Offenbar war vielen Delegierten die Tragweite ihres Beschlusses zur Drogen-Liberalisierung nicht bewusst. Grundlage ihres Votums war ein Antrag des FDP-Bezirksvorsitzenden von Berlin-Marzahn, Roman-Francesco Rogat. Verlangt wurde darin eine "liberale Drogenpolitik in Anlehnung an das portugiesische Modell", das auf "mehr Prävention statt Bestrafung" setze. Dieses "portugiesische Modell" wurde in dem Antrag allerdings nicht näher erläutert.
Der Parteitagsbeschluss, mit dem diese Forderung zunächst offiziell ins Wahlprogramm der FDP aufgenommen wurde, löste bei der Parteispitze Alarm aus. "Das portugiesische Modell bedeutet nichts anderes als die vollständige Freigabe aller Drogen", sagte Parteivize Kubicki. "Das ist etwas, das die Freien Demokraten unter keinem Gesichtspunkt gutheißen können."
Parteichef Lindner begründete seine Unterstützung für die Rücknahme des Beschlusses damit, dass sich Gegner des Drogen-Antrags in der digital abgehaltenen Debatte wegen technischer Probleme nicht hätten zu Wort melden können.
Der FDP-Bundesparteitag finde zum ersten Mal digital statt, "was auch eine eine gewisse Großzügigkeit von uns allen erfordert", sagte Lindner. Eine "so weitreichende Entscheidung" erfordere eine ordentliche Debatte. Danach müsse neu abgestimmt werden.
Generalsekretär Wissing sprach von einem "Zufallsergebnis". Dieses sei auch dadurch zustande gekommen, dass das Tagungspräsidium zunächst versehentlich Zustimmung zur Übernahme des Antrags in das Wahlprogramm signalisiert habe. Der Beschluss zur Liberalisierung der Drogenpolitik wurde schließlich vom Parteitag mit 58 Prozent der Stimmen zurückgenommen.
Ein Delegierter bekannte in der vorherigen Aussprache: "Die meisten wussten gar nicht so genau, was da beschlossen wurde." Andere Delegierte übten allerdings scharfe Kritik daran, dass ein bereits gefasster Beschluss nach einer Intervention der Parteiführung kurzerhand wieder aufgegeben werde. "Die Entscheidung, die dieser Parteitag vor fünf Minuten getroffen hat, sollte nach fünf Minuten auch noch gelten", sagte etwa der frühere Chef der Jungliberalen, Lasse Becker.
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Peter WÜTHERICH / © Agence France-Presse