In Hongkong haben die Menschen am Donnerstag für die letzte Ausgabe der Peking-kritischen Zeitung "Apple Daily" Schlange gestanden. Im Arbeiterbezirk Mongkok standen am frühen Morgen hunderte Menschen an, um ein letztes Mal das der Demokratiebewegung nahestehende Boulevardblatt zu kaufen. Wenige Stunden später fand die Zeitung auch im Finanzbezirk Central reißenden Absatz.
"'Apple Daily' ist tot", erklärte der stellvertretende Chefredakteur Chan Pui Man, der vergangene Woche festgenommen worden war, in einem Abschiedsbrief an die Leserinnen und Leser. Die "Pressefreiheit wurde zum Opfer von Tyrannei."
Nach massivem Druck der Behörden hatte die Redaktion am Mittwochabend ihre Arbeit eingestellt. Auch der Webauftritt und die Konten bei Twitter und Facebook wurden geschlossen. Kurz zuvor hatte der Verwaltungsrat des "Apple Daily"-Mutterkonzerns Next Digital das bevorstehende Aus für die Zeitung bekanntgegeben. Rund tausend Beschäftigte, darunter 700 Journalisten, sind nun ohne Arbeit.
Auf der Titelseite der letzten Ausgabe prangte ein Foto der Redaktionsmitglieder, die sich winkend von einer Menschenmenge vor dem Redaktionsgebäude verabschieden. "Es ist sehr erschreckend", sagte die 30-jährige Candy. "Innerhalb von zwei Wochen konnten die Behörden mit Hilfe des nationalen Sicherheitsgesetzes ein börsennotiertes Unternehmen auflösen", kritisierte sie. "Ich glaube, für Hongkong brechen dunkle Zeiten an", sagte ein Student mit dem Vornamen Tim der Nachrichtenagentur AFP.
Als eine der wenigen verbliebenen kritischen Zeitungen der chinesischen Sonderverwaltungszone war "Apple Daily" Peking seit langem ein Dorn im Auge mit ihrer konsequenten Unterstützung für die Demokratiebewegung und scharfer Kritik an der autoritären Führung Chinas. In der vergangenen Woche verschärften die Behörden das Vorgehen gegen das Blatt drastisch. Mehrere Mitarbeiter wurden festgenommen, Konten eingefroren und dutzende Computer und Server bei einer Razzia beschlagnahmt. Die Hongkonger Behörden erklärten, "Apple Daily" habe zu "Sanktionen" gegen Hongkong und die Führung in Peking aufgerufen.
Zu den Festgenommenen gehörten Chefredakteur Ryan Law und Geschäftsführer Cheung Kim Hung. Ihnen wurden auf Grundlage des sogenannten nationalen Sicherheitsgesetzes vom vergangenen Jahr "geheime Absprachen mit einem anderen Land oder externen Elementen mit dem Ziel der Gefährdung der nationalen Sicherheit" vorgeworfen.
"Die Hongkonger haben ein Medium verloren, das es gewagt hat, sich einzuetzen und auf der Verteidigung der Wahrheit zu bestehen", erklärten acht örtliche Journalistenvereinigungen in einer gemeinsamen Mitteilung. Sie riefen alle Kollegen dazu auf, am Donnerstag als Zeichen der Trauer schwarze Kleidung zu tragen.
Der 73-jährige Besitzer der Zeitung, Jimmy Lai, war zuvor bereits wegen seiner Teilnahme an pro-demokratischen Protesten zu mehreren Gefängnisstrafen von insgesamt 20 Monaten verurteilt worden.
In Hongkong hatte es 2019 monatelange Massenproteste gegen den wachsenden Einfluss Pekings gegeben. Als Reaktion darauf erließ die chinesische Führung im vergangenen Jahr ein das sogenannte Sicherheitsgesetz, das den Behörden in Hongkong ein hartes Vorgehen gegen alle Aktivitäten erlaubt, die nach ihrer Auffassung die nationale Sicherheit Chinas bedrohen. Verstöße können mit lebenslanger Haft bestraft werden.
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