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Hospitalisierung als entscheidendes Corona-Kriterium

Das Bundeskabinett hat am Dienstag beschlossen, dass die so genannte Hospitalisierungsrate künftig das entscheidende Kriterium für Maßnahmen in der Corona-Pandemie sein soll.

Die Entscheidung sei im Umlaufverfahren erfolgt, hieß es dazu aus Regierungskreisen. Allerdings dürfte die Vorlage im parlamentarischen Verfahren noch verändert werden.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte die Neuregelung vergangene Woche angekündigt. "Je weniger Menschen wegen Covid im Krankenhaus behandelt werden müssen, desto mehr Freiheit ist möglich", sagte er nun dazu der Funke Mediengruppe. "An diesem Leitsatz sollen die Länder künftig ihre Pandemiepolitik ausrichten. Bei hoher Impfquote wird die Inzidenz nicht überflüssig, aber sie verliert an Aussagekraft", sagte der Minister weiter.

Nach dem Kabinettsbeschluss fand zu dem Thema eine Anhörung im Bundestags-Gesundheitsausschuss statt. Nach Bundestagsangaben sieht ein Änderungsantrag von Union und SPD im Vergleich zu den ursprünglichen Plänen Spahns, der sich auf die Hospitalisierungsrate konzentrieren wollte, ein differenzierteres Verfahren vor. Demnach sollen als Kriterien auch eine nach Altersgruppen aufgeschlüsselte Sieben-Tage-Inzidenz, verfügbare intensivmedizinische Behandlungskapazitäten sowie die Entwicklung der Impfquote berücksichtigt werden.

Sachverständige stellten sich demnach im Ausschuss vorwiegend hinter die Abkehr vom bisherigen, reinen Inzidenz-System. Allerdings gab es auch Warnungen vor dem Fokus allein auf den Krankenhaus-Einweisungen. Verwiesen wurde auf Belastungen des Gesundheitssystems auch im ambulanten Bereich und auf das Problem von Long-Covid-Fällen auch ohne Krankenhausaufenthalt. Zudem wurde argumentiert, die Inzidenz müsse weiter eine Rolle spielen, da sich nur so das Infektionsgeschehen auf einem möglichst niedrigen Niveau halten lasse.

Die Hospitalisierungsrate gibt an, wie viele Corona-Infizierte pro 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen stationär in Krankenhäusern zur Behandlung aufgenommen werden. Der Bundestag soll in der kommenden Woche die Neuregelung beschließen, hieß es weiter. Das Parlament kommt am Dienstag zu einer Sitzung zusammen.

Auch der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach warb dafür, die Inzidenz weiter mit zu berücksichtigen. "Eine eindeutige Verknüpfung von Inzidenz und Hospitalisierung ist notwendig und wird im Zuge der parlamentarischen Beratungen noch kommen", sagte er den Funke-Zeitungen. Zudem mahnte Lauterbach, Hospitalisierungsraten müssten bundesweit einheitlich gelten.

Ärztevertreter warnten angesichts der wieder deutlich steigenden Zahl von Corona-Patientinnen und -Patienten in den Kliniken unterdessen vor einer erneut zu starken Belastung des Personals auf den Intensivstationen. "Unsere Leute sind erschöpft", sagte der Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi), Gernot Marx, ebenfalls den Funke-Zeitungen. Es gebe hier nach wie vor eine hohe Dauerbelastung.

"Die Erschöpfung aus den ersten drei Wellen konnte noch gar nicht wieder aufgeholt worden", mahnte Marx. Die Kliniken hätten keine Pause gemacht, sondern über den Sommer viele wegen der Corona-Pandemie verschobene Eingriffe nachgeholt. "Die meisten Beschäftigten auf den Intensivstationen hatten noch gar keine Gelegenheit, sich zu erholen", sagte der Intensivmediziner.

Die aktuelle Entwicklung auf den Intensivstationen nannte Marx "besorgniserregend". Innerhalb eines Monats habe sich die Zahl der schwerstkranken Covid-Patienten von unter 400 auf über 1000 fast verdreifacht. "In einigen Regionen wird es auf den Intensivstationen schon wieder voll", warnte der Divi-Präsident.

bk/pw