Mitunter reichen ein paar dürre Sätze im trockenen Juristendeutsch, um ein Projekt zu beenden, das jahrelang Befürworter und Kritiker in Atem gehalten hat: "Die Stadt und die Vorhabenträgerin haben mit Datum vom 28./30.07.2014 einen Durchführungsvertrag geschlossen, in dem sich die Vorhabenträgerin zur Errichtung eines Einkaufszentrums unter Umsetzung des vorhabenbezogenen Bebauungsplans Nr. 600 und des dazugehörenden Vorhaben- und Erschließungsplans verpflichtet. Die Stadt und die Vorhabenträgerin sind sich einig, dass das Vorhaben nicht mehr verwirklicht werden soll."
Das war es dann. Die Aufhebungsvereinbarung haben Oberbürgermeister Wolfgang Griesert und für die "Neumarkt 14 Projekt Verwaltungs GmbH" Olaf Ley am Mittwoch, 21. April, unterschrieben. Damit ist das Einkaufcenter mit dem Arbeitstitel "OSKAR" auch formal Geschichte. Der Weg ist nun frei für die Johannis Höfe.
Beide Seiten haben während der Vertragsunterzeichnung die vertrauensvolle Zusammenarbeit betont. So sagte Griesert: "Natürlich waren viele in der Stadt und im Stadtrat zunächst verwundert über die Aufgabe der Entwicklung des Einkaufszentrums. Aber im Anschluss haben sich alle Gesellschafter der Neumarkt 14 GmbH aktiv für eine alternative Entwicklung eingesetzt. Auch wenn wir als Stadt die Grundstücke nicht selbst erwerben konnten, bin ich sehr froh, dass nun mit Alexander Lindhorst ein Familienunternehmer mit einem neuen vielversprechenden Projekt an prominenter Stelle in unserer Stadt auf die Herausforderungen der Zukunft reagieren möchte. Und das wird gut, da bin ich mir sehr sicher."
Und Ley ergänzte: "Wir haben viel Zeit und Geld in das Projekt "Oskar" investiert. Es ist trotz aller Bemühungen anders gekommen. Dennoch möchten wir betonen, dass wir zu allen Zeiten immer einen vertrauensvollen und belastbaren Kontakt zur Stadt hatten."
Dass es nun am Neumarkt wieder voran geht, begrüßen alle mit dem Projekt verbundenen Akteure. So unterstreicht auch Dr. Theodor Bergmann, der sich mit zwei weiteren Projekten für eine Entwicklung im Stadtzentrum engagiert: "Die jetzt gefundene Lösung wird dazu führen, dass am Neumarkt das neue pulsierende Herz der Stadt entsteht. Um das zu erreichen, mussten wir zwar alle über unseren Schatten springen, aber von den nun in die Wege geleiteten Entwicklungen profitieren am Ende alle."
Auch Alexander Lindhorst, der nun Eigentümer der Grundstücke werden wird und dort den Bau der Johannis Höfe plant, zeigt sich zuversichtlich, dass nun ein Aufbruchsignal ausgesendet wurde, das einen Entwicklungsschub bis weit in die Johannisstraße hinein auslösen wird. "Der letzte Stein, der der Entwicklung der Johannis Höfe im Wege lag, ist weggeräumt. Ich freue mich nun, dass wir mit aller Kraft in die Projektentwicklung einsteigen können, um den Neumarkt zur ersten Adresse in Osnabrück zu machen", so Lindhorst.
Das Gebiet am Neumarkt ist seit über zwei Jahrzehnten in der städtebaulichen Diskussion. Bereits 2001 wurde mit sogenannten Planungszellen ein Bürgergutachten zum Neumarkt erstellt, dass sich mit der Verkehrssituation, dem Nutzungsmix sowie der Gestaltung des öffentlichen Raumes auseinandergesetzt hat. 2005 verabschiedete der Rat den Masterplan von Gewers, Kühn und Partner mit mehreren Bausteinen für neue Gebäude an der zentralen Achse der Stadt.
