Die Stimmung in den Chefetagen der Wirtschaft hat sich im Juli verschlechtert: "Lieferengpässe bei Vorprodukten und Sorgen um wieder steigende Infektionszahlen belasten die deutsche Wirtschaft", erklärte am Montag das Münchner Ifo-Institut. Der Ifo-Geschäftsklimaindex sank von 101,7 Punkten im Juni auf 100,8 Punkte im Juli. Es war der erste Rückgang seit Januar.
Die aktuelle Lage bewerteten die Unternehmen in der monatlichen Umfrage des Ifo-Instituts zwar etwas besser als im Juni. "Jedoch nahm der Optimismus mit Blick auf die Entwicklung in den kommenden Monaten merklich ab", erläuterte Ifo-Chef Clemens Fuest.
Für den Geschäftsklimaindex befragt das Institut monatlich rund 9000 Unternehmen. Dabei werden sie gebeten, ihre gegenwärtige Geschäftslage zu beurteilen und ihre Erwartungen für die nächsten sechs Monate abzugeben. Im Mai war der Index auf den höchsten Wert seit zwei Jahren gestiegen, im Juni legte er weiter zu.
Im Juli nun fiel der Index für das Verarbeitende Gewerbe - vor allem wegen der deutlich weniger optimistischen Erwartungen der Industrieunternehmen. "Die Knappheit bei den Vorprodukten verschärft sich weiter, und immer mehr Firmen klagen über Fachkräftemangel", erklärte Fuest.
Auch im Dienstleistungssektor verschlechterte sich das Geschäftsklima; auch hier blicken die Unternehmen "deutlich weniger optimistisch" auf die kommenden Monate. Trotzdem rechnen sie weiter mit steigenden Umsätzen, wenn auch nicht mehr so stark wie im Vormonat.
Im Handel verschlechterten sich die vorsichtig optimistischen Erwartungen aus dem Vormonat ebenfalls. Denn auch im Handel berichten mehr und mehr Firmen von Lieferengpässen, wie das Ifo mitteilte. Nur im Bauhauptgewerbe waren die Unternehmen der Umfrage zufolge zufriedener mit ihrer aktuellen Lage und der Erwartungsindikator stieg das dritte Mal in Folge.
Der überraschende Fall des Geschäftsklimas dürfte auf die wieder steigenden Infektionszahlen und die anhaltenden Lieferengpässen in manchen Bereichen zurückzuführen sein, wie auch der Wirtschaftsexperte Jens-Oliver Niklasch von der Landesbank Baden-Württemberg mitteilte. "Die Zahl zeigt, dass es wohl weiter aufwärts gehen dürfte, aber vielleicht nicht so schnell wie gedacht. Und mit Rückschlägen ist jederzeit zu rechnen", warnte er.
"Auch wenn das Geschäftsklima im Juli nachgibt, zeugt die Ifo-Konjunkturumfrage doch von einer guten Geschäftslage in der Wirtschaft", betonte die Chefvolkswirtin der bundeseigenen Förderbank KfW, Fritzi Köhler-Geib. "In der Industrie und im Bau ächzt es wegen Materialengpässen im Getriebe, wichtiger sind jedoch die prall gefüllten Auftragsbücher", relativierte sie.
Allerdings verwies auch Köhler-Geib auf Risiken durch die rasante Ausbreitung der Delta-Variante des Coronavirus. "Mit dem konsequenten Einsatz von Impfungen, Tests und Masken dürften pauschale Schließungen von Geschäften, Hotels oder Restaurants vermeidbar sein", erklärte sie. "Das Tempo weiterer Öffnungen wird aber wohl gedrosselt und die Infektionswellen in anderen Ländern könnten etwa die Angebotsengpässe weiter verschärfen."
Als "Rückschlag" wertete auch Salomon Fiedler von der Berenberg Bank die erneut gestiegenen Pandemie-Risiken sowie die Liefer- und Personalengpässe. Beide Probleme dürften jedoch eher vorübergehender Natur sein, äußerte sich Fiedler auf längere Sicht optimistisch.
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