Rede des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Dr. Gerd Müller,
zur unternehmerischen Sorgfaltspflicht in Lieferketten vor dem Deutschen Bundestag am 11. Juni 2021 in Berlin:
Herr Präsident!
Meine Damen und Herren!
„Nie wieder Rana Plaza!“: Das hat mir den Mut gegeben und auch die Kraft beim Besuch an den Trümmern in Bangladesch vor sieben Jahren. „Nie wieder Rana Plaza!“: Das war das Versprechen, nachdem 1.100 Frauen gestorben sind, weil grundlegende Bedingungen der Arbeitssicherheit nicht eingehalten wurden. Heute, acht Jahre danach – es hat acht Jahre gedauert –, sage ich: Wir haben euch nicht vergessen. Wir haben euch nicht vergessen; denn heute kommt das Lieferkettengesetz, ein starkes Signal und ein wichtiger Schritt zur Durchsetzung grundlegender Menschenrechtsstandards in globalen Lieferketten.
Hubertus Heil hat es heute früh angesprochen: Hunderte Millionen von Kindern gehen nicht zur Schule, sondern arbeiten in Minen, in Steinbrüchen, auf Plantagen, damit wir unseren Kaffee trinken können. Dieses Lieferkettengesetz war Teamwork gegen extrem starkes Lobbying.
Ich sage aber auch, wenn ich in die Reihen der Koalitionsfraktionen schaue – ich schließe auch die Grünen mit ein –: Es war aber auch für viele, viele Kolleginnen und Kollegen eine Herzensarbeit. Da nenne ich stellvertretend Bärbel Kofler als Menschenrechtsbeauftragte, Maria Flachsbarth bei uns, Claudia Roth bei den Grünen, die das schon viele, viele Jahre und Jahrzehnte sozusagen zu ihrer politischen Lebensaufgabe gemacht haben. Dafür meinen Dank und meinen Respekt! Christ- und Sozialdemokraten, Peter Altmaier, unser Wirtschaftsminister, und Hubertus Heil, die Kanzlerin und Olaf Scholz, Hermann Gröhe, die Berichterstatterinnen und Berichterstatter, Peter Weiß – ich müsste jetzt viele aufzählen. Ich sage noch mal: Das schaffen nicht einer oder drei Minister, sondern das schaffen nur starke Koalitionsfraktionen, die den Willen haben, hier etwas zu ändern. Eigentlich kann keiner hier im Haus dagegen sein. Es muss noch mehr passieren; okay, das ist auch meine Meinung. Deshalb dürfen wir nicht wegschauen.
Ich sage Ihnen: Für Christ- und Sozialdemokraten gilt die Goldene Regel für ethisch-moralisches Handeln, zu Hause und weltweit. Diese Goldene Regel haben wir alle schon im Kindergarten gelernt: „Was du nicht willst, dass man dir tu, das füg auch keinem andern zu.“ Diesen Spruch möchte ich auch in den Büros der Arbeitgeberpräsidenten und -verbände in Deutschland hängen sehen.
„Was du nicht willst, dass man dir tu, das füg auch keinem andern zu“, in Bangladesch oder in Äthiopien, am Anfang der Lieferketten. Dieses Gesetz ist ein zentraler Baustein auf dem Weg zu einer gerechteren Globalisierung. Es müssen weitere folgen: eine europäische Regelung, eine Neufassung der Welthandelsordnung, nicht freier, sondern fairer Welthandel, ökonomische, ökologische und soziale Mindeststandards. Dazu brauchen wir nach dem Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen und der Welthandelsorganisation nicht mehr und nicht weniger als eine neue Welthandelsorganisation.
Das war vielleicht meine letzte Rede hier, aber ganz sicher das wichtigste Gesetz für mehr Gerechtigkeit zwischen Reich und Arm. Wir haben noch viel zu tun.
Herzlichen Dank.
Bulletin 83-2
Foto: Susie Knoll