Die
erste entscheidende Stufe der CO2-Steuer war das „Sofortprogramm für den Sommer
2019“. Es wurde von den Grünen im Juni veröffentlicht. Es schlug
für Benzin, Diesel, Kerosin, Heizöl, Heizkohle und Heizgas einen
CO2-Preis von 40 Euro pro Tonne vor, die jährlich an CO2 verbraucht
wird. Um den Mittelstand zu entlasten rieten die Grünen zu zwei
Maßnahmen: Erstens zu einem Energiegeld, das in Höhe von 100 Euro
pro Jahr an jeden Bürger gezahlt wird. Zweitens sollte die
Stromsteuer auf den EU-Mindestsatz von 0,1 bzw. 0,05 Cent pro
Kilowattstunde abgesenkt werden.
Im aktuellen CO2-Steuermodell
der Schweiz bekommen diejenigen, die wegen eines höheren
CO2-Verbrauchs mehr einzahlen, auch mehr vom Staat zurückerstattet.
Das in der ersten Entlastungsmaßnahme vorgeschlagene Energiegeld ist
demgegenüber stärker auf „Belohnung und Strafe“ ausgerichtet:
Diejenigen, die hohen CO2-Ausstoß verschulden, kriegen im Gegensatz
zum Schweizer Modell nicht mehr zurück als jene mit nachhaltigerem
Verbrauch. Ferner wirken die für alle einheitlichen 100 Euro den
Tendenzen zur Zweiklassengesellschaft entgegen: Es werden nicht die
Reicheren bevorzugt, sondern vielmehr große Familien, da die
Kopfpauschale von 100 Euro für jedes Familienmitglied gezahlt
wird.
Dennoch kann sich die Kluft zwischen Arm und Reich
vergrößern: Ein niedriger CO2-Ausstoß wird am effektivsten durch
den Kauf bzw. Einbau neuerer Technologien wie elektrische Wärmepumpen
und E-Autos erreicht, die für Geringverdiener oftmals schwer
erschwinglich ist. Hier muss jedoch zugegeben werden: Das
Sofortprogramm der Grünen enthielt auch die Idee staatlicher
Zuschüsse für den Ausbau
von
Gasheizungen oder für klimafreundlichere Hausisolierungen. Dies
wurde jedoch eher nur grob angeschnitten, ohne konkret zu benennen,
wann wie viel Zuschuss angemessen ist.
Die Stromsteuersenkung
aus der zweiten Entlastungsmaßnahme auf den EU-Mindestsatz von 0,1
bzw. 0,05 Cent pro Kilowattstunde wäre sehr gut. Sie ist aber im
Angesicht der aktuellen Tendenzen komplett unrealistisch: Deutschland
hat bereits den höchsten Strompreis in ganz Europa, der ab 2020
nochmal durch eine Erhöhung der „EEG-Umlage zur Ökostromförderung“
auf 6,756 Cent pro Kilowattstunde angehoben wird. Dass der Preis 2021
von 6,756 auf 0,1 bzw. 0,05 Cent pro Kilowattstunde gesenkt wird ist
mehr als zweifelhaft.
September
2019: Erster Entwurf eines Klimapakets der großen Koalition
Am
19. und 20. September verhandelten CDU und SPD über Maßnahmen in
Verkehr, Gebäudebau und Landwirtschaft für die Klimaziele der
UN-Agenda 2030. Dieser erste Entwurf des Klimapakets sah vor, im Jahr
2021 den CO2-Preis bei zehn Euro pro Tonne anzusetzen und dann bis
2025 stufenweise zu erhöhen: Im Jahr 2022 zunächst auf 20 Euro,
2023 auf 25 Euro, 2024 auf 30 Euro und 2025 schließlich auf 35 Euro
pro Tonne. Dies steht im relativ starken Gegensatz zum Sofortprogramm
der Grünen, das wie erwähnt empfahl, direkt mit 40Euro pro
ausgestoßenen Tonne an CO2 einzusteigen. Auch für Benzin und Diesel
sah der erste Entwurf des Klimapakets der großen Koalition eine
sukzessive Preiserhöhung vor: Zunächst um drei Cent je Liter, dann
bis 2026 um neun bis 15 Cent je Liter.
