Dass der Ton im Miteinander rauer geworden ist und es oft an Respekt und Wertschätzung für unser Gegenüber fehlt, wird vor allen Dingen in den sozialen Medien deutlich. Es ist leicht, darüber hinwegzuklicken. Das diese neue Qualität der Kommunikation auch im "wahren Leben" stattfindet und sich vermehrt gegen Mitbürger*innen in Uniform richtet, wurde Andrea Wommelsdorf spätestens im Juni 2020 bewusst, als es in ihrer Heimatstadt Stuttgart zu Ausschreitungen und Übergriffen gegen die Polizei kam. "Das hat mich erschreckt und lange beschäftigt. Ein Bekannter von mir ist Feuerwehrmann, der nur lakonisch feststellte, dies sei doch nun wahrlich nichts Neues. Verbale Attacken seien auch in seinem Alltag an der Tagesordnung. Und er erzählte… Wir hatten nie darüber gesprochen, und mir wurde klar, dass es viele solcher Geschichten gibt, die erzählt, gelesen und gehört werden müssen. Die Idee vom "Der Mensch hinter der Uniform" war geboren.”
Mit der Fotografin Charlotte Beck, dem Autor Dr. Dirk Reinhardt und dem Blooger Burkard Knöpker holte sich Frau Wommelsdorf nicht nur befreundete, engagierte und überzeugte Mitstreiter ins Boot, sondern auch genau die fachlichen, organisatorischen, textlichen und fotografischen Kompetenzen, die es zur Realisation eines solchen Projektes bedarf.
Das Ergebnis beeindruckt. Inzwischen wurden über 30 ausführliche Interviews geführt - inhaltlich “on point” zusammengefasst - gerade lang genug, um zu berühren - nie zu lang, um zu überfordern. Die Verknüpfung von Text und Close-Up-Porträt funktioniert perfekt. Die Uniform verschwindet - der Mensch zeigt sich.
Die erzählten Geschichten sind so vielfältig wie die Menschen. Da ist der Notfallsanitäter, der die schwindende Hilfsbereitschaft und zunehmende “Gaffer-Mentalität” der Menschen beklagt, der Polizeibeamte, der sich bemüht, die verbalen Attacken und Beleidigungen zu überhören oder der Feuerwehrmann, der bei Rettungseinsätzen angemault wird, weil ‘es zu lange dauert…’ Eines ist jedoch allen Interviewpartnern gemein. “Alle, die wir bisher interviewt haben, sind dankbar, einfach einmal gehört zu werden. Und jedesmal erstaunlich und berührend: Die unverwüstliche Motivation weiterzumachen. Die Gabe, sich an kleinen Highlights des Tages zu erfreuen.” erzählt Wommelsdorf. "Diese Motivation treibt auch uns als Projektgruppe an. Es war nicht immer einfach, die erste Skepsis unserer Ansprechpartner zu zerstreuen, bürokratische Hindernisse zu überwinden oder die notwendigen Genehmigungen zu erhalten. Es war ein Weg, aber den geht man ja bekanntlich immer Schritt für Schritt”.
Und irgendwie folgt auch das gesamte Projekt “www.der-mensch-dahinter.de" dem Motto: Der Weg ist das Ziel. “Uns ist klar, dass wir natürlich nicht in erster Linie die Pöbler, Gaffer und Beleidiger erreichen. Uns geht es darum, ein Bewusstsein zu schaffen. Und wenn wir auf dem Weg den ein oder anderen Wegweiser für mehr Empathie, Toleranz und Respekt setzen können, haben wir schon viel erreicht”. Das nächste Etappenziel ist bereits in Sicht. Denn sobald es wieder möglich ist, wird eine, schon vor Corona geplante und bereits genehmigte, Ausstellung in der Bezirksregierung Münster stattfinden. Und auch ein Buch steht noch auf der Agenda der Initiative "der Mensch hinter der Uniform".
Und dann? “Dann geht's weiter! Es gibt noch so viele Menschen, die wir zu Wort kommen lassen möchten. Was ist mit den Kassierer*innen, mit den Schaffner*innen, den Busfahrer*innen?” lächelt Wommelsdorf. “Und es gibt ja auch noch Menschen ohne Uniform, die aber dennoch, allein durch ihre Funktion in der Gesellschaft, zu Prellböcken werden. Arbeitsagentur-Mitarbeiter*innen, Lehrer*innen, und, und, und."
Es gibt also noch viel zu tun für die Truppe rund um Andrea Wommelsdorf. Und weil wir als Redaktionvon stadt 4.0 die Werte Respekt und Toleranz aus tiefster Überzeugung teilen, freuen wir uns, die bisher geführten Interviews als Serie auf unsere Plattform noch einmal zu veröffentlichen. Seien Sie also gespannt auf die Menschen hinter der Uniform. Wir sind gespannt auf weitere Aktionen der Initiative und bleiben in Kontakt, um weiter zu berichten.
Das erste Interview finden Sie bereits online unter: ttps://m2.stadt40.de/a/11337/der-mensch-dahinter
www.der-mensch-dahinter.de
Porträtfoto: Charlotte Beck.
Bannerfoto - von links nach rechts: Dirk Reinhardt, Charlotte Beck, Andrea Wommelsdorf, Burkard Knöpker.