Der sächsische Verfassungsschutz hat illegal Informationen über den Landeswirtschaftsminister und stellvertretenden Ministerpräsidenten Martin Dulig (SPD) gesammelt. In einem am Dienstag in Dresden von der Parlamentarischen Kontrollkommission des Landtags veröffentlichten Nachbericht zur Datensammlung über Abgeordnete durch das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) taucht Dulig mit der Äußerung auf, dass "die CDU eine Verantwortung dafür trägt, welche Zustände heute in Sachsen hinsichtlich Rechtsextremismus und Rassismus herrschen".
Auch habe der Verfassungsschutz die Kritik von Dulig dokumentiert, wonach die CDU denen mit Misstrauen begegne, die sich stets gegen Rechtsextremismus und Rassismus engagiert haben. Auch über den früheren sächsischen Linken-Vorsitzenden und ehemaligen Fraktionschef Rico Gebhardt und den parlamentarischen Geschäftsführer der Grünen-Fraktion im Landtag, Valentin Lippmann, sowie weitere Politiker sammelte der Verfassungsschutz laut Kommissionsbericht Äußerungen auch aus sozialen Netzwerken.
Die Kontrollkommission stellte klar, dass es sich um ein illegales Vorgehen handle. Die gespeicherten Informationen seien weder dazu geeignet, "im Rahmen einer Prüf- oder Verdachtsfallbearbeitung den Nachweis zu führen, dass sich die betroffene Person einer Bestrebung gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung angeschlossen hat oder für eine fremde Macht geheimdienstlich tätig ist".
Dulig sprach von einem "ungeheuerlichen Vorgang". "Es kann nicht sein, dass Menschen, die sich demokratisch engagieren, kriminalisiert werden, sagte der SPD-Politiker in Dresden. Die über ihn gesammelten Informationen seien überwiegend belanglos. Konkrete Bedrohungen wie ein Angriff auf sein Bürgerbüro seien dagegen vom Verfassungsschutz nicht aufgeführt worden. Er verwies zugleich darauf, dass der neue Verfassungsschutzchef Dirk-Martin Christian angeordnet habe, diese Praxis des Datensammelns einzustellen.
Auch Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) übte scharfe Kritik. "So etwas darf nicht stattfinden - gerade ein Verfassungsschutz muss rechtlich sauber und unangreifbar arbeiten", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Grünen-Kochef Norman Volger erklärte das LfV für "nicht reformierbar". "Die komplette Auflösung dieser Behörde in zwei voneinander getrennte Säulen sehen wir hier als einzige Möglichkeit", erklärte er. Es brauche "eine Zäsur".
Hintergrund sind Untersuchungen der Parlamentarischen Kontrollkommission zur Sammlung und Speicherung von Daten sächsischer AfD-Abgeordneter. Daraufhin richteten zahlreiche Landtagsabgeordnete verschiedener Fraktionen Auskunftsersuchen an das LfV.
Im Juni vergangenen Jahres hatte der damalige Verfassungsschutzchef Gordian Meyer-Plath seinen Posten räumen müssen. Kritiker warfen Meyer-Plath, der seit 2012 im Amt war, unter anderem vor, er habe den Fokus zu wenig auf rechtsextreme Netzwerke gerichtet.
Kurz darauf wurde bekannt, dass der Verfassungsschutz Daten von AfD-Abgeordneten gespeichert hatte. Sachsens Innenminister Roland Wöller (CDU) und der neue Verfassungsschutzchef Christian nannten die Datenspeicherung rechtswidrig und verwiesen auf den Schutz des freien Abgeordnetenmandats durch das Grundgesetz.
"Seit meinem Amtsantritt hat die Rechtmäßigkeit der Speicherung von Abgeordnetendaten im LfV oberste Priorität", erklärte Christian am Dienstag. Er habe eine Reihe von rechtlichen und organisatorischen Maßnahmen auf den Weg gebracht, die künftig eine rechtssichere Vorgehensweise sicherstellen sollten.
Durch eine im LfV eingeführte elektronische Datenverarbeitung wird demnach sämtliches Schriftgut zunächst automatisch erfasst - und zwar unabhängig davon, ob es geheimdienstliche Relevanz hat. Diese Relevanzprüfung erfolgt im Regelfall erst später und bis Mitte 2020 nicht fristgemäß. So ist dem Landesamt zufolge auch die Speicherung der Daten von Dulig und anderen Abgeordneten zu erklären. Diese Daten hätten bereits unverzüglich mit Posteingang gelöscht werden müssen.
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