Zum Inhalt springen
OZD.news - News und Nachrichten zum Nachschlagen

Inflationsrate über drei Prozent

Inflationsrate erstmals seit mehr als zehn Jahren über drei Prozent

Erstmals seit mehr als zehn Jahren ist die Inflationsrate in Deutschland um über drei Prozent gestiegen. Die Verbraucherpreise legten im Juli um voraussichtlich 3,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat zu, wie das Statistische Bundesamt am Donnerstag auf Basis vorläufiger Ergebnisse mitteilte. Das war der höchste Anstieg der Teuerung seit August 2008. 

Verantwortlich für den hohen Anstieg im Juli ist laut Bundesamt insbesondere ein Basiseffekt, der auf die coronabedingte Senkung der Mehrwertsteuersätze im Juli 2020 zurückzuführen ist. Seit Januar 2021 befinden sich die Mehrwertsteuersätze für fast alle Waren und Dienstleistungen wieder auf dem vorherigen Niveau. 

Die genaue Höhe des Basiseffekts sei aber nur schwer zu benennen, da gleichzeitig auch andere Preiseffekte wirkten, wie zum Beispiel die CO2-Bepreisung und übliche Marktentwicklungen, erläuterten die Statistiker. Bei der Senkung der Mehrwertsteuersätze im Juli 2020 hatte der rein rechnerische Effekt bei minus 1,6 Prozentpunkten gelegen.

Energie verteuerte sich im Juli im Jahresvergleich um 11,6 Prozent. Nahrungsmittel wurden laut Statistik um 4,3 Prozent teuer. Der Preis für Dienstleistungen, darunter die Wohnungsmiete, erhöhte sich um 1,3 Prozent.

Die Preise seien in den Bereichen deutlich gestiegen, die besonders stark von den Öffnungen profitieren, erläuterte die Chefvolkswirtin der staatlichen Förderbank KfW, Fritzi Köhler-Geib. Hinzu komme, dass die Erzeugerpreise im Juni so stark stiegen wie zuletzt während der zweiten Ölkrise 1982. Das mache sich "auf kurz oder lang im Portemonnaie der Verbraucher bemerkbar". 

Köhler-Geib betonte, die höheren Erzeugerpreise seien vor allem gestiegenen Energie- und Rohstoffpreisen im Zuge der wirtschaftlichen Erholung geschuldet. Zusätzlich wirke ab diesem Monat der Sondereffekt der Rückkehr zu den ursprünglichen Mehrwertsteuersätzen, erklärte auch sie. "Bis Jahresende dürfte dieser Effekt der Haupttreiber der Inflationsentwicklung sein." Bereits ab 2022 dürfte die Inflation ihren Worten zufolge aber wieder etwas unter dem von der Europäischen Zentralbank angestrebten Inflationsziel von 2,0 Prozent liegen. 

Der Leiter des Forschungsbereichs Öffentliche Finanzwirtschaft am Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), Friedrich Heinemann, dagegen warnte vor dem "stärksten Inflationsschub seit drei Jahrzehnten" in den kommenden Monaten. "Auch wenn etliche dieser Effekte nur vorübergehender Natur sind, darf man die Folgen und Risiken des starken Inflationsanstiegs nicht verharmlosen."

Insbesondere niedrig oder nicht verzinste Geldvermögen würden durch die Inflation entwertet, erklärte der Finanzexperte. Gewinner sei dabei der Staat: Mit der aktuellen Inflationsrate und der niedrigen Verzinsung von Staatsanleihen könne der Bund die reale Last seiner Staatsschulden drücken. Den Steuerzahlern stehe hingegen aufgrund des Inflationsschubs eine "umfassende heimliche Steuererhöhung" durch die kalte Progression bevor.

Auch ING-Analyst Carsten Brzeski rechnet mit einem weiteren Anstieg der Inflationsrate: Unterbrochene Lieferketten, höhere Rohstoffpreise und Lieferprobleme übten Druck auf Erzeugerpreise und somit mittelbar auch auf Verbraucherpreise aus. "Zusammen mit der Rückkehr zum alten Mehrwertsteuersatz könnte die Inflation gegen Ende des Jahres sogar vier Prozent übersteigen", fürchtet Brzeski. 

fho/ilo