Münster - (SMS) - Starkregen hat die Feuerwehr Münster bis in die Nacht zu Donnerstag im Dauereinsatz gehalten: Über 70 Mal mussten die Einsatzkräfte Hilfe leisten und fast ausnahmslos vollgelaufene Keller wie Untergeschosse leerpumpen.
Schon früh waren am Mittwoch rund 200 Kameradinnen und Kameraden alarmiert worden, viele weitere Kräfte in Berufs- und Freiwilliger Feuerwehr verfolgten die Unwetterwarnungen, die wegen des Sturmtiefs "Bernd" von verschiedenen Wetterdiensten vorausgeschickt wurden. Entsprechend wurden die Leitstelle verstärkt und Sitzbereitschaften in den Gerätehäusern der Freiwilligen Feuerwehren eingerichtet. Als dann um 16.01 Uhr der erste Notruf aus Handorf einging, nahm der Arbeitstag einen intensiven Verlauf. Der Kampf gegen Wassermassen wurde insbesondere im Süden Münsters ausgetragen, doch auch im Zentrum und einigen nördlichen Vororten waren bis 22 Uhr einzelne Einsätze in der Stadt zu verzeichnen. Die Wetterstation am FMO meldete am Mittwoch eine Niederschlagsmenge von 23,4 Litern je Quadratmeter, das Institut für Landschaftsökologie an der Uni Münster einen Wert von 43,7 Litern.
Straßen unpassierbar, gefährliche Strömungen
Gegen 19.30 Uhr wurde schließlich auch die Feuerwehr-Bereitschaft Warendorf/Münster von der Bezirksregierung zur Unterstützung in der Städteregion Aachen angefordert – vier Züge, eine Führungseinheit. Aus Münster machten sich 22 Einsatzkräfte (19 Männer, 3 Frauen) mit großem Gerät auf den Weg. "Ein paar Autobahnen waren aufgrund der Überflutungen bereits gesperrt, in einigen Bereichen nur eine Spur befahrbar. Um 1.45 Uhr waren wir dann aber vor Ort", sagt Einheitsführer Marc Greshake (Freiwillige Feuerwehr, Löschzug Kinderhaus).
In Aachen wurden die Einheiten getrennt und sofort an die Einsatzstellen beordert. Für die Teams aus Münster bedeutete das vor allem: Keller auspumpen, dies aber unter riskanten Bedingungen. "Viele Straßen sind nicht passierbar, ganze Straßen abgesackt und weggespült – die Einsätze waren durchaus gefährlich, die Strömungen im hügeligen Gelände enorm." In Gedanken waren alle Beteiligten da bei zwei Kameraden, die am Mittwoch bei den Unwettereinsätzen in Altena und Werdohl ums Leben kamen.
"Den Betroffenen viel Kraft"
"Vor fast genau sieben Jahren wurde Münster von einem enormen Starkregenereignis heimgesucht, daher machen uns die Nachrichten und Bilder aus den Städten und Regionen besonders betroffen", so Oberbürgermeister Markus Lewe. "Viele auch aus anderen Städten, Kreisen und Gemeinden haben 2014 geholfen, die schlimmen Folgen des Unwetters zu lindern. Ich danke den Einsatzkräften, die in besonders betroffenen Gebieten, wie der Stadt Aachen, kurzfristig Hilfe geleistet haben. Wir sind in Gedanken bei den Opfern und wünschen Betroffenen viel Kraft."
Auch die Helfer aus Münster, die in Aachen im Einsatz waren, wurden zwangsläufig an die Erlebnisse 2014 erinnert: "Der Großteil unserer noch jungen Einsatzkräfte hatte das Ereignis in Münster aktiv miterlebt und die damaligen Gefühle gleich wieder präsent. Es ist nicht so anonym wie bei den Alltagseinsätzen – wir haben vor Ort ganz viel Dankbarkeit und Freude erlebt, als wir den Menschen geholfen haben", so Greshake. "So viele Menschen konnten sich selbst nicht mehr helfen, vollgelaufene Keller standen unter Strom, weil auch die Hauptverteiler überspült waren. Das war dem Ereignis in Münster damals schon alles sehr ähnlich."
Am Mittag kehrten die Einsatzkräfte nach Münster zurück – geschafft, aber gesund.
Zum Hintergrund:
Erfahrungen mit Starkregenereignissen hat die Stadt Münster schon oft sammeln müssen, vor allem die sogenannten "Jahrhundert-Unwetter" im August 2004 und Juli 2014 sind im kollektiven Gedächtnis geblieben:
14./15. August 2004: 2100 Notrufe erreichten die Feuerwehr Münster in Folge eines zunächst unspektakulären Sommerregens. Dieser entwickelte sich aber zu einem enormen Starkregen-Ereignis: Erstmals in der Nachkriegszeit wurde systematisch überörtliche Hilfe im größeren Umfang angefordert. An mehr als 1200 Einsatzorten leisteten die über 400 Rettungskräfte teils ihren bis zu 24-stündigen Dienst. Im Schnitt alle 12 Sekunden ging über mehrere Stunden ein Notruf bei der Feuerwehr ein. Parallel dazu wurden bis zu 60 Liter Niederschlag pro Quadratmeter verzeichnet.
28. Juli 2014: "Das Unwetter dieses Tages forderte Menschenleben, zerstörte Existenzen und schädigte in außerordentlichem Maße privates wie öffentliches Vermögen" – so schließt eine 43 Seiten starke Bilanz der münsterschen Stadtverwaltung zum Starkregen-Ereignis. Binnen sieben Stunden waren 292 Liter Regen pro Quadratmeter herniedergestürzt – davon 220 Liter in eineinhalb Stunden. 13.000 Notrufe gingen in der Folge ein, 24. 000 Haushalte waren ohne Strom, viele Menschen schließlich sogar ohne Haushalt. Das Hochwasser löste den größten Einsatz von Feuerwehren und Hilfsorganisationen in Münster seit Ende des Zweiten Weltkriegs aus. 3500 Einsatzkräfte aus ganz NRW unterstützten die hiesige Bevölkerung im Kampf gegen die Fluten. Mehr als eine Woche lang war der münstersche Krisenstab im Einsatz, länger sogar die sogenannte "Leidstelle" – eine Gruppe junger Freiwilliger, die nach einem Facebook-Aufruf die ehrenamtliche Hilfe in der ganzen Stadt organisiert und zwischenzeitlich über 8000 Bürgerinnen und Bürger durch Münster gesteuert, Hilfsbedürftige und Helfende zusammengebracht hatte.
Die Stadt Münster hat auf der Webseite des Amtes für Mobilität und Tiefbau einen Erklärfilm und viele weitere Informationen zur Rückstausicherung hinterlegt:
www.stadt-muenster.de/rueckstau-tipps
Fotos: Feuerwehr Münster.