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Bundesnotbremse (Ausgangssperre) weiter umstritten

Am Samstag und erneut am Sonntag verhandelten Vertreter der Fraktionen von Union und SPD über den Gesetzentwurf, wie aus Koalitionskreisen verlautete. Vor allem die geplante nächtliche Ausgangssperre wird von Politikern und Verbänden kritisiert.

Mit der bundeseinheitlichen Notbremse soll der Bund erstmals in der Pandemie weitreichende Kompetenzen in der Pandemiebekämpfung von den Ländern übernehmen. Sie sieht neben der nächtlichen Ausgangssperre von 21.00 bis 05.00 Uhr auch Schließungen von Geschäften vor. Grenzwert soll eine Sieben-Tage-Inzidenz von 100 pro 100.000 Einwohner sein. Die Schulen sollen bei einem Inzidenzwert von 200 zum Distanzunterricht zurückkehren. 

Das Gesetz soll am Mittwoch im Bundestag und am Donnerstag im Bundesrat beschlossen werden. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) verteidigte die Ausgangssperre. Sie sei "ein Signal für die Dramatik der Lage und dafür, dass wir es ernst meinen - gerade weil es sie bisher in Deutschland kaum gab", sagte er der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". Es gehe nicht um den Spaziergänger mit Hund, sondern um die Einhaltung der Kontaktregeln. 

Nur wenn sich die Bevölkerung an die verschärften Regeln halte, könnten Menschenleben gerettet werden, betonte der Minister. "Die konkrete Alternative wäre die völlige Überlastung des Gesundheitssystems, mit zehntausenden zusätzlichen Toten." 

Der Vize-Fraktionsvorsitzende der SPD, Dirk Wiese, sagte der "Welt am Sonntag", für seine Partei sei nach wie vor wichtig, "dass Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit haben, während der Ausgangsbeschränkungen zu joggen oder vor die Tür zu gehen". Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) sagte der Zeitung, wichtig seien "klare, einheitliche und lebensnahe Regelungen für die privaten Kontakte, für das Einkaufen, für Ausgangsbeschränkungen". Er sei "weiterhin überzeugt" vom Nutzen der Ausgangsbeschränkungen. 

"Sicherlich wird man an der einen oder anderen Stelle noch ein wenig feilen. Ich erwarte aber keine wesentlichen Änderungen gegenüber dem Entwurf", sagte Scholz.

Der Deutsche Landkreistag dagegen forderte eine grundlegende Überarbeitung. Die "holzschnittartigen Ausgangssperren"  seien ein "unverhältnismäßiger Eingriff in die Freiheitsrechte der Menschen", sagte Landkreistagspräsident Reinhard Sager den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Sonntagsausgaben).

Sager kritisierte auch, dass "sinnvolle modellhafte Ansätze bei einem Überschreiten der 100er-Inzidenz kategorisch verboten" werden sollten. Es sei aber wichtig, "behutsame und verantwortbare Schritte aus dem Lockdown zu erproben". 

Der Landkreistagspräsident wandte sich zudem dagegen, die Maßnahmen allein an den Inzidenzwert zu knüpfen, der auch von der Zahl der Testungen abhänge. "Dieses Dogma sollten wir fallen lassen und stattdessen die Belegung der Intensivbetten, die Reproduktionszahl und den Impffortschritt mit in die Betrachtung einbeziehen." 

Kritik kam auch vom saarländischen Regierungschef Tobias Hans (CDU) und vom hessischen Ministerpräsidenten Volker Bouffier (CDU). Hans sagte der "Welt" (Samstagsausgabe): "Wenn wir jetzt erneut völlig unkreativ in einen weiteren Voll-Lockdown gehen, wird das zwar irgendetwas helfen. Aber es wird auch für viel Verdruss sorgen." Auch er bemängelte die ausschließliche Ausrichtung von Maßnahmen an der Inzidenz. 

Bouffier sagte der "Bild"-Zeitung (Samstagsausgabe), bereits jetzt gebe es "große juristische Bedenken gegen die Ausgangssperre, wie sie in dem Gesetz formuliert ist". Er halte es für richtig, das Gesetz "in manchen Bereichen verfassungsfester zu machen". Ausgangssperren etwa sollten nur "als Ultima Ratio, das heißt als letztes Mittel verhängt werden".

Das Robert-Koch-Institut meldete am Sonntagmorgen 19.185 Neuinfektionen mit dem Coronavirus, das waren 1330 mehr als am vergangenen Sonntag. Die Zahl der Todesfälle sank binnen Wochenfrist von 104 auf 67. Die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz stieg leicht auf 162,3.

ilo/ran


© Agence France-Presse