Der preisgekrönten philippinischen Journalistin droht eine lebenslange Haftstrafe. Auf einer für die Kampagne eingerichteten Webseite werden Hunderte Videos prominenter Unterstützerinnen und Unterstützer ununterbrochen so lange zu sehen sein, bis alle Vorwürfe gegen Ressa und die von ihr gegründete Nachrichtenseite Rappler fallengelassen werden. Zudem ist die Öffentlichkeit aufgerufen, eigene Beiträge über die Webseite einzureichen, die dann der Video-Dauerschleife hinzugefügt werden.
„Seit mehreren Jahren mobilisiert Reporter ohne Grenzen, um Maria Ressa
zu unterstützen. Heute rufen wir die Öffentlichkeit auf der ganzen Welt
auf, sich uns anzuschließen, um die mutige Journalistin zu verteidigen“,
sagte RSF-Geschäftsführer Christian Mihr. „Die massiven Angriffe des
Duterte-Regimes gegen Maria Ressa sind nicht nur Angriffe auf den
Journalismus, sondern auch auf die Demokratie.“
Unter den prominenten Unterstützerinnen und Unterstützern, die bereits
Videos eingereicht haben, sind Menschenrechtsverteidiger,
Journalistinnen, Künstler, Anwältinnen und Politiker aus aller Welt,
darunter die südafrikanische Juristin und ehemalige UN-Hochkommissarin
für Menschenrechte, Navi Pillay, der Nobelpreisträger für Wirtschaft,
Joseph Stiglitz, der Tiananmen-Aktivist und Dissident Wu’er Kaixi, der
zwischenzeitlich in Ägypten inhaftierte australische Journalist Peter
Greste, der britische Historiker und Autor Timothy Garton Ash, der Channel-4-Nachrichtensprecher
Jon Snow, die Guardian-Chefredakteurin
Katharine Viner, der britische Abgeordnete Damian Collins, die
Intendantin des Gorki-Theaters, Shermin Langhoff, und der Ressortleiter
im Investigativressort der Süddeutschen
Zeitung, Bastian Obermayer.
Absurde Vorwürfe,
drohende Haftstrafe
Gegen Ressa laufen derzeit mindestens neun Verfahren auf den
Philippinen. In weniger als zwei Jahren wurden zehn Haftbefehle gegen sie
ausgestellt. Die Behörden werfen ihr unter anderem Verleumdung und
Steuerhinterziehung vor. Im Juni 2020 wurde die Journalistin bereits
wegen eines Artikels über einen Geschäftsmann aus dem Jahr 2012 der
Verleumdung für schuldig befunden. Grundlage war ein
Cyberkriminalitätsgesetz, das erst nach Erscheinen des Artikels in Kraft
trat. Bis zu einem Berufungsverfahren darf Ressa gegen Kaution auf freiem
Fuß bleiben. Wird das Urteil nicht im Berufungsverfahren aufgehoben,
drohen ihr alleine in diesem Fall sechs Jahre Gefängnis. Sollte Ressa in
allen Anklagepunkten für schuldig befunden werden, droht ihr eine
lebenslange Haftstrafe.
Ressa berichtete zwei Jahrzehnte lang für CNN aus Südostasien und gründete dann die
mehrfach preisgekrönte Nachrichtenseite Rappler. Die Journalistin ist zu einem Symbol für
den Kampf der philippinischen Medien gegen die Einschüchterungen durch
Präsident Rodrigo Duterte geworden. Das Time Magazine kürte Ressa 2018 zusammen mit
weiteren Journalistinnen und Journalisten zur „Person des Jahres“. In
diesem Jahr erhält die
Journalistin den UNESCO/Guillermo Cano World Press Freedom Prize.
Die Video-Kampagne ins Leben gerufen hat die #HoldTheLine-Koalition, die
sich zur Unterstützung von Ressa und unabhängigen Medien auf den
Philippinen zusammengefunden hat. Sie besteht aus mehr als 80 Gruppen,
angeführt von Reporter ohne Grenzen (RSF), dem Komitee zum Schutz von
Journalisten (CPJ) und dem Internationalen Zentrum für Journalisten
(ICFJ). Ressa hat den Ausdruck
„hold the line“ mehrfach selbst verwendet um deutlich zu machen, dass
sie sich von Präsident Duterte nicht einschüchtern lässt. Die
Kampagnen-Webseite wurde gemeinsam mit der französischen Werbeagentur
BETC entwickelt.
