Sie widmete sich dem Thema „In der Pandemie – nach der Pandemie: die Medizin vor einer neuen (sozialen) Verantwortung?“. Vorbereitet und organisiert hatte das Treffen ein Vorbereitungskreis um Maria Kröger, stellvertretende Direktorin der Akademie Franz Hitze Haus, die das Ärztetreffen gewöhnlich ausrichtet. Die Moderation übernahm Dr. Peter Kleine-Katthöfer.
Hauptreferent war Prof. Dr. Heiner Fangerau vom Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin an der Universität Düsseldorf. Er stellte zunächst die Geschichte des Staats als gesundheitspolitischer Akteur dar. Mit dem Aufkommen der Nationalstaaten hätten diese die Gesundheitspolitik als Handlungsfeld entdeckt. „Aus seiner Verantwortung dafür leitet der Staat das Recht ab, in das Leben der Menschen einzugreifen“, verdeutlichte Fangerau. Daraus ergebe sich die Frage nach der Einschränkung und Gewährung von Freiheiten.
Die im 19. und 20. Jahrhundert entwickelten Hygienekonzepte hätten „Pfade bis zum heutigen Umgang mit Pandemien“ gelegt. Im Laufe der Geschichte hätten sich verschiedene Arten gezeigt, mit der insbesondere zu Beginn einer Pandemie auftretenden Unwissenheit umzugehen. Zunehmend sei wahrgenommen worden, dass es zusätzlich zum jeweiligen Krankheitskeim weitere wichtige Faktoren im Umgang mit einer Pandemie gebe.
Gesellschaftlich hätten sich die „Medikalisierung des Privaten“ und die „Privatisierung der Medizin“ parallel zueinander entwickelt; Staat und Wirtschaft hätten beide Entwicklungen unterstützt und gesteuert. So sei Druck entstanden, im eigenen Interesse und in dem der Allgemeinheit gesund zu leben.
Fangerau zog das Fazit, die Corona-Pandemie habe durch Digitalisierung der Medizin die öffentliche Kontrolle der Gesundheit beschleunigt. Im Spannungsfeld zwischen Privatheit, Transparenz, dem Wunsch nach Teilhabe und der staatlichen Kontrolle bewegten sich in und wohl auch nach der Pandemie Ärztinnen und Ärzte aller Bereiche. Sie müssten deshalb diskutieren, ob diese Entwicklung Deprofessionalisierung und Verantwortungsdiffusion bewirke.
„Ärztinnen und Ärzte müssen sich beteiligen an politischen Debatten über die Steuerung von Gesundheit sowie über Eingriffe in Rechte, über Gerechtigkeit und Fürsorge“, sagte Fangerau. Die durch die Pandemie beschleunigte Entwicklung zwinge möglicherweise dazu, eine neue ärztliche Verantwortung zu definieren.
An das Referat schloss sich eine lebendige Diskussion an, an der für das Bistum Münster Generalvikar Dr. Klaus Winterkamp teilnahm. Bischof Dr. Felix Genn hatte seine Teilnahme am Ärztetreffen diesmal absagen müssen, jedoch in einem eingangs eingespielten Video ein Grußwort übermittelt.
Bistum Münster
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