Sehr geehrte Hildegard Müller,
sehr geehrter Herr Dittrich,
sehr geehrter Herr Ministerpräsident, lieber Markus Söder, und
sehr geehrter Kollege von nebenan, wenn man es aus der bayerischen Perspektive sieht, lieber Winfried Kretschmann,
lieber Andi Scheuer,
lieber Herr Oberbürgermeister, Herr Reiter,
meine Damen und Herren,
wenn
man Markus Söder gehört hat, dann wundert man sich, warum die IAA so
oft in Frankfurt stattgefunden hat. Eigentlich scheint München der
geborene Platz zu sein. Aber ich freue mich auf jeden Fall, dass ich
heute hier mit dabei sein kann. Denn es ist wirklich eine Erstausgabe,
die erste Ausgabe der Messe nach ihrem Umzug von Frankfurt nach München.
Aber es ist nicht nur der Ort neu, sondern auch das Konzept. Die Messe
heißt jetzt „IAA Mobility“. Ich finde es wirklich spannend und halte es
auch für den richtigen Zeitpunkt, Mobilität vernetzt zu denken. Sie
wollen die Mobilität der Zukunft umfassend präsentieren. Deshalb sind
hier nicht nur viele Digitalunternehmen vertreten, sondern auch
Fahrradhersteller nehmen jetzt, wie schon gesagt, einen großen Bereich
auf der IAA ein. Ich freue mich, nachher einige davon zu besuchen. Wir
erleben im Moment auch wegen der Pandemie einen regelrechten
Fahrradboom. Gerade auch das Elektrofahrrad wird etwa für Berufspendler
immer attraktiver.
Es geht uns ja alle an, wie wir uns in Zukunft
fortbewegen. Deshalb finde ich es auch wichtig, dass sich die IAA
öffnet und die Diskussion nicht nur mit dem Fachpublikum pflegt, sondern
gleichsam in die Stadt hineingeht und damit auch viel mehr Menschen die
Möglichkeit gibt, teilzuhaben. Dass sich die Messe nicht nur auf dem
Messegelände präsentiert, sondern dass die Innenstadt aufgesucht wird,
dass der Marienplatz jetzt sozusagen das Zentrum des Gesprächs mit
Bürgerinnen und Bürgern ist, ist eine faszinierende Idee. Ich hoffe,
dass alle zu Wort kommen und man auch aufeinander hört.
Wir
können froh sein, dass nach anderthalb Jahren Pandemie eine solche
Begegnung jetzt möglich ist. Die vielen langen Monate der Pandemie waren
und sind für uns alle immer noch schwer. Das Virus hat Menschenleben
gefordert. Es fordert immer noch Verzicht, Geduld und Einsatz. Die
Wirtschaft ist wirklich durch eine harte Zeit gegangen. Deshalb will ich
an dieser Stelle sagen: Die deutsche Automobilindustrie hat wirklich
viel geleistet, um Infektionen zu verhindern. Sie haben in Ihren
Betrieben Hygienekonzepte umgesetzt. Sie haben Arbeit im Homeoffice
ermöglicht. Ihre Betriebsärzte testen und impfen. Das sind entscheidende
Beiträge, um durch diese Pandemie hindurchzukommen. Dafür ein ganz
herzliches Dankeschön.
Wir sind auf einem guten Weg. Etwa
65 Prozent der Bevölkerung sind zumindest einmal geimpft. Wir brauchen
noch ein paar Prozent mehr. Über 60 Prozent sind jetzt vollständig
geimpft. Bund, Länder und Kommunen werden auch noch einmal gemeinsam
werben und auf die Menschen zugehen. Natürlich hat die Impfquote
Auswirkungen auf die Frage, wie wir wieder zu mehr Normalität kommen
können. Gerade heute wird im Deutschen Bundestag das
Infektionsschutzgesetz noch einmal geändert. Wir brauchen nicht mehr nur
auf die Fallzahlen zu schauen, sondern wir sehen uns an, wie wir eine
Überlastung unseres Gesundheitssystems verhindern. Wir alle müssen in
diesem Herbst zwar noch achtsam sein ‑ ich kann noch keine vollständige
Entwarnung geben, auch wenn ich es gern täte ‑, aber wir können schon
wieder viel mehr möglich machen. Diese IAA ist ein Hoffnungssignal.
Wir
sind bis jetzt, glaube ich, ganz gut durch die Pandemie gekommen, was
sowohl Gesundheitsfragen als auch Wirtschaftsfragen anbelangt. Wir
wollen da anknüpfen und der Wirtschaft auch eine Aufholjagd und wieder
Wachstum gönnen. Das ist ja im Automobilbereich auch zu sehen, auch wenn
im Augenblick einige Lieferengpässe Schatten werfen.
