Also, ich dachte mir, dass es vielleicht an der Zeit sein könnte,
dem sich zunehmend in allgemein verbreiteten Sentenzen ausbreitenden,
berühmt-berüchtigten „Spiritualitätsbedürfnis“ nachzukommen,
was hier nicht grundlos in Anführungszeichen gesetzt wurde, weißte.
Letztens hörte ich noch nen Segas vor der Kneipe unten sagen, dass -
und wie sehr (,) ihm spirituelle Leute auf den Keks gehen würden. Er
schrie vor Yogamatten, Pendeln, Wasseradern,
Chakren-Spiegelnden-Kristall-B*lockierungs-Hemmern. Teils echt
kreativer Stuff, dessen Auflistung hier jegliche Dimension sprengen
würde. Ganze Elegien schallten in dichten Druckwellen,
buchstabengetreu durch die trichterförmigen Häuserfassaden, hinein
in die Dämmerung.Genau in sie hinein, mit ihren furchtlos
schreienden S*chwalben, die sich wagemutig durch weiche Hitzeschlieren
warfen. Aber ... eines seiner Worte sei an dieser Stelle erwähnt, da
es zutreffender als alles Weitere die ganze Geschichte auf den Punkt
bringt: „Esoteriksuppe“, ja genau das wars. Esoteriksuppe. Meine
Ellenbogen, die anfang dreißig sind, kauerten unter einem
ausgeleierten Sitzpolster mit Schnüren auf jeder Seite, um meinen
unsachgemäßen Alterungsprozess zu unterstreichen, und ich war echt
so was wie traurig, als er wieder rein musste, du weißt schon, um
mit sich weiter zu machen … Auch meine gleichaltrige Nachbarin
(neunzig Plus) lauschte dem ganzen Spektakel.
Ich grüßte ihr
irgendetwas herüber, aber ich glaube, dass sie mich nicht
sah.„Esoteriksuppe“ war eben deshalb ein einschneidendes Erlebnis
in meinem Leben, da es tatsächlich das oxymoronische Missverhältnis
beider Wortpaare gut hervorhob. Esoterik im postmodernen Sinne
verdampft nämlich ins gänzlich Allgemeine. Sie ist eine nach innen
gewandte, frei verfügbar gewordene Geheimlehre, die sich in Echtzeit
dem Äußeren, dem Gegenstand aufdrängte, bis sie sich so absolut in
ihm verfing (im Gegenstand weißte), dass sie nun auf ihn angewiesen
scheint. Anders gesagt: Heute kann man Esoterik vor allem kaufen! Es
gibt sogar Fernsehsender, die sich auf ein bestimmtes Klientel
eingeschossen haben, um einen Reibach zu machen, den man bis dato
kaum für möglich gehalten hätte. „Diakinetisches Geldspray zur
Entladung dunkler Mächte … Nah, sagen wir mal, hmmm.. Siebzig Euro
der Milliliter! Aber nur Heute“. Esoterik ist ein sich auflösendes
Spray, indem sich alles auflöst: Geld und Selbstbestimmung sowie
Urvertrauen, das einem ohne Erfolg aus der Sprühdose beginnt,
Probleme zu bereiten – es hat also wirklich etwas Suppenartiges.
Egal was du in die Suppe wirfst, es löst sich auf, abgesehen von den
Bestandteilen, die eine jede Suppe erst ausmachen, wie zum Beispiel
Frust, Angst, Liebe, die großen Klamotten halt; jene enden oft
verkrustet und eingebrannt am Boden des Topfes und können
Kratzspuren auf jedem noch so harten Material hinterlassen. Ich will
hier nicht allzu grob über die Esoterik schimpfen. Sie hatte ihren
Bestandteil in der Menschheitsgeschichte und zeigte sich oft reflexiv
anhand eines überirdischen Wirkungsmechanismus, von Erleichterung
der Umstände, zu Heraufbeschwörung bestimmter Wirkungsmächte, ja,
es unterstütze vielleicht hier und da den ein oder anderen
Lebensweg. Doch spreche ich hier nicht über eben jenen Charakter des
Unerklärlichen, sondern über die Annullierung einer Systematik
davor, die jedweder inneren wie äußeren Lehre beikommt und sie
auszeichnet. Rede und Lehre sind immanenter Bestandteil einer jeden
Erklärung, erst recht, wenn es sich um das Unerklärliche handelt.
