Nato will sich bei Gipfel mit Biden für Zukunft wappnen
Die Nato will sich bei ihrem ersten Gipfel mit US-Präsident Joe Biden gegen neue Bedrohungen wappnen. Neben Russland sah Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auch China "in zunehmendem Maße" als Herausforderung für die Militärallianz. China sei aber "nicht unser Feind", sagte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg. Die Allianz müsse jedoch auf Sicherheitsherausforderungen durch Chinas Aufstieg reagieren. Mehrere Regierungschefs betonten, dass die Nato auch im Verhältnis zu Russland keinen neuen Kalten Krieg wolle.
Die 30 Staats- und Regierungschefs wollen die Weichen für eine Reform der Militärallianz stellen. Dabei geht es unter anderem um eine bessere politische Abstimmung nach dem schwierigen Verhältnis des früheren US-Präsidenten Donald Trump zu Nato. Zudem soll der Gipfel den Auftrag für die Überarbeitung des strategischen Konzepts der Organisation erteilen, das neuen Herausforderungen Rechnung tragen soll.
Merkel unterstützte die Pläne. Die Nato müsse auch auf verstärkte Hybride und Cyberattacken reagieren, sagte sie. "Gerade mit Blick auf Russland" gehe es um Desinformationskampagnen gegen die Nato-Mitglieder, von denen auch Deutschland betroffen sei. Vor Bidens erster Zusammenkunft mit Russlands Präsident Wladimir Putin am Mittwoch wollen sich die Nato-Mitglieder in ihrer Gipfel-Erklärung Diplomaten zufolge deutlich gegenüber Moskau positionieren.
Er sei aber "gegen jede Art von Kaltem Krieg", sagte Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban, dessen Land sowohl gute Beziehungen zu Russland als auch zu China hat. Luxemburgs Ministerpräsident Xavier Bettel sagte, die Nato könne nicht die ganze Welt als Feinde sehen. Es gehe darum, auch einen Dialog anzubieten.
Hoffnungen auf ein besseres Verhältnis mit Russland hätten sich trotz Gesprächsangeboten allerdings nicht erfüllt, sagte der britische Premierminister Boris Johnson. Er teile gleichzeitig Bidens Einschätzung, dass China "eine Bedrohung ist, die von der Nato bisher nicht ernst genug genommen wurde".
Biden betonte, die Allianz sei "von entscheidender Bedeutung" für die Sicherheit der USA. "Wenn es sie nicht geben würde, müssten wir sie erfinden." Anders als sein Vorgänger Donald Trump hatte er sich nach seinem Amtsantritt umgehend zur Beistandsverpflichtung der Allianz bekannt. Am Montag bekräftigte er, diese sei "eine heilige Verpflichtung" für die USA. Auch er verwies auf die "neuen Herausforderungen" durch China und Russland.
Merkel sprach von einem "transatlantischen Familientreffen" und betonte, sie freue sich auf die Zusammenarbeit mit Biden. Nach "America first" unter Trump laute die Devise nun "together first" (zusammen zuerst), sagte Bettel mit Blick auf Bidens Bekenntnis zum Multilateralismus.
Die Verbündeten wollen auch den Stand des bisherigen Abzugs aus Afghanistan bewerten. Sie wolle dabei "darauf zurückkommen, was haben dort wir geschafft, was haben wir gelernt", sagte Merkel. "Und was müssen wir auch in unsere weiteren Konzepte mitaufnehmen."
Nicht alle Alliierten sind von dem von Washington eingeleiteten schnellen Abzug ohne Bedingungen an die radikalislamischen Taliban überzeugt. Kritik an der Strategie der Allianz, der Frankreichs Präsident 2019 wegen fehlender politischer Abstimmung vor einiger Zeit den "Hirntod" attestiert hatte, gibt es dazu aber meist nur hinter den Kulissen.
Darüber hinaus will der Gipfel erklären, dass auch bei Angriffen im Weltraum der Bündnisfall ausgerufen werden kann. Dies gilt auch für Cyberangriffe schon seit dem Gipfel von Wales von 2014, die Staats- und Regierungschefs wollen nun aber ihre Cyberabwehr-Strategie aktualisieren. Zudem sollen Technologiezentren beschlossen werden, um bei der Entwicklung neuer Waffen- und Abwehrsysteme nicht den Anschluss zu verlieren.
Biden wollte nach dem Gipfel auch ein bilaterales
Gespräch mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan führen.
Ankara hat die USA und die Nato-Verbündeten durch den Kauf von
russischen S-400-Abwehrraketen verärgert, die als Sicherheitsrisiko
gesehen werden.
Merkel sprach bereits vor Gipfelbeginn mit Erdogan. Laut einem Regierungssprecher ging es dabei um den Stand der Beziehungen zur EU vor dem Gipfel der europäischen Staats- und Regierungschefs kommende Woche sowie "die laufenden UN-geführten Bemühungen zur Lösung der Zypern-Frage"-
mt/cp
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