Das Rektorat der WWU hat kürzlich die neue Internationalisierungsstrategie verabschiedet. Die fünf zentralen Handlungsfelder der Strategie sind dabei „Forschung“, „Lehre“, „Partnerschaften“, „Sichtbarkeit und Profilierung“ sowie „Verwaltung, Services und Infrastruktur“. Kathrin Kottke und Norbert Robers sprachen mit Prof. Dr. Michael Quante, Prorektor für Internationales und Transfer, über die Bedeutung und Rolle der Internationalisierung für die WWU und über Herausforderungen und Ziele.
Warum bedurfte es überhaupt einer neuen Internationalisierungsstrategie – hinkt die WWU in diesem Bereich hinterher?
Nein, sicher nicht. Zum einen gab es bereits eine Internationalisierungsstrategie, als dieses Rektorat seine Amtsgeschäfte aufgenommen hat – die Tatsache, dass die Geltungsdauer kurz danach auslief, haben wir zum Anlass für eine Novellierung genommen. Zum anderen haben wir diese Gelegenheit genutzt, die Internationalisierungsstrategie der WWU auf die anderen strategischen Ziele des Rektorats abzustimmen.
Internationalisierung darf kein Selbstzweck sein: Diesen Satz wird wohl jeder unterschreiben. Wozu dient sie denn Ihrer Meinung nach?
Einerseits handelt es sich um ein Instrument, um die Wettbewerbsfähigkeit dieser Universität zu steigern; beispielsweise bei der Rekrutierung der ,besten Köpfe‘ oder bei Drittmittelanträgen. Andererseits verstehen wir Internationalisierung als einen intrinsischen Wert. Die Welt der Wissenschaft ist eine Welt der Vernetzung und der internationalen Zusammenarbeit. Dazu dient beispielsweise auch das Erasmus-Austauschprogramm für Studierende und Mitarbeiter – diese Möglichkeit eines interkulturellen Austausches ist ein Wert an sich.
Und wenn die intrinsische Motivation nicht allerorten in der WWU gleichermaßen ausgeprägt ist? Oder anders formuliert: Wie erreicht man es, dass die Internationalisierungsstrategie flächendeckend gelebt wird?
Niemand von uns ist blauäugig: Man wird dabei nie 100 Prozent erreichen. Die Praxis zeigt allerdings, dass der Großteil unserer Wissenschaftler und Mitarbeiter sehr motiviert ist und viele internationale Projekte realisiert. Im Übrigen sollte man bei diesem Thema die unterschiedliche Fächerkultur berücksichtigen. So werden die Juristen beispielsweise zu Recht hervorheben, ihnen gehe es vor allem darum, das deutsche Rechtssystem zu lehren. Aus diesen Gründen drückt unsere Strategie ein gemeinsames Verständnis von Internationalisierung aus und schafft zugleich Freiräume für unterschiedliche Aktivitäten. Internationalisierung lebt von der Peripherie aus.
Apropos Peripherie. Die Metropolen wie Berlin, Hamburg und München üben sowohl auf international begehrte Wissenschaftler als auch auf Studierende eine große Anziehungskraft aus. Wie kann Münster diesen Nachteil ausgleichen?
Indem man aufzeigt, dass dies keineswegs ein Nachteil sein muss. Die WWU bietet ein großes Fächerspektrum, die Zusammenarbeit zwischen den Fächern ist gelebter und geschätzter Alltag, sowohl die Geistes- als auch die Naturwissenschaften haben exzellente Lehrangebote. Schließlich zählt Münster nicht zu Unrecht zu den schönsten deutschen Städten. Wir haben also keinen Grund, uns zu verstecken.
Sind das die Argumente, mit denen man auch internationale Spitzenwissenschaftler nach Münster locken kann?
Für Forscher zählt vor allem die Qualität der Kollegenschaft – und an dieser Stelle kann Münster in vielen Bereichen punkten. Ob Chemie, Physik, Batterieforschung, die Theologien, Planetologie, unsere Exzellenzcluster oder Sonderforschungsbereiche: Wir haben an der WWU zahlreiche große und kleine Fächer sowie Forschungsverbünde mit internationaler Strahlkraft. Ich weiß durch zahlreiche Auslandreisen, wie bekannt und anerkannt die WWU in vielen Teilen der Welt ist.
