Geplant ist deshalb unter anderem die Einrichtung von sechs Betten in Steinfurt am Tochterkrankenhaus UKM MHS, um dort Patienten, die am UKM mit Kaltplasma behandelt wurden, nachzuversorgen.
Münster (ukm/fh). Als Erika Austmann sich im Frühjahr 2019 wegen einer Bypass-Operation in ein Krankenhaus begeben musste, ahnte sie nicht, dass dieser Routineeingriff langwierige, für sie lebensbedrohliche Komplikationen nach sich ziehen würde.
Aufgrund einer Infektion im Brustbeinbereich musste sich die Patientin in der Folgezeit mehrfachen Wundoperationen unterziehen. Eine solche Infektion tritt bei etwa zwei bis vier Prozent aller Patienten auf und endet in einigen Fällen tödlich. Erschwerend kam hinzu, dass ein verbliebener Schrittmacherdraht mit dem gefährlichen und widerstandsfähigen Keim Pseudomonas infiziert war. Über die lange Behandlungszeit hinweg hatten sich aus diesem Grund im Brustbeinbereich zwei nicht heilende Wundfisteln ausgebildet.
Eine typische Behandlungsmethode zur Kontrolle des Infektionsgeschehens ist das operative Entfernen des Brustbeins (Sternumresektion). Doch auch dieser Eingriff ist nicht ungefährlich und hätte im Fall von Erika Austmann wegen bereits vorliegender Verwachsung des Brustbeinknochens mit dem Herzen zu einer irreversiblen Verletzung des Herzens führen können. Aus diesem Grund empfahl man der Patientin einen Wechsel an das UKM (Universitätsklinikum Münster), wo Dr. Heinrich Rotering, Oberarzt in der Klinik für Herz- und Thoraxchirurgie, mit der noch recht jungen Kaltplasma-Jet-Therapie eine alternative Behandlungsmethode anbietet. Rotering arbeitet bereits seit über fünf Jahren mit dem Kaltplasma. „Das Plasma ist ein ionisiertes Gas, das mit Luftsauerstoff reagiert. Dieser dringt dann als energieangereichertes Gas in die Wunde ein. Über diese Sauerstoffradikale werden die Bakterien abgetötet und die körpereigene Immunabwehr angeregt“, erklärt er.
Nach operativer Ausschneidung der Wundfisteln und Entfernung des infizierten Schrittmacherdrahtes erfolgte die anschließende Wundsanierung mit Aktivkohle und Unterdruckverbänden sowie dem Einsatz von kaltem Plasma. Mit einer Art Stift wird das Plasma hierbei ohne direkte Berührung in die Wunde abgegeben. Durch diese schmerz- und berührungsfreie Behandlung konnte
die Infektion bekämpft und letztlich erfolgreich behandelt werden. „Am Anfang der Behandlung spürt man schon etwas. Es juckt ein wenig an den Wundrändern und man merkt, wie das Gewebe arbeitet. Schmerzen hat man aber durch die Behandlung selbst keine“, berichtet die Patientin über ihre Erfahrung mit der Therapie. Wegen der damit verbundenen Risiken hätte Erika Austmann vielleicht keinen Arzt gefunden, der eine Operation an ihrem Brustbein, durchgeführt hätte – mit der Kaltplasma-Jet-Therapie bot sich eine neue Chance. Mittlerweile hat die Patientin die strapaziöse Zeit gut überstanden und ist Dank der Behandlung vom Wundkeim befreit.
Weltweit gehört die Herzchirurgie am UKM zu einem der wenigen Zentren, die die Kaltplasma-Therapie für Sternuminfekte bisher anbieten. Dank der Behandlung konnten bereits viele Brustbeinentfernung aufgrund von Wundinfektionen vermieden werden. Diese Risiken eines operativen Eingriffs lassen sich mit dem gewebeschonenden Einsatz der Kaltplasma-Therapie deutlich verringern. „Wir führen nicht nur einen deutlich weniger invasiven Eingriff durch, wir retten dadurch auch möglichst viel des körpereigenen Gewebes. Für mich heißt Brustbein retten, Leben retten“, betont Rotering die Vorteile der Therapie, die grundsätzlich auch auf Patienten mit Wundproblemen anderer Fachdisziplinen anwendbar ist. Die vielfältigen Einsatzbereiche überzeugen den Herzchirurgen Rotering so sehr, dass er diese Therapie perspektivisch auch weiter am UKM sowie am UKM MHS in Steinfurt etablieren möchte.
Foto: Bei Erika Austmann konnte das Brustbein trotz schwerer Infektion erhalten werden. Dr. Heinrich Rotering hat sie dafür mit der Kaltplasma-Jet-Therapie behandelt. © UKM/Deiters