Münster - In 49 Dissertationsprojekten wurden theoretische, konzeptionelle und empirische Aspekte der Vertrauensforschung behandelt. Der zweite Sammelband des Kollegs „Trust and Communication: Findings and Implications of Trust Research” fasst die Ergebnisse des Kollegs aus der zweiten Förderphase zusammen. Vier der elf beteiligten Antragstellerinnen und Antragsteller geben in Gastbeiträgen Einblicke in gemeinsam mit Kollegiatinnen und Kollegiaten verfasste Beiträge in den vier Untersuchungsbereichen.
Medien
Vertrauensfragen erreichen oft erst die öffentliche Aufmerksamkeit, wenn Skepsis oder gar Misstrauen konstatiert werden. Dann wird sichtbar, dass Vertrauen nicht selbstverständlich, sondern mit einem Risiko verbunden ist. Dann wird auch darüber nachgedacht, wie Vertrauen gestärkt und ausgebildet werden kann. Transparenz von Organisationen und bei Entscheidungen ist eine Strategie der Vertrauensbildung.
Die Kollegiatinnen Bernadette Uth und Laura Badura gehen der Frage nach, ob und wie Transparenz Vertrauen in den Journalismus beziehungsweise in Medien fördern kann. Auf Basis einer Modellierung von Vertrauen und Risiko als Prozess und Daten aus einer repräsentativen Bevölkerungsbefragung zeigen sie, dass auf die Medien bezogene Produkt- und Prozess-Transparenzaktivitäten – wie die Publikation redaktioneller Richtlinien oder die Bereitstellung von Faktenchecks – Vertrauen positiv beeinflussen.
Nehmen Mediennutzer journalistische Angebote als transparent wahr, geht dies mit einem hohen Medienvertrauen einher. Den Redaktionen wird daher empfohlen, dem Publikum Prozesse der journalistischen Arbeit sichtbar zu machen und es stärker einzubinden, um auf die Weise Vertrauen zu schaffen.
Prof. Dr. Bernd Blöbaum, Institut für Kommunikationswissenschaft
Wissenschaft
Wenn in sozialen Medien diskutiert wird, ob man Virologen zum Thema Impfen glauben soll, so geht es dabei offensichtlich auch um Vertrauen in die Wissenschaft. Im Kolleg wurde zur Struktur von Wissenschaftsvertrauen ebenso geforscht wie zu den Wirkungen solcher Debatten auf die Öffentlichkeit. Aber manchmal ist die Bedeutung von Wissenschaftsvertrauen weniger offensichtlich.
Ein Beispiel sind Probleme in der Kindererziehung. Viele Eltern fragen sich beispielsweise: Wie soll ich reagieren? Ist es normal, wie mein Kind sich verhält? Sie suchen zu solchen Fragen Rat im vertrauten persönlichen Umfeld, aber sie nutzen auch das Internet. Wie entscheiden Eltern im Kontext digitaler Beratung, welcher Quelle sie vertrauen? Und welche Rolle spielt Wissenschaftsvertrauen dabei?
Ein aktuelles Projekt von Kollegiatin Eva Strehlke forscht zu dieser Frage mit Hilfe einer selbst entwickelten App (http://kkgg.uni-muenster.de), in der Fragen der Eltern mit wissenschaftlich fundierten Informationen beantwortet werden und Einstellungen, Bedenken und (Wissenschafts-) Vertrauen der Nutzer untersucht werden.
Prof. Dr. Rainer Bromme, Institut für Psychologie
Sport
In vielen Sportkontexten gehört die Digitalisierung mittlerweile zum Alltag, etwa der Fitnesstracker am Handgelenk. Die Digitalisierung ergänzt oder ersetzt darüber hinaus traditionelle Hilfsmittel oder Kommunikationsformen. Vertrauen der Beteiligten in die digitale Technologie ist für diesen Prozess unabdingbar.
Eine neue Form hat sich mit zunehmenden digitalen Möglichkeiten unter dem Sammelbegriff E-Sports entwickelt. Hierbei tragen Teams oder Individuen Wettkämpfe ausschließlich in virtuellen Welten aus. Beispiele sind das Spiel Counter-Strike oder Fußballsimulationen. Dies geschieht mittlerweile im Amateur- und professionellen Bereich zum Teil mit sehr großem finanziellen Einsatz und Umsatz.
Natürlich führt dies mitunter auch zu heftigen sportpolitischen Diskussionen, ob dies überhaupt Sport sei und ob E-Sports-Verbände Leistungssport-Bundesfördermittel erhalten sollten. Kollegiatin Charlotte Raue hat in ihrer Dissertation unter anderem E-Sportlerinnen und Spieler aus traditionellen Sportarten wie Fußball oder Volleyball untersucht und die jeweiligen Teamdynamiken und Vertrauensprozesse verglichen.
Die Dynamiken in den Teams sind vergleichsweise ähnlich, wobei Vertrauen in E-Sports-Teams einen relevanteren Faktor darstellt als für traditionelle Teams. Wissenschaftlich betrachtet, hat E-Sports einen hohen Erkenntnisbedarf und stellt einen 'Hot Topic' mit zahlreichen Studien auch in der internationalen Sportpsychologie dar.
Prof. Dr. Bernd Strauß, Institut für Sportwissenschaft
Wirtschaft
Der Fachkräftemangel und demographische Wandel verändern den Arbeitsmarkt nachhaltig: Unternehmen sind gefordert, aktiver auf potenzielle Mitarbeiter zuzugehen. Eine vielversprechende Methode zur Kandidatengewinnung ist das Active Sourcing, bei dem Unternehmen passende Kandidaten proaktiv über Online-Karrierenetzwerke wie „Xing“ oder „LinkedIn“ identifizieren und ansprechen.
Allerdings birgt der Online-Kontext durch die Preisgabe persönlicher Daten und sensibler Informationen ein erhöhtes Risiko für seine Teilnehmer und verstärkt die Notwendigkeit vertrauensbildender Maßnahmen, um eine erfolgreiche Ansprache zu gewährleisten.
In diesem Zusammenhang ist das Grundvertrauen der Kandidaten in den Online-Recruiter ein essenzieller Erfolgsfaktor, da es die Antwortabsicht der Kandidaten und damit die Chance, tatsächlich neue Mitarbeiter zu rekrutieren, erhöht.
Die Kollegiaten Viktoria Baumeister und Richard Hossiep haben erforscht, dass Unternehmen das Vertrauen vor allem durch zwei zentrale Maßnahmen beeinflussen können. Erstens durch die Auswahl eines strukturell sicheren Kanals, der gute rechtliche und technologische Rahmenbedingungen bietet. Zweitens sollte die initiale Nachricht sorgfältig gestaltet und auf den Kandidaten angepasst werden.
Prof. Dr. Gerhard Schewe, Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Organisation, Personal und Innovation
Der Sammelband „Trust and Communication: Findings and Implications of Trust Research" unter Herausgeberschaft von Kollegsprecher Prof. Dr. Bernd Blöbaum ist im Springer Verlag erschienen: www.springer.com/de/book/9783030729448
WWU Münster (upm/vk). Der Artikel ist in der Unizeitung „wissen|leben“ Nr. 5, 14. Juli 2021.
Grafik: WWU – GRK Vertrauen und Kommunikation. 2012 bis 2021: Mehr als neun Jahre förderte die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) die interdisziplinäre Vertrauensforschung an der Universität Münster.