*Der kulturpolitische Wochenreport beginnt nach der schriftlichen Ansprache*
Sehr geehrte Damen und Herren,
das Humboldt Forum steht auf der Kippe. Jahrelang haben die Verantwortlichen alle Alarmzeichen ignoriert, um jetzt vor einem Scherbenhaufen zu stehen. Angefangen hat das Dilemma mit der Fehlentscheidung, das preußische Berliner Stadtschloss zu rekonstruieren und keinen architektonisch spannenden Neubau zu errichten. Schon mit dieser Entscheidung ist ein Grundproblem manifestiert worden, ein Museum der Weltkulturen in ein preußisches Schloss zu verfrachten und zu glauben, dass der Ort keine Wirkungen auf den Inhalt hätte.
Diesem ersten Fehlgriff wurde gleich ein zweiter nachgereicht. Die Verantwortlichkeit für die inhaltliche Gestaltung wurde schön föderal bis zur Unkenntlichkeit verteilt. Neben der Stiftung Preußischer Kulturbesitz mit dem Ethnologischen Museum und dem Museum für Asiatische Kunst, der Kulturprojekte Berlin GmbH mit dem Stadtmuseum Berlin, der Humboldt-Universität zu Berlin und der Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss wurde ein ganzer Strauß von unterschiedlichen Interessen mit den Planungen beauftragt. Eigentlich politisch verantwortlich sind die Kulturstaatsministerin und der Kultursenator von Berlin.
Schon vor Jahren war klar, dass die Frage nach unserer – der deutschen – Verantwortung in der Kolonialzeit an diesem Ort beantwortet werden muss.
Und dabei geht es nicht nur um die Frage, unter welchen Bedingungen die Ausstellungsstücke in die ethnologischen Sammlungen gekommen sind, sondern auch um die Frage, wie das koloniale Denken und Handeln auch heute unsere Beziehungen zu den Ländern des Südens prägen.
Doch diese Fragen werden wohl nicht so bald beantwortet. Es muss für das Humboldt Forum doch sehr peinlich sein, dass der Historiker Götz Aly gerade von außen die Provenienzrecherche über eines der zentralsten Ausstellungsstücke des Humboldt Forums, das Luf-Boot, öffentlichkeitswirksam vorgestellt hat.
Ein Grund für viele dieser Unzulänglichkeiten ist der Unwille der Verantwortlichen, die internationale und nationale Zivilgesellschaft in das Projekt mit einzubeziehen. Ich kann mich an kein kulturpolitisches Projekt in den letzten zweieinhalb Jahrzehnten erinnern, wo jahrelang alle Angebote zum Mitdenken so konsequent ignoriert wurden.
Jetzt steht der 682 Millionen Euro teure »Altbau« auf der Kippe. Die Beninplastiken sind Raubkunst, das Luf-Boot ist Raubkunst, was kommt als Nächstes.
Nur mit einer neuen Offenheit ist das Humboldt Forum noch zu retten.
Ihr
Olaf Zimmermann
Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates
Twitter: olaf_zimmermann
15.06. Sonderfonds des Bundes für Kulturveranstaltungen (Start der Registrierung)
Start der Registrierungsmöglichkeit für Mittel aus dem Sonderfonds des Bundes für Kulturveranstaltungen soll der kommende Dienstag (15.06.2021) sein. Wir werden ausführlich informieren!
Lesen Sie hier eine erste Einschätzung von Olaf Zimmermann und Gabriele Schulz "Lang hat’s gedauert und nun geht es endlich los".
Mit dem Sonderfonds des Bundes für Kulturveranstaltungen sollen Kulturveranstalter ermutigt werden, Veranstaltungen zu planen und vertragliche Verpflichtungen einzugehen, auch wenn die Veranstaltungen aufgrund der Corona-Pandemie voraussichtlich nicht kostendeckend bzw. mit Gewinn durchgeführt werden können. Das gilt für öffentliche und öffentlich-geförderte Veranstaltungen, bei denen die öffentliche Förderung nur einen Teil der Kosten deckt und die Deckungslücke durch Eintrittsgelder erwirtschaftet werden muss. Das trifft auf privatwirtschaftliche Veranstalter zu, die die gesamten Kosten aus Eintrittsgeldern finanzieren müssen und als Unternehmen einen Gewinn erwirtschaften müssen. Für den Fonds stehen bis zu 2,5 Milliarden Euro Fördermittel bereit.
