Herne (lwl) - Frau Dowidat, "Pest", "Schätze der Archäologie Vietnams" und "aberGlaube" sind nur einige der Ausstellungshöhepunkte, die Sie für das LWL-Archäologiemuseum in Szene gesetzt haben. War der buddhistische Tempel, den Sie 2018 nachgebaut haben, recycelbar?
Stefanie Dowidat: Tatsächlich steht der gewaltige Tempel jetzt in den Veranstaltungsräumen von Kraftwerk Berlin. Er ist also ein gutes Beispiel dafür, wie Kreislaufwirtschaft im Kulturbereich funktionieren kann. Für die Vietnam-Ausstellung konnten wir an dieser Stelle ein starkes "Bühnenbild" schaffen und trotzdem nachhaltig arbeiten. Klimaschutz spielt auch bei uns in der Ausstellungsplanung und -umsetzung eine immer größere Rolle. Der Bedarf an Wissen und das Interesse für Nachhaltigkeit ist in allen Bereichen des Museums riesengroß.
Wie sieht Klimaschutz konkret im LWL-Archäologiemuseum aus?
Stefanie Dowidat: Dr. Doreen Mölders, Leiterin des LWL-Archäologiemuseums, hat einen Arbeitskreis ins Leben gerufen, der sich mit genau diesem Thema befasst. Im Gespräch mit Kolleg:innen aus allen Bereichen des Hauses - vom Kurator bis hin zur Kassenkraft - entwickeln wir Ideen, wie das LWL-Museum und auch wir klimafreundlicher arbeiten können. Die Sonderausstellung "Graben im Gestern" zur Archäologie der Moderne 2023 ist die erste, die wir möglichst nachhaltig umzusetzen wollen. Für die kommende Ausstellung 'Stonehenge' verwenden wir überwiegend Holzmaterial als nachwachsenden Rohstoff. Den können wir für weitere Ausstellungen wiederverwenden.
Darüber hinaus versuchen wir uns am Klimaschutz immer wieder auch im Kleinen: Vor Corona hatten wir via Facebook einen Aufruf gestartet und nach einer Köchin gesucht, die einmal die Woche für uns kocht - bio, fair und regional, auch um Plastikverpackungen zu vermeiden. Wir recyceln jetzt schon Ausstellungsmaterialien zu Marketing-Artikeln wie Taschen oder Lampenschirme und verkaufen Exponate und Gestaltungselemente auf unserem Weihnachtsbasar. Für unsere Flyer nutzen wir Umweltpapier.
Viele weitere Ideen sind dank des Arbeitskreises in der Mache: vom Stromsparen durch Speicherplatz-Freigabe über die Entwicklung einer Tauschbörse bis hin zu Dienstfahrrädern oder Fassadenbegrünung. Aktuell prüfen wir all das auf Machbarkeit.
Mit welchen Mitteln lässt sich eine Sonderausstellung möglichst klimaneutral umsetzen?
Stefanie Dowidat: Das fängt an bei den Vergaberichtlinien zugunsten von nachhaltig produzierenden Firmen und geht über den Einsatz von Ökostrom und das Ausmachen von Energiespar-Möglichkeiten bis hin zur Vermeidung von Flügen für Exponate auf Seiten der Kurator:innen und Leihgeber:innen. Mit dem Rad zur Arbeit oder der Einkauf von fair produziertem Kaffee, das sind erste Schritte, die wir alle leicht machen können.
Warum wird das alles nicht bereits flächendeckend umgesetzt?
Stefanie Dowidat: Viele Ausstellungen wollen ihre spezifischen Botschaften spannend und erlebnisreich im Raum vermitteln. Eine individuelle Gestaltung und eine eigens dafür gebaute Szenografie sind nach wie vor Ausdruck von hoher Qualität. Der Einsatz von nachwachsenden oder recyclingfähigen Materialien wie Wellpappe oder Holzwerkstoffe aus regionaler Waldwirtschaft sind ein wichtiger Anfang. Umweltfreundliche Materialien stellen Kuratoren aber häufig vor schwierige Entscheidungen: Sie entsprechen nicht immer den konservatorischen Auflagen zum Schutz der Exponate oder den Brandschutzvorgaben.
Wenn Museen ihre Materialien nicht dauerhaft lagern können oder speziell angefertigtes Mobiliar aufgrund fehlender Raumkapazitäten entsorgen müssen, nützen selbst der Einsatz natürlicher Rohstoffe und der Verzicht auf schwer recycelbare Verbundstoffe oder Kunststoffe wenig. Was es braucht, ist eine sinnvolle Kreislaufwirtschaft nach dem "Cradle to Cradle"-Prinzip, zu deutsch 'von der Wiege in die Wiege'", wie sie bereits in der Architektur angewendet wird und in der im Idealfall alle Teile wiederverwendet werden können. Eine gemeinsame, auf regionaler Ebene organisierte Weitergabe und Nutzung von Materialien, Mobiliar, Vitrinen, Beleuchtung und Medien wäre die Lösung. Das kann zum Beispiel über regionale Börsen passieren, wie es sie schon in Bayern gibt.
Worin liegt das Potential archäologischer Museen? Ist Archäologie nicht per se nachhaltig?
Stefanie Dowidat: Jedes Museum hat für sich ein großes Nachhaltigkeitspotential, da es sich um den langfristigen Erhalt von Kulturgütern kümmert. Dennoch ist die Umsetzung einer Nachhaltigkeitsagenda eine große Herausforderung, nicht nur wegen fehlender Einnahmen durch geschlossene Häuser während des Lockdowns. Eine Umstrukturierung der Museen passiert nicht von heute auf morgen und wird begleitet sein von Diskussionen um Zielkonflikte, die mit dem Thema verbunden sind. Bereits jetzt wird um die spezifischen Details wie die Tages- statt Kunstlicht in Ausstellungen gerungen oder um den Einsatz von Digitalisaten, also elektronischen Werken, statt Original-Objekten, welche ansonsten um die halbe Welt fliegen müssten.
Welche ökologische Verantwortung tragen Museen?
Stefanie Dowidat: Museen werden von den Auswirkungen des Klimawandels in unterschiedlicher Intensität betroffen sein, insbesondere wenn Exponate dauerhaft klimatisiert werden müssen. Bei steigenden Außentemperaturen fallen zum Beispiel höhere Energieausgaben an. Für die künftige Praxis im Umgang mit musealen Sammlungen ist Klimaschutz deshalb auch von strategischer Bedeutung.
Neben Verbesserungen bei Museumsgebäuden und Depots sowie im Bereich der musealen Ausstellungspraxis ist die dritte Säule die thematische Sensibilisierung. Museen als öffentliche Bildungseinrichtungen tragen die Verantwortung, diesen Transformationsprozess hin zu mehr Klimaschutz aktiv mitzugestalten. Es gibt ganz viele Möglichkeiten, bei denen sich Veränderungen umsetzen lassen. Zum Glück fangen wir nicht bei Null an, einige Maßnahmen sind bei uns in Herne bereits gelebter Alltag.
LWL
Foto: LWL/ T. Kuhn. Stefanie Dowidat ist Ausstellungsgestalterin im LWL-Museum für Archäologie in Herne und Sprecherin des Arbeitskreises "Ausstellungen" beim Deutschen Museumsbund (DMB).