Münster (pbm/acl). Da sein, wenn alles zum Weglaufen ist. Jürgen Wiltink erlebt diese Situation häufig. „Wenn Menschen schwer erkranken oder ihr Leben dem Ende entgegen geht, kommt es vor, dass Angehörige oder Freunde damit nicht umgehen können und weglaufen.“ Wiltink kommt, wenn andere gehen. Als katholischer Krankenhausseelsorger im Universitätsklinikum Münster (UKM) ist er da, begleitet die Patientinnen und Patienten, ihre Angehörigen und das medizinische Personal. Auch an Weihnachten.
„Die Friedensbotschaft von Weihnachten gilt allen Menschen, auch den Schwerkranken, die über die Feiertage nicht entlassen werden können“, erklärt der 46-Jährige, der am 1. Weihnachtsfeiertag die Rufbereitschaft übernimmt. Um 9.30 Uhr wird der leidenschaftliche Musiker erst den Gottesdienst in der Kapelle im Westturm am Klavier begleiten. „Danach werde ich sicherlich bei dem einen oder anderen Patienten vorbeischauen“, kündigt er an. Aus den vergangenen Jahren weiß er: Nicht jeder hadert mit seiner Situation, manche haben ihre Krankheit, vielleicht sogar den baldigen Tod akzeptiert. An Weihnachten aber eint sie alle ein Gedanke: „Die Sehnsucht nach Frieden, besonders am Lebensende.“
Seit drei Jahren gehört Wiltink zum achtköpfigen Seelsorgeteam am UKM. Das Umfeld ist ihm nicht fremd: Nach seiner Schullaufbahn entschied sich der gebürtige Bocholter für eine Ausbildung zum Krankenpfleger. Doch schon in den ersten Berufsjahren begann er zu zweifeln: „Mir fehlte die Zeit für die Patienten.“ Nach einer Zeit in Sambia, die ihn besonders in spiritueller Hinsicht geprägt hat, ließ er sich ab 2001 zum Pastoralreferenten in Ahaus und Münster ausbilden. Nach einer weiteren Station in Suderwick bei Bocholt kam er 2008 nach Münster, wo er acht Jahre lang in der Pfarrei St. Benedikt, heute zur Pfarrei St. Mauritz gehörend, als Pastoralreferent arbeitete. 2011 wurde er zudem zum Ständigen Diakon geweiht.
Der Wunsch, ins Krankenhaus zurückzukehren, begleitete Wiltink schon lange. Dabei geht es ihm längst nicht nur darum, mehr Zeit für die Patienten zu haben: „Mir ist es wichtig, insgesamt die spirituelle Dimension mit in die Begleitung aufzunehmen“, sagt der Krankenhausseelsorger und verweist auf den Ansatz von „Spiritual Care“. Bei dieser Form werden die Patienten in Bezug auf ihre spirituellen Bedürfnisse begleitet und unterstützt, unabhängig von deren konfessionellen Bindung oder Weltanschauung. Ein weiterer Aspekt des Ansatzes umfasst die Präsenz und Mitarbeit in den multiprofessionellen Teams auf den Stationen. Auch hier bringt Wiltink die spirituelle Dimension mit, bei der es oft darum geht, hinter dem scheinbar Banalen einen tieferen Sinn zu entdecken und ins Wort zu bringen „und letztendlich gemeinsam mit den Patienten und Angehörigen herauszufinden welche inneren Quellen ihnen in dieser Situation Kraft geben können“.
Etwas, das Wiltink immer wieder neu herausfordert. Seit einigen Wochen ist der zweifache Familienvater neben den neurologischen Stationen auch für die pädiatrischen, also die Kinderstationen zuständig. „Wenn ich vor dem Bett eines Säuglings stehe, der morgens nicht mehr reagiert hat und bei dem festgestellt wird, dass er wahrscheinlich nicht mehr lebensfähig ist, bewegt mich das sehr“, betont der Seelsorger. Sein innerer Antrieb, wenn er das Kind auf Wunsch der Eltern nottauft, ist die Zusage Gottes „Ich bin der ich bin da.“
Nicht aufdrängen, sondern anbieten. Zwischen den Sätzen hören, Sehnsüchte hinter den Fragen wahrnehmen und sie wertschätzen. Das ist Wiltinks Einstellung als Krankenhausseelsorger. Um in Kontakt zu treten, nutzt der passionierte Klavierspieler auch mal ungewöhnliche Methoden: Eine Stunde lang spielte er bis vor kurzem jede Woche auf dem Flügel auf Ebene 05. „Musik verbindet und eröffnet Gespräche“, erklärt er. Wiltink sieht darin eine Chance: „Im Krankenhaus verlassen wir den binnenkirchlichen Kontext. Dort haben wir alle Menschen im Blick.“ Ganz besonders an Weihnachten. „Denn das Kind in der Krippe gilt allen.“
Bildunterschrift: Jürgen Wiltink ist als Krankenhausseelsorger auch an Weihnachten im Universitätsklinikum in Münster im Einsatz.
Foto: Bischöfliche Pressestelle/Ann-Christin Ladermann