Der Sonderfonds besteht aus zwei Bausteinen: Eine Wirtschaftlichkeitshilfe soll kleinere Veranstaltungen fördern, die ab dem 01. Juli 2021 durchgeführt werden und an denen unter Beachtung coronabedingter Hygienebestimmungen bis zu 500 Besucher teilnehmen. Ab dem 01. August 2021 werden Veranstaltungen mit bis zu 2.000 Besuchern gefördert. Durch eine Bezuschussung der Einnahmen aus Ticketverkäufen werden so die wirtschaftlichen Risiken reduziert und die Planbarkeit und Durchführbarkeit von Veranstaltungen verbessert.
Daneben stellt der Sonderfonds, ab dem 01. September 2021, eine Ausfallabsicherung bereit, die Kulturveranstaltungen ab 2.000 Besucherinnen und Besuchern dadurch Planungssicherheit verschafft, dass im Falle coronabedingter Absagen, Teilabsagen oder Verschiebungen von Veranstaltungen ein Teil der Ausfallkosten durch den Fonds übernommen wird.
Folgen der COVID-19-Pandemie: Gestern öffentliche Anhörung im Bundestag
Das Parlamentarische Begleitgremium Covid-19-Pandemie des Gesundheitsausschusses des Deutschen Bundestages beschäftigte sich am 10.06.2021 in einem öffentlichen Fachgespräch mit den Folgen der Covid-19-Pandemie für verschiedene Branchen. Befragt wurden Vertreterinnen und Vertreter aus Kultur, Einzelhandel, Gastronomie und kommunalen Spitzenverbänden.
Für die Kulturbranche seien die vergangenen 15 Monate eine Katastrophe gewesen, sagte der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, Olaf Zimmermann bei der Anhörung und äußerte zugleich die Hoffnung, dass sich die Situation künftig verbessert. Es müsse sich nun zeigen, wie der Sonderfonds Kultur im Umfang von 2,5 Milliarden Euro wirkt. „Wenn die Gelder fließen, haben wir eine Chance weiterzumachen“, sagte er.
Die Anhörung kann hier nachgesehen werden.Die Stellungnahme
des Deutschen Kulturrates zur Anhörung lesen Sie hier.
22.06. Kultur braucht Inklusion – Inklusion braucht Kultur. Eine Bestandsaufnahme
Im Jahr 2009 hat Deutschland die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) ratifiziert. In diesem Völkerrechtsvertrag werden die Rechte von Menschen mit Behinderungen in allen Lebensbereichen präzisiert, auch in den Bereichen Medien und Kultur.
Doch
wie steht es mit der Präsenz von Menschen mit Behinderungen im
Kulturbetrieb und in den Medien? Wie viele sind zu sehen, zu erleben, zu
hören – ganz selbstverständlich als Künstlerinnen und Künstler? Wie offen
sind Kultureinrichtungen oder Medienbetriebe für Mitarbeiter*innen mit
Behinderungen? Und wie sieht es mit dem Publikum aus? Wie inklusiv sind
Kultureinrichtungen? Welche speziellen Angebote gibt es für Menschen mit
Behinderungen und wie zugänglich sind diese? Und schließlich: Wie stehen
wir im europäischen und internationalen Vergleich da?
Diesen und weiteren Fragen soll in einer gemeinsamen Tagung des
Beauftragten der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit
Behinderungen und des Deutschen Kulturrates am 22. Juni 2021 ab 12 Uhr
nachgegangen werden.
Ziel ist es, Einblicke in verschiedene Felder des Kulturbereichs zu
gewinnen und gemeinsam mit Expert*innen zu erkunden, welche guten und
nachahmenswerten Beispiele es bereits gibt. Welche Herausforderungen
bestehen und vor allem, welche Schritte müssen in der Zukunft unternommen
werden, damit Menschen mit Behinderungen selbstverständlich in den
verschiedenen Tätigkeitsfeldern des Kultur- und Medienbetriebs arbeiten
oder einfach nur Kunst und Kultur genießen können.
Hier finden Sie weitere Informationen.Die Teilnahme an der
Veranstaltung ist kostenlos.Hier geht es zur Anmeldung.
24.06. Erinnern mit Games: Konferenz
Am
24. Juni 2021 lädt die Stiftung digitale Spielkultur Expertinnen und
Experten aus der Games-Branche und Erinnerungskultur ein, um gemeinsam zu
erörtern, wie eine sensible Aufarbeitung der NS-Zeit mit digitalen Spielen
möglich ist.