Meine Damen
und Herren, auch wenn die IAA 2021 Mobilität umfassend versteht und
präsentiert, steht das Auto natürlich weiter im Mittelpunkt. Wir werden
hier viele Weltpremieren und auch Autos der Zukunft sehen. Ich freue
mich, dass der Trend zur Elektromobilität jetzt unübersehbar ist. Im
Bereich der E-Autos war das Bild der deutschen Automobilindustrie vor
einigen Jahren doch eher von Zurückhaltung geprägt. Noch vor vier Jahren
haben die deutschen Hersteller auf der IAA fast nur elektrische
Konzeptfahrzeuge präsentieren können. Vor zwei Jahren habe ich dann bei
meinem Rundgang einzelne Weltpremieren für E-Autos gesehen. Nun haben
alle Hersteller auch alltagstaugliche Elektrofahrzeuge in ihrem
Programm. Das kann man auf der Messe sehen, aber eben auch auf den
Straßen.
In den ersten sieben Monaten dieses Jahres wurden knapp
370.000 Elektro-Pkw und Plug-in-Hybride zugelassen. Das ist mehr als das
Sechsfache des Jahres 2019, als wir das letzte Mal auf der IAA
zusammenkamen. Wir haben uns im Jahr 2009 das Ziel gegeben, dass wir bis
Ende 2020 eine Million Elektrofahrzeuge auf den Straßen haben wollen.
Das haben wir Mitte 2021 erreicht. Ich finde, bei einer Prognose von vor
mehr als zehn Jahren kann doch fast von einer termingerechten
Zielerreichung gesprochen werden. Man kann auch sagen, dass die
finanzielle Förderung, die wir seitens des Bundes für E-Autos geleistet
haben, und die finanzielle Förderung durch die Hersteller ‑ das ist ja
eine gemeinsame Aktion gewesen ‑ doch wirklich einen Beitrag dazu
geleistet haben. Bis zu einem Viertel des Preises wird dem Kunden heute
erstattet; das können bis zu 9.000 Euro sein.
Liebe Hildegard
Müller, Sie haben bzw. du hast Recht: Um die E-Mobilität weiter zu
stärken, brauchen wir auch eine ausreichende Ladeinfrastruktur. Darauf
weist die Präsidentin des VDA immer wieder hin. Ich sage: Hier müssen
wir alle gemeinsam noch besser werden. Vor allem gilt das auch
europaweit. Die Deutschen sind nicht nur in Deutschland mobil ‑ dort
müssen sie die Sicherheit haben, dass sie laden können ‑, aber sie
wollen halt auch über die Grenzen fahren. Wir haben im
Klimaschutzprogramm 2030 das Ziel von mindestens einer Million
öffentlicher Ladepunkte ausgegeben.
Ich sehe den Aufbau der
Ladeinfrastruktur insbesondere als eine Aufgabe der Wirtschaft an, die
natürlich eines Tages auch Geld mit dem Tanken verdienen will. Ich habe
heute den Verkehrsminister gefragt, ob der Staat eigentlich früher auch
die Tankstellen für die Benzinautos gebaut hat. Das wurde verneint. Aber
die Bundesregierung fördert nun den Aufbau der Ladeinfrastruktur mit.
Wir befinden uns in einer Transformation, die es so noch nicht gegeben
hat. Bis zu sieben Milliarden Euro wird der Bund bis 2025 für genau
diesen Zweck bereitstellen. Davon sind 800 Millionen Euro für die
private Ladeinfrastruktur vorgesehen. Das ist deshalb so wichtig, weil
85 Prozent der Ladevorgänge zu Hause stattfinden. Die Förderung von mehr
als 730.000 privaten Ladepunkten ist bereits zugesagt. Aufgabe des
Staates ist es aber vor allem, den Rahmen zu schaffen. Hierbei geht es
unter anderem um den diskriminierungsfreien Zugang der Kunden zu allen
Ladesäulen, um unkompliziertes Bezahlen und natürlich auch um stabile
Stromnetze.
Eben haben wir von Hildegard Müller etwas über die
Mobilität auf dem Weg zur Klimaneutralität gehört. Es ist deutlich
geworden, dass das ein übergreifendes Thema dieser Messe ist. Ich freue
mich über dieses Commitment, diese Verpflichtung, die eine gemeinsame
ist. Denn der Verkehrssektor kann, aber er muss auch sehr viel zum Weg
zur Klimaneutralität beitragen. Wir können vieles davon hier in München
sehen.
150 Milliarden Euro an Investitionen bis 2025 in
E-Mobilität, Digitalisierung und neue Antriebe ‑ das bedeutet riesige
Anstrengungen der deutschen Automobilindustrie. Das zeigt aber auch,
dass die Autoindustrie nicht per se Teil des Klimaproblems ist, sondern
eben vor allen Dingen auch ein zentraler Teil seiner Lösung, eben der
Chancen, die wir wahrnehmen.
Dabei sind mir zwei Dinge besonders wichtig.
