Münster (SMS) - Wie fühlt es sich an, sein Heimatland verlassen zu müssen, weil dort Krieg und Gewalt herrschen? Wie übersteht man die Flucht? Wie fasst man Fuß in einer fremden Welt und verwirklicht dort seine Ziele? All diese Themen umfasst das Kinder- und Jugendbuch „Spuck´ die Trauer aus“, das vor wenigen Wochen auf Deutsch erschienen ist. Es hat auch durch das Engagement der Ausländerbehörde seinen Weg nach Münster gefunden.
Die Hauptfigur ist Noura, die aus Syrien über den Balkan nach Deutschland flieht und in ihrer neuen Heimat eine erfolgreiche Olympia-Schwimmerin wird. „Noura erzählt von ihren Gedanken, Ängsten und Sorgen, aber auch von ihren Strategien, Rückschläge zu überwinden und dem Ungewissen zu begegnen“, so Migrationsdezernentin Christine Zeller in ihrem Vorwort zur deutschen Ausgabe.
„Uns hatten die in Münster lebenden Griechen Dr. Paraskevi Toma und Orestis Kazasidis auf die bewegende Erzählung aufmerksam gemacht“, sagt Helga Sonntag, Leiterin der Ausländerbehörde. Denn die Geschichte hat ursprünglich die griechische Autorin Marietta Kondou verfasst. Sie wurde zunächst ins Arabische übersetzt, um damit junge Menschen in den Flüchtlingslagern Griechenlands zu erreichen.
Die Projektinitiative „Mut machen“ holte die Bücher 2018 nach Münster. In Workshops halfen sie arabischsprachigen Kindern und Jugendlichen dabei, sich mit ihrer eigenen Migrationsgeschichte zu befassen – zum Beispiel in Feriensprachkursen.
Aber auch deutschsprachige Kinder waren sehr interessiert an der Erzählung über Flucht und Zerstörung, Mut und Talent: Die jetzt zehnjährige Charlotte hatte als Grundschülerin an einer mehrsprachigen Lesung aus dem Buch teilgenommen – und fragte danach nach einer vollständigen Übersetzung ins Deutsche, um sich in die Geschichte vertiefen zu können. „Das hat uns alle sehr berührt“, sagt Paraskevi Toma.
Mittlerweile besucht Charlotte die fünfte Klasse und hält ein druckfrisches Exemplar von „Spuck´ die Trauer aus“ in den Händen. Dr. Nikola Moustakis vom Centrum für Geschichte und Kultur des östlichen Mittelmeerraums (GKM) der Westfälischen Wilhelms-Universität hat die Geschichte übersetzt, die Autorin Marion Bischoff den Text lektoriert.
„Finanziert wurden die Bücher mit privaten Spenden, Zuschüssen des Integrationsrates der Stadt Münster und des Kommunalen Integrationszentrums sowie mit Beiträgen von Migrantenvereinen“, sagt Helga Sonntag, deren Behörde sich ebenfalls in der Initiative „Mut machen“ engagiert. In Münster werden die Exemplare kostenfrei an Kinder und Jugendliche verteilt, die an Workshops des Projekts teilnehmen.
Die Geschichte des Mädchen Noura hat einen realen Hintergrund: Sie ist angelehnt an das Schicksal der mittlerweile 23-jährigen Schwimmerin Yusra Mardini. Auf ihrer Flucht übers Mittelmeer im Jahr 2015 sprang sie ins Wasser, um das Boot stabil zu halten. Und schon 2016 war sie in Rio de Janeiro Mitglied des Olympischen Teams der Flüchtlingsathleten.
Auch Noura schafft es, ihr großes Talent im Schwimmen in Deutschland weiterzuverfolgen – dabei helfen ihr ihre eigene Beharrlichkeit, aber auch ihr Trainer, ihre Eltern, Freunde und ihre Schwester. „Oft genug wäre es auf ihrer Reise einfach gewesen, Ideale über Bord zu werfen und an den Widrigkeiten der Flucht zu scheitern“, betont Christine Zeller in ihrem Vorwort. „Aber Nouras Geschichte zeigt uns auch, wie wichtig es ist, nicht auf sich allein gestellt zu sein, den Alltag mit anderen zu teilen und von Menschen unterstützt zu werden.“
Stadt Münster
Foto: Privat. Die zehnjährige Charlotte gab die Anregung, das Kinder- und Jugendbuch „Spuck die Trauer aus“ auch auf Deutsch lesen zu können. Nun hält sie ein druckfrisches Exemplar der übersetzten Ausgabe in den Händen.