Die Pläne für ein Einkaufzentrum in Osnabrück gehen auf die frühen 2000er Jahre zurück. Erste Überlegungen der ECE Gruppe bezogen sich auch auf das Gebäude des Landgerichts. 2010 gab es Ideen des Münsteraner Unternehmens CM-Immobilien für ein Einkaufszentrum auf dem Grundstück des ehemaligen Wöhrl-Gebäude. Mit dem B-Plan Nr. 600 und dem Abschluss des Durchführungsvertrages im Jahre 2014 wurde es dann auf einem deutlich größeren Areal zwischen Neumarkt und Große Rosenstraße konkret. Die Entwicklungsplanung erfolgte zunächst durch die mfi Management für Immobilien AG und dem Osnabrücker Kaufmann Dr. Bergmann. Mit der Übernahme von mfi übernahm Unibail-Rodamco-Westfield (URW) die Mehrheit in der Projektgesellschaft.
Die Realisierung des Vorhabens wurde aber zum einen durch mehrere Normenkontrollverfahren gehemmt, zum anderen wurde zunehmend deutlich, dass es bundesweit erhebliche Vermarktungsprobleme für Einkaufszentren gab. In der Phase des Stillstandes in der Projektentwicklung haben Bürgerinnen und Bürger die Initiative PlanB gegründet, die am Neumarkt eine alternative Entwicklung in Form eines gemischt-genutzten Quartiers vorgeschlagen hatte.
Nach Abschluss der Normenkontrollen und den Marktentwicklungen zum Trotz, hat die Neumarkt 14 GmbH im Frühjahr 2018 den Bauantrag für das Shoppingcenter eingereicht. Im Juni 2019 erklärte jedoch Unibail-Rodamco-Westfield, dass aufgrund von internen Wirtschaftlichkeitsstandards eine Realisierung nicht mehr möglich wäre.
Die Stadt hat auf den Rückzug von URW mit dem Start des Bebauungsplanverfahrens Nr. 651 und gleichzeitig dem Signal zur Aufhebung des B-Planes Nr. 600 reagiert. Seitens der Eigentümer der Neumarkt 14 Gesellschaft wurde intensiv nach einer alternativen Nutzung ihrer Immobilien gesucht, ein Kaufangebot der Stadt wurde nicht angenommen.
Anfang 2020 trat dann Dennis Rossing für die ROSCO-Gruppe als von URW präferierter Erwerber an die Stadt heran. Nach vielen Abstimmungen mit der Verwaltungsspitze und dem Neumarkt Projektmanagement konnten so im Herbst vergangenen Jahres Dennis Rossing und Alexander Lindhorst die Planungen Vertretern der Ratsfraktionen und der Öffentlichkeit vorstellen.
Der städtebauliche Entwurf von SKAI Architekten fand dabei großen Anklang. Nach der internen Einigung der Gesellschafter der Neumarkt 14 GmbH über den Verkauf der Flächen an die Lindhorst Gruppe konnte mit der Aufhebung des Durchführungsvertrags nun der Schlussstrich unter die Einkaufszentrumsentwicklung gesetzt werden.
"Auch wenn es zum Schluss noch intensiver Vermittlungsgespräche bedurfte: Ich bin froh, dass nun dem Eigentumsübergang nichts mehr im Wege steht und mit den Johannis Höfen der seit 20 Jahren zu beobachtende Verfall im Bereich der oberen Johannisstraße gestoppt wird. Hierdurch erhoffe ich mir einen positiven Impuls über den Neumarkt hinaus für die gesamte Innenstadt", so Oberbürgermeister Wolfgang Griesert.
Wie geht es nun weiter? Nach der frühzeitigen Beteiligung der Öffentlichkeit zum geplanten Bebauungsplan im März 2021 ist noch vor dem Sommer ein Beteiligungsformat geplant, bei dem sich Bürgerinnen und Bürger, aber auch bürgerschaftliche Initiativen, Nachbarn und andere Interessierte an der Optimierung der Planungen beteiligen können.
Die Lindhorst Gruppe hatte diesbezüglich schon sehr früh bekundet, ein offenes Ohr für einen weiterführenden Dialog zu haben. Noch in diesem Jahr könnte so ein auf das Projekt bezogener Bebauungsplan erarbeitet und im nächsten Jahr die Bauanträge gestellt werden. Schon 2023 dürfte dann im Herzen von Osnabrück mit dem Bau eines gemischt genutzten und von einem modernen Wohnkonzept geprägten Innenstadtquartier begonnen werden.
Stadt Osnabrück
Foto: Robert Schäfer. Oberbürgermeister Wolfgang Griesert und Olaf Ley unterzeichnen die Aufhebungsvereinbarung.