Al-Chater verwies auf "einige gute Gesten" der Taliban. So hätten im Rahmen der internationalen Evakuierungsmission viele Menschen, darunter auch Studentinnen, Afghanistan verlassen können. Ohne die Kooperation der Taliban wäre dies "nicht möglich gewesen", unterstrich die katarische Top-Diplomatin.
Laut Al-Chater können zudem Angestellte im afghanischen Gesundheitssystem - darunter weibliche - auch nach der Machtübernahme der Taliban Mitte August weitgehend ungestört ihrer Arbeit im Kampf gegen die Corona-Pandemie nachgehen.
Die Regierung in Doha hat die Taliban bisher nicht offiziell anerkannt. Dies werde auch nicht sofort geschehen, sagte Al-Chater. Zugleich wolle Katar sich "nicht vollständig" einer Zusammenarbeit mit den Islamisten verweigern. "Wir gehen einen Mittelweg."
Die internationale Gemeinschaft dürfe sich nicht anmaßen, "das Schicksal der Afghanen kontrollieren" zu wollen, sagte Al-Chater. "Afghanistan ist ein souveräner Staat." Es sei an den Afghanen selbst, über ihre Zukunft zu bestimmen.
Katar gehört zu den wichtigen Verbündeten der US-Regierung in der Golfregion. Über den US-Luftstützpunkt in Doha wurden im Rahmen der internationalen Evakuierungsaktion rund 60.000 Menschen aus Afghanistan in Sicherheit gebracht. Derzeit sind katarische Kräfte auch am Flughafen der afghanischen Hauptstadt Kabul im Einsatz, um eine Wiedereröffnung des schwer beschädigten Flughafens vorzubereiten.
In Doha war das Abkommen zwischen den USA und den Taliban verhandelt worden, auf dessen Grundlage die USA Ende August ihre letzten Soldaten aus Afghanistan abzogen. Zur Frage, ob Katar zur Rückkehr der Taliban an die Macht beigetragen habe, sagte Al-Chater: "Den Boten trifft keine Schuld." Katar habe lediglich die Verhandlungen zwischen dem Westen und den Taliban unterstützt.
Das Interview mit Al-Chater fand statt, bevor die Taliban die ersten Mitglieder ihrer neuen Regierung vorstellten. Der "Interimsregierung" gehört auch der Hardliner Siradschuddin Hakkani an, der das Amt des Innenministers übernimmt. Das sogenannte Hakkani-Netzwerk wird für eine Reihe an Selbstmordanschlägen in Afghanistan verantwortlich gemacht.
Die USA reagierten besorgt. Die Regierung bestehe "ausschließlich aus Personen besteht, die Mitglieder der Taliban oder ihnen nahestehende Personen sind, und keiner Frau", erklärte ein Sprecher des US-Außenministeriums. Kritisch äußerte er sich auch "über die Verbindungen und den Werdegang" einiger der Kabinettsmitglieder.
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