Welches sind die größten Hindernisse auf dem Weg zu einer noch stärkeren Internationalisierung?
Auch wenn wir dafür nicht zuständig sind: Die WWU muss und wird sich auch in Zukunft intensiv dafür engagieren, mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen – auch und vor allem für internationale Gäste, die es auf dem Wohnungsmarkt häufig noch schwerer haben als Einheimische. Zweitens wollen wir möglichst schnell unser Angebot an englischsprachigen Kursen vergrößern. Aber ich würde gerne auf weitere Vorzüge der WWU hinweisen…
…nur zu!
Mit dem International Office, dem Graduate Centre und dem Career Service haben wir eine exzellente Infrastruktur. Oder denken Sie an das ,Women-in-Research‘-Stipendienprogramm für internationale Forscherinnen ab dem Postdoc-Level oder Schnupper-Stipendien für Studierende und Doktoranden – diese Angebote werden sehr gut angenommen. Für uns sind diese Programme sehr wichtig, denn diese Teilnehmer sind bestens dafür geeignet, als Botschafter in ihren Heimatländern Werbung für die WWU machen.
Gibt es Regionen, auf die sich die WWU bei ihrer fortschreitenden Internationalisierung konzentrieren wird?
Eines vorweg: Die WWU pflegt auf allen Kontinenten rund 550 Partnerschaften mit wissenschaftlichen Einrichtungen – unsere Internationalisierung ist somit im wahrsten Sinne des Wortes global. Dennoch haben wir Schwerpunkte, die auch in Zukunft Schwerpunkte sein werden. So pflegen wir beispielsweise seit vielen Jahren eine strategische Partnerschaft mit der Universität Twente in Enschede. Beide Hochschulleitungen haben mittlerweile das Förderinstrument der ‚Collaboration Grants‘ mit Erfolg als eine interne Anschubfinanzierung implementiert, um die Forschungskooperationen zwischen den Universitäten zu intensivieren; gleichzeitig schaffen wir so Potenzial für die Einwerbung von Drittmitteln. Ein weiteres Beispiel für einen Internalisierungs-Schwerpunkt ist Brasilien. Seit mehr als zehn Jahren unterstützt unser Brasilien-Zentrum Studierende und Wissenschaftler bei Aufenthalten und Kooperationen – die WWU ist in puncto Wissenschafts-Aktivitäten die aktivste Universität im immerhin sechstgrößten Land der Erde.
Spielt die Internationalisierung auch in der Verwaltung eine Rolle?
Aber sicher. Wir bauen nach und nach die Englischsprachigkeit der WWU-Verwaltung aus; beispielweise mit zweisprachigen Formularen und Serviceangeboten. Zudem haben auch alle Verwaltungsmitarbeiter die Möglichkeit, die Internationalisierungs-Angebote zu nutzen – etwa in Form von Hospitanzen an ausländischen Hochschulen. Das International Office bietet schließlich Weiterbildungen zur interkulturellen Kommunikation und Zusammenarbeit an.
Die Internationalisierungsstrategie steht nunmehr schwarz auf weiß – ist damit die Arbeit getan?
Dieser Prozess wird nie abgeschlossen sein. Die in dem Papier aufgeführten Ziele sind für die Universität als Ganzes identifiziert – der dazugehörige Maßnahmenkatalog wird dauerhaft fortgeführt und an die Bedarfe der dezentralen Einheiten, wie etwa Fachbereiche und Forschungsverbünde, angepasst. Durch den Strategieprozess haben wir meiner Ansicht nach ein „Wir-Gefühl“ entwickelt — ein geteiltes Verständnis von Internationalisierung. Im Übrigen gilt gerade bei der Internationalisierung, dass man in Zehn-Jahres- und nicht in Zehn-Monats-Fortschritten denken sollte. Wir setzen auf behutsame und flächendeckende Fortschritte durch nachhaltiges Engagement.
WWU Münster (upm/kk). Dieses Interview stammt aus der Unizeitung wissen|leben Nr. 3, 19. Mai 2021
Foto: WWU - Peter Leßmann. Prof. Dr. Michael Quante, Prorektor für Internationales und Transfer, beschreibt im Gespräch mit Kathrin Kottke und Norbert Robers die enge Verzahnung der Internationalisierungsstrategie der WWU mit weiteren Ziele des Rektorats.