Vor dem am Freitag beginnenden Parteitag der Grünen hat ihr Vorsitzender Robert Habeck Fehler im Wahlkampf eingeräumt. "Es ist uns nicht gut gelungen, den Rückenwind selber zu erzeugen", sagte Habeck am Freitag im ARD-"Morgenmagazin". Vielmehr habe die Partei einen starken Gegenwind abbekommen. Auf dem Online-Parteitag wollen die Grünen abschließend über das Wahlprogramm entscheiden sowie Kanzlerkandidaten Annalena Baerbock und Habeck zum Spitzenduo für die Bundestagswahl küren.
Die Umfragewerte der Grünen waren zuletzt gesunken - sie lagen in den meisten Umfragen hinter der Union. Auf die Frage, ob strenge Forderungen beim Umweltschutz manche Wähler abschrecken könnten, sagte Habeck jedoch: "Das ist unser Erfolgsrezept gewesen, dass wir klare Kante fahren, dass wir ambitionierte Programmpunkte aufstellen und auch die Wahrheit aussprechen."
Zugleich sei es aber notwendig, die Breite der Gesellschaft zu adressieren. "Wir wissen, dass nicht die Grünen die Veränderung schaffen, sondern nur die Mehrheit der Menschen." Bei dem digitalen Treffen werden Kontroversen beim Klimaschutz erwartet.
So verlangen Teile der Partei, dass sich die Grünen auf ambitioniertere Ziele beim CO2-Preis festlegen. Plädiert wird für einen Preis von 80 Euro pro Tonne Treibhausgas, die Vorlage des Bundesvorstandes sieht 60 Euro vor. Insgesamt wurden rund 3300 Änderungsanträge zum Wahlprogramm eingereicht, viele Punkte wurden allerdings bereits im Vorfeld durch Kompromisse geklärt.
Kontroverse Abstimmungen werden auf dem Parteitag zum Tempolimit sowie zum Aus des Verbrennungsmotors erwartet. Ein Änderungsantrag schlägt hier das Jahr 2025 vor, im Wahlprogramm ist das Aus bei Neufahrzeugen bislang für 2030 vorgesehen. Konkurrierende Anträge gibt es zudem zum Spitzensteuersatz und zu der Frage, inwieweit die Grünen den Einsatz von militärischen Drohnen befürworten sollen.
Für Diskussionen sorgt in der Partei zudem die Forderung nach einem bundesweiten Mietendeckel. Eine Kompromissformulierung sieht vor, diesen Begriff nicht ins Wahlprogramm aufzunehmen. Stattdessen soll nunmehr ein bundeseinheitliches Gesamtkonzept vorgeschlagen werden, das Mietobergrenzen ermöglicht.
Grünen-Bundesgeschäftsführer Michael Kellner zeigte sich vor Beginn der Beratungen optimistisch: "Ich erlebe eine kämpferische Partei", sagte er. Die Grünen befänden sich im Duell mit der Union.
Der Parteitag steht auch im Zeichen jüngster Turbulenzen um die Kanzlerkandidatin Baerbock. Sie war zuletzt wegen Fehlern in ihrem Lebenslauf in die Kritik geraten. Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt zeigte sich am Freitag aber überzeugt, dass das den Wahlerfolg den Grünen nicht gefährden wird. "Annalena Baerbock liefert", sagte sie im Deutschlandfunk. "Das kann man ja sehen."
Entscheidend sei der Umgang mit Fehlern. Sie selbst ärgere sich über diese auch, sagte Göring-Eckardt. "Das ist Mist." Jetzt geht es aber "um die große Fragen in Deutschland, um die Auseinandersetzungen über die Zukunft dieses Landes".
Baerbock hatte auf ihrer Website bis vor kurzem unter anderem angegeben, sie sei Mitglied des UN-Flüchtlingshilfswerkes UNHCR, obwohl diese Organisation gar keine Einzelpersonen aufnimmt. Tatsächlich unterstützt sie die Arbeit des UNHCR finanziell. Über ihre jüngsten Patzer bei ihrem Lebenslauf oder erst spät dem Bundestag gemeldeten Zulagen ärgere sie sich "selber am meisten", sagte Baerbock am Donnerstag in der ARD-Sendung "Farbe bekennen".
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