Das Verborgene, das Mysterium, kann in seiner dialektischen Hinsicht
nicht als Steigbügelhalter für eine schweigende Hinnahme des
Verschlossenen herhalten, ohne es noch weiter zu verschließen, denn
die Betrachtung selbst bedingt der Rede. Einen Preis festzulegen, der
sich am vermeintlichen Wirkmechanismus des Gegenstandes bemisst, ist
nichts weiter als der Versuch einer Quantifizierung von Qualität,
was bezogen auf den Menschen, – denn der Mensch glaubt, nicht der
Gegenstand – immer auch seine Zählbarkeit bedeutet, seine
Quantifizierung und somit seine Ausbeutung. Das ist nun leider weit,
weit Weg von Mystik entfernt. Dazu ist Esoterik aber geworden, die
sich als Mystik tarnt. Das Myein, aus dem sich der Begriff der Mystik
speist, deutet durch sich selbst auf ein sich verschließen hin.
Durch die Abkehr der Sinne verschließt sich der Mensch in sein
Inneres, mit der Hoffnung auf sein Innerstes. Bei dieser Sicht kann
der Mensch nicht anders, als sich von der Materie zu entfernen, um zu
greifen ohne eine Hand, um zu atmen ohne einen Zug. Wenn dir also
jemand was von „ du musst mir nur so und so viel geben, damit du so
und so weit kommst“, schwafelt … dann glaube ihm nicht, er glaubt
viel zu sehr an die Materie. Schau mal: Wenn du mich fragtest, was
ich dir mitteilen könnte - etwas, von dem ich der Überzeugung sei,
es sei derart von Belangen, dass ein Schweigen meinerseits einer Art
der Verletzung gleichkommen würde (etwas wie unterlassene
Hilfeleistung. Dinge die Menschlichkeit gebietet), dann wäre die
Frage doch ganz sicherlich von etwas angetrieben, was das uns
Unbedingt-Angehende einfordert, nicht wahr?
Sachen, zu denen man
sagt, sie müssen unbedingt gesagt werden. Es würde Jenes betreffen,
das wir bereits beide haben, ohne es zu besitzen, es in uns teilen,
und doch erkennt man das zu Teilen-Mögliche erst, wenn es sich an
uns entpuppt, um uns bewegen zu dürfen. Die Frage lautet also:„Was
muss ich dir sagen?“? Was ist, wenn ich dir sage, dass du über
dein Können hinaus wollen kannst. Wenn ich dir sage, dass dein Wille
erst grenzenlos ist, wenn er gänzlich willenlos ist. Und was macht
uns schon willenloser als die Liebe? Angst will besiegt werden, Mut
will umarmt werden, ergriffen werden, Furcht will Erlösung von ihr
selbst, Hass will alles wollen, Schmerz will Heilung, Zuneigung will
Begegnung, Durst will Wasser, Wasser will Durstige um seinen Durst zu
stillen, Grenzenlosigkeit will Grenzen; Liebe aber, will Liebe. Liebe
weigert sich zu wollen und kostet keinen Cent. In einer Welt, in der
uns der Horizont genommen wurde, deren graue Pfähle jede Sicht
blockieren, und da uns das Gefühl der Weite vor allem im urbanen
Kontext genommen wurde, ermangelt es uns offenbar an der fühlbaren
Übersetzung von Vielheit in M*annigfaltigkeit. Alles ist Gegenstand
geworden.Wenn die Natur uns einzig noch als Vielheit begegnet, dann
begegnet sie uns in der Anzahl und somit in ihrer Quantität. Eben
hier liegt die Krux begraben, denn: Alles was zählbar ist, kann
nicht, nicht gewollt werden. Wenn du sagst „schau mal, dies sind
drei Birken und dies sind zwei Kiefern“, dann sind da nur drei
Birken und zwei Kiefern, aber der Wald, der ist nicht vorhanden.Wenn
du sagst „schau mal, dies ist Tino, und dies ist Kati“, dann
liegt da irgendwo der Mensch, der auch du bist. Der Mensch, der sich
in dir zeigt, kann nicht gewollt werden,willst du ihm begegnen. Er
ist nicht käuflich. Einst adelte Spiritualität die Armut und heute
wird sie zum Merkmal einer Distinguiertheit, die dich vorm Frühstück
selbstoptimiert.