Neben der Möglichkeit, eigene Videos einzureichen, können
Unterstützerinnen und Unterstützer auch die #HoldTheLine-Petition
unterzeichnen und teilen. In der Petition wird die philippinische
Regierung aufgefordert, alle Verfahren gegen Ressa und Rappler einzustellen und die
Angriffe auf unabhängige Medien im Land zu unterlassen. Auf der
Rangliste der Pressefreiheit stehen die Philippinen auf Platz 138 von 180
Staaten. Mindestens vier Medienschaffende wurden dort im vergangenen Jahr
wegen ihrer Arbeit getötet.
„Pressefreiheit
Grenzenlos“ – Neuer Podcast von Reporter ohne Grenzen
Neben der Kampagne für Ressa startet RSF zum 3. Mai weitere Projekte. Im
Jahr 1993 hatte die UN-Vollversammlung den Tag auf Vorschlag der Unesco
zum Internationalen Tag der Pressefreiheit erklärt. Das Datum erinnert an
die Erklärung von Windhoek, die 1991 als erstes offizielles Dokument der
Weltgemeinschaft die Bedeutung einer unabhängigen, pluralistischen und
freien Presse für Demokratie und wirtschaftliche Entwicklung festschrieb.
So veröffentlicht RSF künftig einen eigenen Podcast, um die
Medienschaffenden, für die sich die Organisation einsetzt, vorzustellen.
Journalistinnen und Journalisten teilen dort einmal im Monat ihre
Geschichte und berichten, wie sie unter Einschränkungen der
Pressefreiheit in ihrem Land gelitten haben.
Am 3. Mai veröffentlicht RSF die erste Folge: Shammi Haque,
Exiljournalistin aus Bangladesch, spricht mit RSF-Geschäftsführer
Christian Mihr über die Lage der Pressefreiheit in Bangladesch, aber auch
über Herausforderungen für den Journalismus im digitalen Raum und die
Nothilfearbeit der Organisation. In den weiteren Folgen spricht Thembi Wolf,
Vorstandsmitglied bei den neuen
deutsche Medienmacher*innen und Redakteurin bei Vice, mit
RSF-Pressereferentin Anne Renzenbrink über die steigende Gewalt gegen
Journalistinnen und Journalisten in Deutschland. Die kolumbianische
Journalistin und RSF-Stipendiatin Ginna
Morelo berichtet Nube Alvarez, RSF-Projektmanagerin für
Lateinamerika, über die Auswirkungen paramilitärischer Gewalt auf die
Pressefreiheit.
Zu hören ist die erste Folge von „Pressefreiheit Grenzenlos – Der Podcast
von Reporter ohne Grenzen“ ab Montag, 3. Mai, bei Spotify, iTunes, Deezer
und verschiedenen Podcast-Apps. Der Podcast wird moderiert von Nadine Kreuzahler,
Kulturredakteurin beim rbb
Inforadio. Produziert wird der Podcast von der
Produktionsfirma „Auf die Ohren“.
Woche der
Meinungsfreiheit
Reporter ohne Grenzen hat sich außerdem der „Woche
der Meinungsfreiheit“ angeschlossen. Vom internationalen Tag der
Pressefreiheit am 3. Mai bis zum Tag der Bücherverbrennung in Deutschland
am 10. Mai organisiert ein breites gesellschaftliches Bündnis unter dem
Hashtag #mehralsmeinemeinung bundesweit Online-Veranstaltungen, Aktionen
und Kampagnen. Das Bündnis wurde vom Börsenverein des Deutschen
Buchhandels initiiert und besteht aus rund 25 Organisationen und Unternehmen.
Inhaltliche Basis ist die „Charta
der Meinungsfreiheit“, die Bürgerinnen und Bürger unterzeichnen
können.
Pressefreiheit ist auch
deine Freiheit
Im Rahmen der jährlich stattfindenden Veranstaltung „Pressefreiheit ist
auch deine Freiheit“ veranstalten zudem der Verband Deutscher
Zeitschriftenverleger (VDZ) und seine Kooperationspartner (unter anderem
Reporter ohne Grenzen) dieses Jahr eine Woche
der Pressefreiheit mit digitalen Angeboten. Unter dem Motto
Pressefreiheit ist #auchdeinefreiheit lädt RSF zu einem digitalen
Werkstattgespräch für junge Menschen ein. Mit dabei ist eine
Exiljournalistin aus dem Iran, die nun in Deutschland tätig ist und von
Ihren Arbeitserfahrungen als Journalistin in beiden Ländern berichten
wird.
Reporter ohne Grenzen (RSF) vom 03.05.2021