Neben der Erhöhung des
Spritpreises wurden weitere Maßnahmen festgelegt. So soll die
Pendlerpauschale ab dem Jahre 2021 um fünf Cent erhöht werden.
Konkret heißt das: Ab dem 21. Kilometer der Strecke zur Arbeit
können nicht mehr nur 30 sondern 35 Cent pro Kilometer von der
Steuer abgesetzt werden. Doch werden durch dieses Modell nur
Geringverdiener dazu motiviert, aufs Auto zu verzichten, während
Besserverdiener paradoxerweise durch das Benutzen ihres SUV sogar
abkassieren: Der Weg zur Arbeit per Auto lohnt sich für jene, die
durch die gefahrenen Kilometer mehr von der Pauschale einnehmen als
sie durch die oben erwähnten Spritpreiserhöhungen Verluste machen.
Dies trifft gerade auf die Besserverdiener zu, da jene mehr
rausholen, wenn die 35 Cent pro Kilometer von deren höherem
Steuersatz abgesetzt werden. Die Pendlerpauschale hätte hier
wesentlich geschickter geregelt werden müssen. Man hätte ihre Höhe
nicht an die Höhe des Einkommens bzw. des Steuersatzes koppeln
dürfen. Auch wäre es angemessener gewesen, für Zug- und
Autofahrten jeweils verschiedene Pauschalen einzurichten und nur die
für Zugfahrten zu erhöhen. Dann bestünden eher Gründe, den Zug
dem Auto vorzuziehen.
Aber immerhin sieht das im September von
der großen Koalition beschlossene Klimapaket vor, die Mehrwertsteuer
auf Bahnfahrkarten im Fernverkehr zu senken. Umgekehrt soll das
Fliegen durch eine höhere
Luftverkehrsabgabe
teurer werden. Auch sollen bis 2030 sieben bis zehn Millionen E-Autos
und eine Millionen Ladestationen zugelassen werden. Bezüglich der
Wirtschaft wurde festgelegt, dass ab Mitte der 20er-Jahre deutsche
Firmen möglichst komplett in den europäischen Emissionshandel
überführt werden sollen: In den Handel, bei dem Firmen für ihren
hohen CO2-Ausstoß CO2-Zertifikate von anderen Firmen aufkaufen
müssen, die weniger CO2 ausstoßen.
Ferner wurden in den
Verhandlungen im September einige Punkte des Sofortprogramms der
Grünen teilweise umgesetzt. So sollen die Stromkosten durch Senkung
der EEG-Ökostrom-Umlage ab 2021 verringert werden. Wie hoch diese
Senkung sein soll, steht allerdings noch aus. Doch dafür wurde die
staatliche Förderung klimafreundlicher Umbauten, die im
Sofortprogramm der Grünen eher nebenbei erwähnt wurde, zumindest
geringfügig konkretisiert:
Beim Austausch einer alten Ölheizung gegen ein klimafreundlicheres
Modell sollen bis zu 40 Prozent der Kosten vom Staat übernommen
werden. Ab 2026 ist geplant, den Einbau von Ölheizungen komplett zu
verbieten.
Dezember 2019: Kritik an zu geringen Maßnahmen
Am
15.11. 2019 wurde die CO2-Steuer nach den Bestimmungen des kleinen
Klimapaket-Entwurfs aus dem September zunächst offiziell festgelegt.
Was darauf folgte war eine Welle voller Empörung, dass der CO2-Preis
viel zu gering sei. In allen Nachrichtensendungen und Talk Shows war
die Kritik der Grünen zu hören – und die große Koalition gab dem
heftigen Druck nach. In der Nacht vom 15. zum 16.12.2019 erfuhr der
CO2-Preis, der im September mit dem ersten Entwurf des Klimapakets
festgelegt wurde, eine deutliche Erhöhung: Der für 2021 geplante
Einstiegspreis von zehn Euro pro Tonne wurde auf 25 Euro gesteigert.
