Interview: Die Überbringer trauriger Nachrichten
Als ein Kleinbus mit Behinderten in eine Menschenmenge fährt – darunter viele Kinder –, weil der Fahrer Gas und Bremse verwechselt hat, gehört Enno Adam zu den Polizeibeamten, die sich um Opfer und Angehörige kümmern, Zeugen befragen und sich im Tumult vor Ort zurechtfinden müssen. Auch im Fall der Tierliebhaberin, die einen herrenlosen Hund von der Straße retten will und dabei von einem herannahenden Lkw erfasst wird, überbringt der Hauptkommissar ihrem Ehemann die Todesnachricht.
Er gehört zum Opferschutz,
einem Team von kreisweit 19 Kolleg*innen, die Angehörige über schwere
Verletzungen, Unfalltod oder Suizid von Familienmitgliedern informieren. Auch
Oberkommissarin Liane Blankenstein zählt zu diesem Kreis. „Ich finde, dass man
aus jeder Begegnung etwas mitnimmt“, sagt die Kriminalbeamtin, deren Vater
Notfallseelsorger war. Nicht immer sei es leicht, die richtigen Worte zu
finden. Die Reaktionen reichen von stoischer Ruhe über fassungsloses Schweigen,
Weinen bis zu hilfloser Aggressivität, mit der sich der Vater eines Unfallopfers
Luft machte, indem er permanent auf ein Spülbecken einschlug. „Viele brechen zusammen
– dann gilt es, aufzurichten und Trost zu spenden“, sagt Enno Adam.
Aber wenn
jemand die Nachricht scheinbar teilnahmslos aufnimmt, ist es schwer zu
beurteilen, was weiter geschehen soll. Dann müssen die Beamten sich auf ihre
Intuition und ihr Gefühl verlassen. „Früher“, erklärt Enno Adam, der vier
Kinder und ein Enkelkind hat, „ist einfach der Dienstgruppenleiter rausgefahren
und hat die Angehörigen informiert – ob er nun geeignet war oder nicht“.
Das
sei inzwischen anders, erzählen die beiden Opferschützer. Heute ist die
Tätigkeit im Opferschutz freiwillig und ein zweitägiges Seminar mit
theoretischen Grundlagen und Rollenspielen obligatorisch. So wird
sichergestellt, dass derart belastende Nachrichten nicht von irgendwem überbracht
werden, quasi qua Amt, sondern nur von Menschen, die wissen, wie man mit
Empathie und Nächstenliebe vorgeht.
Enno Adam, der sich als „Dorfsheriff“ bezeichnet, weil er für sehr kleine Orte zuständig ist, bespricht solche Situationen mit seiner Frau, die selbst bei der Polizei arbeitet, im Bereich der Kinderpornographie. „Wir setzen uns dabei auf ein Bier zusammen“, sagt er, woraufhin Liane Blankenstein scherzt: „Da wird bei euch aber viel getrunken.“
Sie ist selbst verheiratet,
hat zwei erwachsene Kinder und kann belastende Erlebnisse ebenso mit ihrer
Familie besprechen. Eine intakte Familienstruktur ist wichtig für die Tätigkeit
im Opferschutz, zumal viele der Einsätze in der Freizeit stattfinden.
Wenn Enno Adam noch Zeit hat, fährt er gerne Motorrad, geht schwimmen oder probiert sein neues Wohnmobil aus. Liane Blankenstein ist viel bei sich selbst und liest. Beide, so wirkt es, sind wie gemacht für den Dienst am Menschen.
Foto: Charlotte Beck
Text Interview: Burkard Knöpker