Ich denke, dass die Qualität der Quantität zuvor ist. Jemand, der
über einen Wissensgegenstand spricht, ohne ein Wissen über jenes zu
besitzen, von dem er spricht, der spricht einzig Gegenstand. Zwei
Menschen haben dasselbe Handwerk erlernt, doch immer zu hat einer von
beiden ein höheres Wissen als der Zweite. Wieso? Na nicht, weil er
mehr Informationen über das Bauen eines Hauses innehat, sondern weil
er die Informationen in gewusste Bahnen überführte und erst recht
nicht, weil er mehr Geld hatte .... Weil er in Sprache ein Haus bauen
kann, deshalb. Anders gesagt: Ich kann die Namen „Ost“ „Süd“
„West“ „Nord“ kennen, doch werde ich mich im Kreis drehen,
wenn ich mich nicht an ihnen orientieren könnte, und ich werde mich
in bester Form im Kreis drehen, wenn ich das Gewusste - welches mich
an den drehenden Punkt führte, – mit seinem Worte in die
Wortlosigkeit werfen darf.
Nicht indem ich für Himmelsrichtungen
bezahle! Geld kennt nur eine Richtung: Minus!Lebendigkeit kennt nur
eine Richtung: Plus! Wenn du starrst und mit den sich aufspringenden
Baumwipfeln über dir verschwimmst und zerschwimmst, wie die Wogen
des Meeres in Wellen von unten- wie du tauchst und alles rauscht und
die Welt ist ein O*zean aus Sinn, dann befindet sich die Qualität
hinter dem Gesagten, die Glaubwürdigkeit befindet sich hinter dem
Worte, die Wahrheit verbirgt sich hinter der Wirklichkeit. Das
Fühlbare ist nicht weniger echt als das Gesehene, es ist wirklicher,
weil es wahrer ist, näher ist.
Die Imagination ist nicht da, um dich
zu täuschen und auch nicht da, um dich auszubeuten, sie ist da, um
dir Gewissheit zu ermöglichen. Es gibt sonnige, extrem graue Tage,
an denen ich nicht das weiße Rauschen der Erde in ihrem Selbsttanz
spüre. Tage, an denen man sich selbst der schlimmste Endgegner
ist.Tage, an denen man nichts spürt. Tage, an denen der Wald einfach
nur Baum, Baum, Baum bleibt. Tage, an denen mein Nachbar ein Name auf
der Klingel ist.Doch das phänomenale an dem Guten zeigt sich an
jenen Tagen äußerst ausdrücklich, denn wenn du dich im
taubengrauen Zustand durch die B*locks schleppst und jemand dir ein
Lächeln auf deine geschwollene Stirn wirft, dann kannst du nicht
anders, als ebenfalls zu lächeln. Teilst du dein Essen, dann werden
beide satt. Wenn du jemanden bis ins Verzerren liebst, dann drängt
sich eine grenzenlose Bewegung zwischen euch auf, um sich in die
Lebendigkeit einzupendeln - eine Zuneigung, die so verheddert in sich
ist, dass neues Leben entsteht.Siehst du dich schon in der Erinnerung
an deine Zukunft? Dort, wo du dich in deinem eigenen Gesicht über
die schillernden Locken deiner Liebe wandern siehst? Genau da, wo du
dich im Einsgewordenen spiegeln darfst. Sag, siehst du dich? Die
Imagination selbst macht dir die Vorstellung, indem es dir die Dinge
im Bilde vorsetzt.
In deiner Vorstellung fühlt dein Gegenüber wie
du. Jetzt stellen wir uns doch einfach vor, dass jeder Mensch mit den
gleichen Gefühlen geboren wird. Im Kontrast des fühlbaren
Spektrums, womit ich das menschlich Zu-Fühlen-Mögliche bezeichnen
möchte (ganz einfach weil ich Bock drauf hab), bricht sich erst
Gemeinsamkeit. Insofern bleibt mir als fühlender Mensch keine
weitere aufrechte Position, als davon auszugehen, dass ein Jeder mit
mir fühlt. Preislos. Nichts in meiner Hand könnte ich sonst
projizieren.
Wenn ich Schmerz fühle, wie ich nun mal Schmerz fühle,
kann ich nicht fühlen, dass irgendein weiterer Erdling anders fühlt
als exakt jenen Schmerz, wenn er leidet. Wir haben uns den Animismus
derart ins Über-Rationale abtrainiert, dass unser Umgang zur (ja,
zur!) Welt unvernünftig erscheint und anfängt echt kostspielig zu
werden. Wer nicht mit der Natur, sondern gegen sie arbeitet, der
arbeitet unvernünftig gegen seine eigene Natur.Wir haben das
Für-Wahr-Bestimmen auf postmoderne Narrative angewandt und somit die
denkbaren Umstände einer Welt erzeugt, die sich ausbeuten lässt,
weil wir uns als ausbeutbar denken.Wir sehen Verschwörungsgläubige,
wie sie sich selbst ausbeuten.Wir haben aus Glaube Identität werden
lassen und Identität im postmodernen Sinne wird solange zur
Empathielosigkeit führen, bis Arroganz zum Wert erhoben wird.
