Münster (pbm/al). Dass zu wenig Frauen Führungspositionen in Kirche und Wirtschaft haben, darüber herrschte Einigkeit beim Unternehmertreffen mit Bischof Dr. Felix Genn am 16. September in Münster. Über die Gründe dafür und Maßnahmen dagegen diskutierten die mehr als 200 Teilnehmerinnen und Teilnehmer bei der Veranstaltung in der Akademie Franz Hitze Haus ausgiebig und engagiert. Das zehnte Unternehmertreffen des Bistums Münster stand unter dem Titel „Frauen als Führungskräfte in Wirtschaft und Kirche“. Nach der Begrüßung durch Bischof Genn als Gastgeber kamen beide Bereiche zu Wort in Form von Impulsreferaten, die Dr. Andrea Qualbrink und Dr. Marisa Michels hielten.
Qualbrink leitet beim Bistum Essen den Stabsbereich Strategie und Entwicklung. Für die Deutsche Bischofskonferenz hat sie 2013 und 2018 Studien zum Anteil weiblicher Führungskräfte in den Generalvikariaten und Ordinariaten – den Verwaltungen der Bistümer – geleitet. „Führungskräfte stören ein System, und Frauen als Führungskräfte in der Kirche stören noch mehr, weil sie einen anderen Erfahrungshorizont und ein anderes Auftreten haben“, stellte sie heraus – ohne „stören“ negativ zu meinen. Die Fachfrau betonte, Teams mit Menschen unterschiedlichen Geschlechts und Alters seien kreativer und innovativer. Dass es dennoch insgesamt wenig weibliche Führungskräfte gebe, habe strukturelle, gesellschaftliche und persönliche Gründe.
Beim Anteil von Frauen in kirchlichen Führungspositionen sei Luft nach oben, aber: „Es werden mehr, und sie stoßen Lern- und Veränderungsprozesse an.“ Jedoch müsse „der Arbeitgeber darstellen können, warum Frauen bei ihm Führungskraft werden sollen, das ist für die Kirche oft ein Problem.“ Die katholische Kirche habe sich verpflichtet, in fünf Jahren eine Quote von einem Drittel weiblicher Führungskräfte zu erreichen. Voraussetzung dafür seien „die Prüfung und Änderung der Kultur in kirchlichen Organisationen, neue Führungsmodelle und eine Weiterentwicklung der Leitungsstrukturen.“
Im zweiten Impulsreferat ging die Rechtsanwältin Dr. Marisa Michels, Partnerin bei Alpmann Fröhlich Rechtsanwaltsgesellschaft mbH aus Münster, das Thema vor dem Hintergrund ihrer eigenen Laufbahn und ihrer persönlichen Erfahrungen an. Sie habe starke weibliche Vorbilder gehabt und dies als Normalität betrachtet. Zweifel an der Chancengleichheit für Frauen seien ihr erstmals in ihrer Bewerbungsphase gekommen.
Michels führte aus, dass der Wunsch nach Karriere bei Frauen unterschiedlich ausgeprägt sei. Dass Frauen anders führten, sei nicht schlimm: „Nicht Gleichheit ist erstrebenswert, sondern Chancengleichheit.“ Dabei hätten Frauen vieles selbst in der Hand, unter anderem Selbstvertrauen, Netzwerken, die Wahl eines unterstützenden Partners, Gelassenheit, Flexibilität.
Die Anwältin sprach sich für „offene Diskriminierung“ aus in dem Sinne, dass man sich dieser bewusst werden müsse „Nur wenn Vorurteile ausgesprochen werden, lassen sie sich widerlegen. Ausgesprochen verlieren sie an Stärke.“ Geschlechterklischees bestünden in den Köpfen und zementierten den Status Quo. Abschließend betonte Michels, dass Vereinbarkeit von Familie und Beruf keine Privatangelegenheit sei. Frauen und Männer, Wirtschaft und Politik seien gemeinsam gefragt, strukturelle wie gesellschaftliche Lösungen zu entwickeln und das tradierte Rollenverständnis zu überwinden.
In der anschließenden Podiumsdiskussion, die Dr. Martin Dabrowski vom Franz Hitze Haus moderierte, kamen die Referentinnen ins Gespräch mit Tatjana Lanvermann, Landesvorsitzende der Unternehmerfrauen im Handwerk, Prof. Gisela Muschiol, Vorsitzende des Hildegardis-Vereins, sowie Dr. Klaus Winterkamp, Generalvikar des Bistums Münster. Auch das Publikum diskutierte angeregt mit, unter anderem über die Wirksamkeit von Quoten oder Mentoringprogramme, wie sie der Hildegardis-Verein anbietet.
Bildunterschrift: Über Frauen in kirchlichen und weltlichen Führungspositionen diskutierten (von links) Akademiedirektor Antonius Kerkhoff, Martin Dabrowski, Andrea Qualbrink, Tatjana Lanvermann, Felix Genn, Klaus Winterkamp, Marisa Michels und Gisela Muschiol.
Foto: Bischöfliche Pressestelle / Anke Lucht