränkungen gelten, sobald die 7-Tage-Inzidenz in einem Landkreis über dem Wert 100 liegt. Am Samstag wurde eine entsprechende "Formulierungshilfe" der Bundesregierung, deren Inhalt Mo-SZ (Jan Heidtmann) und Mo-taz (Christian Rath) zusammenfassen, an die Fraktionen und die Länder zur Stellungnahme geschickt. U.a. sind Ausgangssperren und weitreichende Shutdowns vorgesehen. Die jetzt vorgelegten Pläne stoßen allerdings auf Widerstand, wie es beispielsweise in der Mo-FAZ (Peter Carstens) heißt: Während einzelne Landespolitiker vor einer Entmachtung der Länder warnten, hielten Oppositionspolitiker besonders die geplanten Ausgangsbeschränkungen für problematisch. Im Interview mit der Mo-Welt (Manuel Bewarder/Ulrich Exner) hält es beispielsweise der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius für "keine gute Idee, die Länder jetzt mitten in der Krise zu entmachten". Der frühere Vorsitzende des Deutschen Richterbunds Jens Gnisa äußerte sich laut Berliner Zeitung (Philippe Debionne) "entsetzt" über den Inhalt der geplanten Regelungen. "Ab einer Inzidenz von 100 nächtliche Ausgangssperren zu verhängen, obwohl von Gerichten deren Wirksamkeit angezweifelt wurde, ist eine Nichtachtung der Justiz", wird der Richter zitiert. Es werde "ein automatisch greifendes System installiert, in das niemand vor Ort im Einzelfall korrigierend eingreifen könne, kein Bürgermeister, kein Landrat, keine Landesregierung, nicht mal die Verwaltungsgerichte – einzig das Bundesverfassungsgericht könne Entscheidungen 'kassieren'".
Die Sa-SZ (Wolfgang Janisch) fasst den rechtlichen Handlungsrahmen des Bundes zusammen. Klar sei bisher allerdings noch nicht, ob der Bundesrat den geplanten Änderungen zustimmen muss. Bisher sei das Infektionsschutzgesetz beim Erlass und auch bei allen größeren Änderungen als Zustimmungsgesetz behandelt worden.
Für Gudula Geuther (deutschlandfunk.de) ist es richtig, dass der Bund jetzt mehr Verantwortung übernimmt. Denn so, wie er in den vergangenen Monaten gelebt wurde, sei der Föderalismus eigentlich nie gemeint gewesen. Viele scheinen darunter zu verstehen, dass alle Macht bei den Ländern liege, im Föderalismus aber gebe es eine Aufgabenteilung zwischen Bund und Ländern. Und diese Teilung besage, dass in einer Epidemie der Bund am Zug sei, wenn er das wolle. Für Stefan Kornelius (Mo-SZ) kommt das neue Gesetz gerade noch rechtzeitig, damit die Pandemiebekämpfung nicht "auf dem Wahlkampf-Scheiterhaufen in Flammen" aufgehe. Christian Rath (Mo-taz) hält ein vom Bundestag beschlossenes Gesetz für demokratischer als Maßnahmen, deren Auswahl den Landesregierungen und deren Verordnungen überlassen wird. Der Föderalismus werde hier jedenfalls nicht abgeschafft. Ganz anders sieht das Susanne Gaschke (Mo-Welt), die befürchtet, dass "im Namen von Merkels radikaler 'No Covid'-Strategie" der deutsche Föderalismus ausgehebelt werden soll. Der Bundestag müsse "dem Corona-Wahnsinn des Kanzleramtes Einhalt gebieten", fordert sie.
LTO