Neben
der Begrenzung der Natur, neben jeder Autobahn und jeder Straße und
neben dir und dem Unberechenbaren, welches der Zeit der Mythen
anheimgefallen ist, muss sich ungleich ein Bedürfnis des Menschen
formuliert sehen, dass den Mythos wieder einfordert, denn der Mensch
kann seine Potenz nicht einfach bis in die Annullierung kultivieren.
Im Gegenteil: Aus seinem Bedürfnis nach dem Unberechenbaren formt er
erst Kultur. Wenn das Unberechenbare nicht mehr als vorhanden gespürt
wird, muss sich der Mensch selbst unberechenbar werden und was ist
schon unberechenbarer als Hass? Jedes einzelne Motiv der
darstellenden Kunst verweist immerzu auf ein zu befriedigendes
Bedürfnis des Menschen, in welchem er sich in das wage wirft, um in
sein Urvertrauen zurückzukehren, oder wie man es sonst nennen mag.
Hinter dem Bild vergeht der Rahmen ins Vergessen.
Wir können rein
und wieder raus, doch hinter dem Bild verbirgt sich immer das, was
alle Bilder vereint, nämlich das uns Berührende. Wenn ein Bild
keinen Sinn vermittelt, in dem es uns anfasst, dann wird es
untergehen, weißt du. Layla und Madschnun auf der einen, und Romeo
und Julia auf der anderen Seite wurden durch allerlei Kulturen
hindurch in vielen Namen erzählt. Der Mensch ist in jeder Sekunde
der Geschichte ein anderer und zutiefst derselbe Mensch. Es wäre
nicht anders denkbar, denn wie sollten wir der Geschichte zugänglich
werden, wenn sie von einem Hirsch geschrieben wäre? Menschen
schreiben Geschichte. Durch die Geschichte begegnen wir dem Menschen
in einer überzeitlichen Genealogie, die merkwürdig heilig
erscheint, vielleicht weil der Mensch durch seine Eingliederung in
die Gesamtbewegung des menschlichen Seins, eine Anbindung findet, die
ihm seine Eltern zu Kindern macht, zu gleichwertigen vor etwas viel
Größerem. Nicht jedoch die Geschichte ist es, die es gibt. Es gibt
kein Buch, das du öffnest und da ist dann Geschichte drin.
Die
Geschichte begegnet uns nicht einmal in Schrift und auch nicht im
Bild. Sie begegnet uns in Sprache. Jede Eingliederung in das
Gewesene, bedingt die Entwirrung der vergangenen Sprache, sowie deren
Übersetzung in die Gegenwart, ohne die Berührung nicht passieren
könnte. Die wirkliche Gefahr, die von der grassierenden Einsamkeit
ausgeht, ist der Verlust der Sprache. Sprache macht den Menschen in
seiner Existenz aussagbar und damit nachweislich lebendig. Je weniger
Sprache, desto weniger Lebendigkeit, desto mehr wird Geld zu einer
Ausdrucksform und desto stärker wird Esoterik in Fahrtgewässer
hassender Spektren abdriften.Wenn sich durch die Sinnhaftigkeit einer
Rede ein bestimmter Selektionsdruck darin äußert, dass die Anrede
der Rede, eben der springende Faktor für ihr Überleben ist, dann
bedeutet dies nicht mehr und nicht weniger, als dass die
sagenhafteste Rede auch die Anredenste Rede ist. Sie spricht im
Allgemeineren über das mich unmittelbar angehende, ohne mich zu
verlassen oder zu übergehen- nicht doch, gerade dadurch, dass sie
allgemeine Gültigkeit erhält, wächst meine mögliche
Identifikation mit dem mich Betreffenden. "Is bei Vaschwörungstheoriin ganau andas rum"(sic.).
Aber was sollen wir schon lesen, wenn wir uns durch Identität selbst nicht mehr verstehen wollen? Das nächste Kulturopfer wird im Namen der Identität stattfinden und die Menschlichkeit aus dem Menschen drängen, versprochen, denn die Sprache stirbt langsam aus, wenn glaube beginnt Geld zu kosten. Es gibt Bücher die heilig sind, weil in ihnen der Mensch heilig sein darf und nicht weil es ein kostspieliges Buch ist. Hab fertig!
A.I.L