Im Mittelpunkt wird dabei die Frage stehen, welchen Beitrag Games für die historisch-politische Bildung leisten können, ohne die Geschehnisse zu trivialisieren.
In
Analogie zur „klassischen“ Lesung werden wir in mehreren „Spielungen“
Einblicke in digitale Spiele geben, die sich thematisch mit dem
Nationalsozialismus und seinem ideologischen Umfeld auseinandersetzen – und
gemeinsam mit Expert*innen beider Disziplinen ihren erinnerungskulturellen
Mehrwert und spielerisches Potenzial diskutieren. Die Konferenz richtet
sich u.a. auch besonders an Menschen, die bisher eher wenig
Berührungspunkte mit dem Medium Games hatten. Die Fachkonferenz wird von
der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ (EVZ) gefördert, die
die Initiative „Erinnern mit Games“ bereits im Jahr 2020 unterstützt hat.
Der Deutsche Kulturrat ist Kooperationspartner der Veranstaltung.
Programmübersicht. Die Teilnahme an der
Veranstaltung ist kostenlos.Die Anmeldung ist
bis zum 21. Juni 2021 via Eventbrite möglich.
18.06. Was tun gegen Hassrede im Netz? Online-Talk der Initiative kulturelle Integration und des Deutschen Kulturrates zum Digitaltag 2021
Wann: Freitag, 18.06.2021, 10
Uhr
Wo: YouTube
Wo liegen die Grenzen der Meinungsfreiheit im Netz?Wie wird mit Hassrede im Internet umgegangen?Welche Verantwortung kommt den Plattformbetreibern, aber auch der Politik zu?Wie wird Prävention geleistet?Wie ist das Netzwerkdurchsetzungsgesetz dabei zu beurteilen?
Antworten auf diese Fragen gibt es am 18. Juni 2021 um 10 Uhr auf YouTube und – denn es ist bundesweiter Digitaltag!
Passend dazu laden die Initiative kulturelle Integration und der Deutsche Kulturrat ein, gemeinsam online über das Thema „Hassrede im Netz“ zu diskutieren. Für alle, die es nicht um 10 Uhr schaffen, gibt es den Talk auch zum Nachschauen.
Jetzt ONLINE: Integration im Arbeitsmarkt - Vierte Jahrestagung der Initiative kulturelle Integration
Hier geht es zur Aufzeichnung der vierten Jahrestagung der Initiative kulturelle Integration "Zusammenhalt in Vielfalt: Integration durch Arbeit" am 08. Juni in Berlin.Das Gespräch von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil MdB im Rahmen der Jahrestagung finden Sie hier.Das Gespräch von Olaf Zimmermann im Rahmen der Jahrestagung finden Sie hier.
Text der Woche: Enzo Weber "Sichern wir unsere Selbständigen ab!"
Die
Coronakrise führt den Wert sozialer Sicherung dramatisch vor Augen. Während
sozialversicherungspflichtig Beschäftigte durch den Anspruch auf
Kurzarbeitergeld und Arbeitslosengeld abgesichert sind, ist das bei
Selbständigen in aller Regel nicht der Fall. Im Kulturbereich ist diese
Zweiteilung oft nahe beieinander klar zu beobachten: Freischaffende können
plötzlich vor dem Nichts stehen, Angestellte, die vielleicht ganz ähnliche
Tätigkeiten wahrnehmen, gehen in Kurzarbeit.
Daher sind viele Selbständige in finanzielle Schwierigkeiten geraten. Aus dem Stegreif mussten Unterstützungspakete geschnürt werden, die aber oft als zu eingeschränkt wahrgenommen werden. Gerade Lebenshaltungskosten – also die Unternehmerlöhne – waren nicht abgesichert, sieht man von der Grundsicherung ab, die jedoch trotz der in der Coronakrise vereinfachten Bezugsbedingungen für viele Selbständige nicht in Frage kommt.
Das alles macht so klar wie noch nie: Es fehlt eine verlässliche dauerhafte Regelung, wie Selbständige bei Arbeitslosigkeit beziehungsweise Arbeitsausfall unterstützt werden können.
Enzo Weber ist Forschungsbereichsleiter am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung und Lehrstuhlinhaber an der Universität Regensburg.
Deutscher Kulturrat vom 11.06.2021