Münster - (SMS) - Das Foucaultsche Pendel schwingt wieder in der Dominikanerkirche. Am Donnerstag, 16. September, wurde die Kugel an ihrem Stahlseil befestigt, und der elektromagnetische Antrieb für das Pendel gestartet. Damit ist Gerhard Richters Installation "Zwei Graue Doppelspiegel für ein Pendel" wieder komplett. Die verspiegelten, sechs Meter hohen Glasbahnen waren bereits vor einigen Wochen in die profanierte Barockkirche an der Salzstraße zurückgekehrt.
Mitarbeiter des Fachbereichs Physik der Uni Münster, Feinmechaniker Norbert Bücker, Inhaber der NBF GmbH aus Roxel, und die Projektverantwortlichen des Amtes für Immobilienmanagement waren am Donnerstag vor Ort. Sie haben den technischen Teil des Kunstwerks, das Richter 2018 der Stadt Münster übergeben hatte, wieder in Betrieb genommen. Anfang 2020, als die Kirche für den Umbau zum Veranstaltungsort geschlossen wurde, wurden Spiegel und Kugel eingelagert, damit sie während der Bauarbeiten keinen Schaden nehmen.
"Es dauert jetzt einige Tage, bis sich die 48 Kilo schwere Messingkugel an ihrem mehr als 20 Meter langen Stahlseil eingependelt hat", sagt Annegret Mantke, Projektleiterin für den Umbau der Dominikanerkirche im Amt für Immobilienmanagement. Läuft alles nach Plan, behält das Foucaultsche Pendel dann seine Schwingungsebene von vier Metern konstant bei. Über eine Kamera werden die Bewegungen des Pendels über der Bodenplatte aus Grauwacke in den kommenden Tagen beobachtet. Perfekt eingependelt sind Kugel und Seil, wenn sich im Verlauf einer Stunde die steinerne Ebene unter dem Pendel um etwa zwölf Grad entgegen dem Uhrzeigersinn dreht. Für eine vollständige Rotation um 360 Grad werden in Münster etwa 30 Stunden benötigt – die Dauer ist abhängig vom Standort zwischen Pol und Äquator.
Mit einem solchen Pendelversuch hatte der Physiker Léon Foucault erstmals im Jahr 1851 die Erdrotation ohne Himmelsbeobachtungen sichtbar gemacht. Für geduldige Beobachterinnen und Betrachter eines Foucaultschen Pendels sieht es aus, als beschreibe das Pendel eine langsame Kreisbewegung – es ist aber die Erde, die sich unter ihm hinwegdreht.
In Münster sorgt aufwändige, vom Institut für Physik der Westfälischen Wilhelms-Universität entwickelte Technik dafür, dass das Foucaultsche Pendel ununterbrochen und gleichmäßig in Bewegung bleibt. In der Kugel befindet sich ein Permanentmagnet, und genau unter dem Mittelpunkt der Bodenplatte ist ein regelbarer Elektromagnet eingebaut. Er wird immer dann kurz ein- und ausgeschaltet, wenn das Pendel über dem Mittelpunkt schwingt – blitzschnell und mit der passenden Energiemenge. Der elektromagnetische Impuls lässt das Pendel jeweils zwei Meter über den Mittelpunkt hinaus schwingen. Mehr als anderthalb Jahre stand dieser Motor still. Im August wurde er erstmals überprüft, nun läuft er wieder dauerhaft.
Die Kugel wieder an ihrem Seit zu befestigen, war im Vergleich dazu einfach – aber dennoch Millimeterarbeit: Eine innenliegende Schraubverbindung fügt beides so zusammen, dass das Pendel nun mit 3,5 Zentimetern Abstand über dem Mittelpunkt der Steinplatte hängt.
Das Stahlseil selbst wurde während der Umbauarbeiten nicht abgenommen,
es war in seinem Tragesystem unter- und oberhalb der Vierungskuppel
verblieben. Die NBF GmbH hat diese rund drei Meter hohe Konstruktion im
Gewölbe so entwickelt, dass sie den physikalischen Effekt, der die
Drehung der Pendelebene verursacht, nicht verfälscht oder abschwächt.
Voraussichtlich im November ist die Installation "Zwei Graue Doppelspiegel für ein Pendel" in der Dominikanerkirche wieder zugänglich für Besucherinnen und Besucher.
Foto: Millimeterarbeit für Dr. Klaus-Jürgen Tombrink vom Institut für
Physik der Uni Münster (l.) sowie Maximilian Ahlers von der NBF
Feinmechanik GmbH: Gemeinsam fügten sie Stahlseil und Messingkugel des
Foucaultschen Pendels in der Dominikanerkirche wieder zusammen. Foto:
Stadt Münster/Michael C. Möller.
Foto: Der Antrieb läuft, das Foucaultsche Pendel wird sich nun einschwingen. Darüber freuen sich (v.l.) Maximilian Ahlers und Norbert Bücker (NBF Feinmechanik GmbH), Sandor Söter und Dr. Klaus-Jürgen Tombrink (Institut für Physik, Uni Münster), Annegret Mantke vom Amt für Immobilienmanagement sowie Dr. Andreas Gorschlüter (Institut für Physik, Uni Münster). Foto: Stadt Münster/Michael C. Möller.