Und aus den 35 Euro pro Tonne, auf die der Preis bis zum Jahr 2025
wachsen sollte, wurden nun 55 Euro pro Tonne gemacht.
Fazit
Viele
der Maßnahmen, die angeblich die Mittelschicht von der CO2-Steuer
kompensieren sollen, entpuppen sich leider entweder als unrealistisch
oder bevorzugen gar die Besserverdiener. In die Kategorie
„unrealistisch“ fällt vor allem die versprochene
Stromsteuersenkung: Deutschland hat bereits jetzt den teuersten
Strompreis Europas, der im Jahr 2020 durch eine Erhöhung der
EEG-Umlage auf 6,756 Cent pro Kilowattstunde angehoben wird. Kann da
im Jahr 2021 die versprochene Absenkung der EEG-Grundlage erfolgen,
welche die sozial Schwächeren von der im Dezember nochmal mehr als
nur verdoppelten CO2-Steuer entlastet?
Auch
die staatlichen Förderungen bei Umbauten wie den Austausch von
Gasheizungen müssten direkt höher festgelegt werden als man es bei
Politikerversprechen gewohnt ist. Denn während die CO2-Preise
stufenweise von 25 Euro (2021) auf 55 Euro pro Tonne CO2 (2025)
ansteigen, wachsen die Fördermaßnahmen nicht an. Für
mittelständische Unternehmen könnte dies zu einer Gefahr der
Abhängigkeit von staatlichen Förderungen ausufern, die die freie
Marktwirtschaft massiv einschränken – und zwar durch den Handel
mit Emissionszertifikaten. Mit hoher Wahrscheinlichkeit werden viele
kleinere Firmen es nicht schultern, sich klimafreundlichere Anlagen
zu leisten und zugleich im Wettbewerb mit den Großunternehmen zu
bleiben. Kleinere Unternehmen werden so davon abhängig, sich von den
größeren, für welche die besagten Anlagen erschwinglich sind,
CO2-Zertifikate abzukaufen. Dies können mittelständische
Unternehmer nur abfedern, indem sie sich von staatlichen Subventionen
für klimafreundlichere Technologie abhängig machen.
Hier
wird also keine kleinere Firma dafür belohnt, aus ihren gegebenen
Möglichkeiten heraus was für die Umwelt zu tun. Vielmehr sind die
zu belohnenden Ziele so festgelegt, dass sie nur von bereits
erfolgreichen Firmen erfüllt werden können. Mittelständische
Unternehmer werden bestraft – aber nicht für Umweltsünden,
sondern eher für ihre Armut. Ähnliches fiel vor allem bei
Pendlerpauschale auf. Diese fördert Besserverdienende, die mit einem
SUV fahren, so stark, dass letztere trotz der höheren Spritkosten
Gewinn machen.
Solche Verdrehungen
des
eigentlichen Ziels rühren oft daher, den Klimaschutz auf die
CO2-Verteufelung
zu
reduzieren. Dadurch werden bessere Alternativen übersehen. Das CO2
sollte vielmehr auch gezielt in seiner natürlichen Funktion der
Sauerstoffproduktion durch Fotosynthese genutzt werden.
Dabei
kann sogar über die bloße Aufforstung hinausgegangen werden: Eine
Alternative wäre zum Beispiel auch der Anbau von Algen, die bei der
Fotosynthese zusätzlich eine Biomasse absondern, die
für folgende Zwecke benutzt werden kann: Zur Energieerzeugung,
für Biokraftstoffen, als Essen für Fische oder als Bio-Öl. Die Alternative „Algenanpflanzung“ stößt
natürlich auch die Säuberung der Meere von Plastik mit an. Auch von
dort aus würden sich schnell weitere Alternativen eröffnen – wie
zum Beispiel Plastik aus Hanf, das sich nach dem Wegwerfen in der
Natur biologisch abbaut. Die Meeressäuberung
gehört übrigens auch zu den 17 Nachhaltigkeitszielen der UN-Agenda
2030. Aber dieses Ziel wurde im Jahre 2019 in keinster Weise von der
Politik angeschnitten.
Tobias Hachmann
Fotos: Campact