Die ab dem Jahreswechsel geltende Kassenbon-Pflicht im Einzelhandel sorgt kurz vor ihrer Einführung für politischen Wirbel. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) warnte vor "Milliarden zusätzlicher Bons" und forderte, die sogenannte Belegausgabepflicht "komplett abzuschaffen". Die SPD-Bundestagsfraktion verteidigte die Regelung hingegen als verhältnismäßiges Mittel im Kampf gegen Steuersünder.
Hintergrund der Bon-Pflicht ist ein Gesetz von Ende 2016, das sicherstellen soll, dass alle verkauften Waren lückenlos erfasst werden, und das zugleich verhindern soll, dass digitale Daten nachträglich manipuliert werden. Ab 1. Januar 2020 müssen deshalb alle Einzelhändler - vom Bäcker über den Friseur bis hin zu Apotheken einen Beleg ausgeben, sofern sie ein elektronisches Kassensystem besitzen. Um Müll zu vermeiden, ist auch die Möglichkeit einer digitalen Bon-Übermittlung per App oder E-Mail vorgesehen, außerdem soll es in "Härtefällen" für Händler die Möglichkeit geben, von der Pflicht befreit zu werden.
Dass künftig allen Kunden ein Beleg angeboten werden muss, hatte zuletzt aber nicht nur zu wachsenden Umweltbedenken wegen der oft auf spezielles Thermopapier gedruckten Bons geführt, sondern auch zu Warnungen vor einem massiven bürokratischen Aufwand für Betriebe.
Dem schloss sich auch Wirtschaftsminister Altmaier an. In einem Brief an Finanzminister Olaf Scholz (SPD), der AFP am Samstag vorlag und über den zunächst die "Bild"-Zeitung berichtet hatte, warnte der CDU-Politiker, allein die Supermarktkette Rewe rechne mit einer Steigerung des "Papiereinsatzes an ihren Kassen von 40 Prozent oder rund 140.000 Kilometern zusätzlicher Kassenbons im Jahr".
"Im gesamten Handel werden Milliarden zusätzlicher Bons gedruckt und in den allermeisten Fällen direkt im Müll landen", kritisierte Altmaier. Da der Handel seine Kassen bis September 2020 auf manipulationssichere Systeme umrüsten müsse, sei die Bon-Pflicht mit Blick auf die Vermeidung von Steuerbetrug zudem "nicht plausibel".
"Wir sollten daher als Bundesregierung handeln mit dem Ziel, die Belegausgabepflicht komplett abzuschaffen", forderte der Wirtschaftsminister. Als erster Schritt sollten alle bestehenden Möglichkeiten genutzt werden, um "in möglichst vielen Fällen" einen Verzicht auf die Pflicht zu erreichen; darauf, dass für Ausnahmen eine sachliche oder persönliche Härte bestehen müsse, solle verzichtet werden.
Unterstützung bekam Altmaier von der FDP-Fraktion, die am Freitag im Bundestag einen Gesetzentwurf zur Verhinderung einer Bon-Pflicht für Bäcker eingebracht hatte. Altmaier habe die "volle Unterstützung der FDP, Mittelständler und Handwerker vor diesem Bürokratie-Monster zu schützen", erklärte Fraktionsvize Michael Theurer. Viele Bäckereien, Metzgereien und kleine Händler müssten sich zum kommenden Jahr "auf einen Berg an Bürokratie einstellen", beklagte Ko-Fraktionsvize Christian Dürr. "Die FDP-Fraktion hat einen Gesetzentwurf eingebracht, der genau das verhindern soll - Union und SPD müssen nur zustimmen."
Die SPD-Fraktion bezeichnete es hingegen als "unverantwortlich, wenn der Staat sich weiterhin Milliardensummen durch die Lappen gehen lassen würde". Gemessen an diesem Ziel sei die Kassenbon-Pflicht ein "verhältnismäßiges Mittel", erklärte Fraktionsvize Achim Post. "Wenn es ein wirksames Mittel zur Bekämpfung von Steuerhinterziehung gibt, dann ist man es den ehrlichen Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern schuldig, dieses Mittel auch anzuwenden." Momentan seien es zudem "die ehrlichen Einzelhändler, die einen Wettbewerbsnachteil dadurch erleiden, dass sich einige schwarze Schafe der Branche durch Steuerhinterziehung einen Wettbewerbsvorteil verschaffen".
jm/ck
© Agence France-Presse