In Deutschland fällt am Montag die Priorisierung von einzelnen Bevölkerungsgruppen für eine Corona-Impfung weg. Dann können sich alle Bürgerinnen und Bürger ab zwölf Jahren um einen Impftermin bemühen - weil der Impfstoff aber weiter knapp ist, fürchten Ärztinnen und Ärzte eine überwältigende Nachfrage. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) bat um "Nachsicht" mit dem Personal von Impfzentren und Praxen.
Bislang waren die Corona-Impfungen in Deutschland Menschen in höheren Altersgruppen, bestimmten Berufsgruppen und mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen vorbehalten; nur der Impfstoff von Astrazeneca war bereits für alle ab 18 verwendbar. Am Montag fallen die Priorisierungen nun ganz weg. Gleichzeitig sind nun Impfungen für Kinder und Jugendliche bereits ab zwölf Jahren möglich.
Er rechne mit einem "Ansturm auf die Praxen", sagte der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, der "Neuen Osnabrücker Zeitung" vom Samstag. "Bitte haben Sie Geduld und bedrängen Sie nicht die Ärzte und Ärztinnen und deren Teams, die medizinischen Fachangestellten", appellierte er.
Auch Dirk Heinrich, der Bundesvorsitzender des Virchowbundes, in dem die niedergelassenen Ärzte organisiert sind, sagte der Zeitung, es gebe weiterhin zu wenig Impfstoff. "Daher müssen wir unsere Patienten um Geduld bitten."
Spahn sagte der "Bild am Sonntag": "Nicht alle können gleichzeitig am Montag einen Termin bekommen." Er bitte daher um "Nachsicht mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Arztpraxen und Impfzentren". Bei der Wartezeit auf den Impftermin gehe es "jetzt um Wochen, nicht um Monate".
Die Grünen-Gesundheitspolitikerin Kordula Schulz-Asche erklärte am Sonntag, es bedürfe auch nach dem Ende der Priorisierung "einer klaren Strategie zum weiteren Vorgehen in der Impfkampagne, damit der bisher erzielte Impffortschritt in den Sommermonaten ausgebaut werden kann". Wichtig sei, noch ungeimpfte Mitglieder der bisher priorisierten Gruppen zu erreichen. "Dazu müssen sie direkt durch ärztliches Personal kontaktiert werden und ein Impfangebot ausgesprochen bekommen."
Bundesfamilienministerin Christine Lambrecht (SPD) lenkte den Blick auf das Personal in Kitas und Schulen. Es sei "ganz wichtig", die Impfungen der Betreuer und Lehrkräfte weiter voranzutreiben, "denn sie schützen nicht nur diese Personen selbst, sondern tragen zum Schutz unserer Kinder in Bildungseinrichtungen bei", sagte Lambrecht den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Montagsausgaben).
In der kommenden Woche stehen laut Gesundheitsministerium rund 6,7 Millionen Impfdosen zur Verfügung. Davon entfallen 702.000 Dosen auf die Betriebsärzte, die ab Montag voll in die Impfkampagne eingebunden werden. Die Praxen bekommen rund 3,4 Millionen Dosen, die Impfzentren der Länder gut 2,6 Millionen.
Die Virologin Melanie Brinkmann vom Braunschweiger Helmholtz-Zentrum zog angesichts der Lage das Impfversprechen der Bundesregierung in Zweifel. "Man sieht jetzt deutlich, dass wir viel zu wenig Impfstoff zur Verfügung haben", sagte sie der "Rheinischen Post". Sie sei nach wie vor "skeptisch, ob das Versprechen der Bundesregierung zu halten ist, bis Ende des Sommers allen Bürgern ein Impfangebot zu machen."
Spahn sagte der "Bild am Sonntag", 80 Prozent der impfwilligen Erwachsenen würden bis Mitte Juli mindestens einmal geimpft sein. In der ARD-Talkshow "Anne Will" vergangene Woche hatte Spahn noch von 90 Prozent bis Mitte Juli gesprochen.
Bis einschließlich Freitag wurden laut Gesundheitsministerium 45,4 Prozent der Gesamtbevölkerung mindestens einmal geimpft. 20,7 Prozent haben demnach den vollen Impfschutz.
cne/smb
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