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Klimaschutz: dreimal stärkere Anstrengungen nötig

Experten halten dreimal stärkere Anstrengungen beim Klimaschutz für notwendig

Um die im Juni verschärften deutschen Klimaziele erreichen zu können, müssen nach Einschätzung von Expertinnen und Experten die Anstrengungen dafür etwa verdreifacht werden. Die Thinktanks Agora Energiewende und Agora Verkehrswende sowie die Stiftung Klimaneutralität legten dafür am Montag in Berlin 22 Handlungsempfehlungen vor, mit deren Umsetzung die neue Bundesregierung bereits in den ersten hundert Tagen ihrer Amtszeit beginnen müsse.

Um wie im Klimaschutzgesetz vorgeschrieben die Treibhausgasmissionen um 65 Prozent bis 2030 zu senken, müssten pro Jahr 30 bis 40 Millionen Tonnen CO2 eingespart werden, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung. Der Trend der vergangenen Jahr sei jedoch eher eine Reduktion um 14 Millionen Tonnen gewesen, wobei es 2020 einen starken Sondereffekt aufgrund der Corona-Krise gegeben habe. Deutschland sei also von einem Pfad zum Erreichen seiner Klimaziele weit entfernt.

"Deutschland braucht in den ersten 100 Tagen der neuen Regierung das größte Klimaschutz-Programm in der Geschichte der Bundesrepublik", forderte daher der Direktor von Agora Energiewende, Patrick Graichen. "Schnell wirkende, ambitionierte Maßnahmen in allen Sektoren" verlangte auch der Direktor der Stiftung Klimaneutralität, Rainer Baake. Ein rasches Umsteuern zu "Klimaneutralität im Verkehr", forderte der Direktor von Agora Verkehrswende, Christian Hochfeld.

Beim Ökostrom müssten etwa durch schnellere Genehmigungsverfahren die Weichen dafür gestellt werden, die Strommenge aus erneuerbaren Energien bis 2030 zu verdreifachen. Zugleich müsse der Kohleausstieg auf 2030 vorgezogen werden. Dafür solle der europäische Emissionshandel im Energiesektor durch einen nationalen Mindestpreis von 50 Euro pro Tonne CO2 ab 2025 und von mindestens 65 Euro 2030 ergänzt werden.

"Im Verkehr kommt es darauf an, von Anfang an die richtige Mischung aus Preissignalen und Ordnungsrecht zu finden", erklärte Hochfeld. Hier sowie für Gebäudeheizungen solle der nationale CO2-Preis bereits 2023 auf 60 Euro pro Tonne CO2 ansteigen und 2025 dann auf 80 bis 100 Euro. Im Gegenzug sollten Verbraucherinnen und Verbraucher durch die möglichst rasche Streichung der EEG-Umlage entlastet werden. Auf Autobahnen soll ein Tempolimit von 130 Kilometern pro Stunde gelten, in Städten in der Regeln von 30 km/h.

Der Einbau fossiler Heizungen soll ab 2024 verboten werden, für Neubauten und Dachsanierungen soll eine Solarpflicht gelten - finanziert auch durch ein Förderprogramm von zwölf Milliarden Euro pro Jahr und verknüpft mit Entlastungen für Mieterinnen und Mieter. In der Industrie soll der Einsatz von grünem Wasserstoff vorangetrieben werden. Gefordert werden auch weniger Massentierhaltung und das Wiedervernässen von Mooren, damit diese wieder zu CO2-Senken werden.

Um den Umstieg zu bewältigen, drängen die beteiligten Thinktanks auf ein 30-Milliarden-Euro Investitionsprogramm in Form eines "Klima-Haushalts", ergänzt durch private Mittel. "Das kommende Jahrzehnt bis 2030 muss eine Dekade des Investierens werden: in klimaneutrale Energieversorgung, Industrieanlagen, Verkehr, Gebäudesanierung und eine Wasserstoff-Infrastruktur", heißt es in der Erklärung. Klimafreundliche Alternativen müssten so immer attraktiver werden als die Nutzung fossiler Energieträger. "Die Wärmepumpe muss günstiger werden als die Ölheizung und das Elektroauto günstiger als der Verbrenner", forderte Baake.

bk/jm