Das
eine ist Technologieoffenheit. Wir dürfen uns nicht voreilig und
einseitig auf nur bestimmte Technologien festlegen. Wir sollten das
Potenzial aller vielversprechender Innovationen ausschöpfen. Dabei wird
Elektromobilität ein stützender Pfeiler klimaneutraler Mobilität sein.
Aber auch andere Optionen ‑ Wasserstoff, synthetische Kraftstoffe ‑
könnten das Klima entlasten. Das gilt vor allen Dingen im
Schwerlastverkehr, in der Luftfahrt und im Schiffsverkehr.
Der zweite Punkt, der mir am Herzen liegt, sind die Arbeitsplätze bzw. ist die Sicherheit der Arbeitsplätze. Ebenso wenig wie CO2
an der Landesgrenze Halt macht, lassen sich Arbeitsplätze im Inland
halten, wenn die Rahmenbedingungen nicht stimmen. Das wird auch eine
Diskussion auf der europäischen Ebene sein. Es ist für unsere Zukunft
ganz entscheidend, dass wir die internationale Wettbewerbsfähigkeit
unserer Wirtschaft erhalten. Wir wollen eben kein Carbon Leakage.
Deutschland soll ein attraktiver und starker Automobilstandort bleiben.
Deshalb setzen wir uns für ein gemeinsames Vorgehen in der EU ein. Der
europäische Emissionshandel könnte ein guter Anfang sein. Es wird aber
noch sehr, sehr harter Diskussionen bedürfen, denn es gibt viele
Mitgliedstaaten, die nicht so dafür sind. In Deutschland haben wir im
Bereich der Mobilität die CO2-Bepreisung ja schon eingeführt.
Wir
müssen natürlich auch im Blick haben, dass der Strukturwandel vor allen
Dingen auch von den Zulieferern getragen wird, die zum Teil durch eine
sehr harte Zeit gehen. Deshalb ist es wichtig gewesen, dass wir als
Bundesregierung mit dem „Zukunftsfonds Automobilindustrie“ kleine und
mittelständische Betriebe beim Übergang zu klimafreundlicher Mobilität
unterstützen. Die Ausgestaltung dieses Fonds, der eine Milliarde Euro
umfasst, haben wir gerade im August auf dem Autogipfel beschlossen. Ich
möchte mich bei den Unternehmen bedanken, aber auch bei den
Gewerkschaften ‑ insbesondere der IG Metall ‑, die diese Transformation
immer auch aus der Perspektive der Beschäftigten mitdenken.
Die
Mobilität der Zukunft wird dank alternativer Antriebe und dank der
Digitalisierung umweltfreundlicher und sicherer sein als heute. Ebenso
rasant wie die Elektromobilität entwickelt sich das autonome Fahren.
Deutschland will auch hier Vorreiter sein. Mit dem Gesetz zum autonomen
Fahren, das wir im Juli verabschiedet haben, haben wir die
Voraussetzungen für den Einsatz fahrerloser Kraftfahrzeuge im
Regelbetrieb geschaffen. Deutschland ist damit das erste Land der Welt,
in dem autonomes Fahren der Stufe 4 im öffentlichen Straßenverkehr
ermöglicht wird. Das heißt, wir holen das fahrerlose Auto als Erste auf
unsere Straßen und in unseren Alltag.
Für die Menschen wird es
natürlich auch in Zukunft darauf ankommen, dass sie schnell und bequem
von A nach B kommen. Individuelle Mobilität gehört zumindest im
ländlichen Raum mit Sicherheit weiter zu den bevorzugten Arten der
Fortbewegung. Die deutsche Autoindustrie hat sich auf den Weg gemacht,
individuelle Mobilität sauberer und sicherer zu machen. Wir als
Bundesregierung möchten Sie auf diesem Weg weiter unterstützen. Hierzu
haben wir uns erst kürzlich, am 18. August, während der Konzertierten
Aktion Mobilität ‑ ich bedanke mich hier auch für die Zusammenarbeit ‑
sehr intensiv ausgetauscht. Es waren wichtige Akteure dabei und die
Gespräche waren sehr konstruktiv.
Ich freue mich sehr, dass auch
die IAA Mobility viel Wert auf offene Diskussionen legt. Denn sowohl die
Transformation zu einer klimaneutralen Gesellschaft als auch der
Einsatz neuer Technologien auf den Straßen gelingen nur mit breiter
Akzeptanz. Diese Messe zeigt, wie eng Klimafreundlichkeit und
Innovationskraft zusammengehören. Wenn ich mich hier umsehe, bin ich
fest davon überzeugt, dass die Transformation zu Klimaneutralität für
unser Land und für unsere Automobilindustrie ein Erfolg wird.
Ich
wünsche allen Ausstellern und Besuchern erfolgreiche und spannende
Messetage und erkläre jetzt die Internationale Automobil-Ausstellung
2021 für eröffnet.
Rede von Bundeskanzlerin Merkel
IAA Mobility" am 7. September 2021 in München