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Über eine Million Demonstranten an Neujahr auf Hongkongs Straßen

"Wir erwarten weitere Repressionen. Wir müssen uns aktiv auf den Kampf vorbereiten", rief Sham der Menschenmenge zu

Mehr als eine Million Menschen sind am Neujahrstag für mehr Demokratie in Hongkong auf die Straße gegangen. Die Zahl der Teilnehmer habe wohl die vom Marsch am 9. Juni übertroffen, erklärte die Bewegung Civil Human Rights Front (CHRF) am Mittwoch. Nach Zusammenstößen zwischen gewaltbereiten Demonstranten und der Polizei musste die genehmigte Veranstaltung vorzeitig beendet werden. Die Polizei nahm rund 400 Menschen fest.

"Es ist traurig, dass unsere Forderungen aus dem Jahr 2019 auf das Jahr 2020 übertragen werden müssen", sagte Jimmy Sham, der die Civil Human Rights Front anführt. Die Dachorganisation CHRF hatte die Kundgebung organisiert. "Wir erwarten weitere Repressionen. Wir müssen uns aktiv auf den Kampf vorbereiten", rief Sham der Menschenmenge zu.


Die Neujahrskundgebung war von den Behörden erlaubt worden. An einigen Stellen der geplanten Protestroute waren Polizisten in Schutzausrüstung postiert. Nach einem friedlichen Start des Protestzugs durch das Zentrum von Hongkong Island kam es in mehreren Bezirken zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen vermummten Demonstranten und Polizisten. Die Polizei setzte Tränengas, Pfefferspray und Wasserwerfer ein, die Demonstranten warfen Molotow-Cocktails, errichteten Barrikaden und beschädigten Geschäfte wie Filialen der Kaffeehauskette Starbucks und der Bank HSBC, denen sie Nähe zur Regierung in Peking vorwerfen. 

Nach dem Beginn der Zusammenstöße forderten die Behörden die Auflösung der Demonstration, wie die Organisatoren mitteilten. "Wir glauben, dass die Zahl der Teilnehmer am heutigen Protestzug die 1,03 Millionen vom 9. Juni überschritten hat", teilte CHRF mit. Der Massenprotest vom Juni gilt als Beginn der seit Monaten andauernden, teils gewaltsamen Demonstrationen in der chinesischen Sonderverwaltungszone.

Bei Einbruch der Dunkelheit sahen AFP-Journalisten, wie Polizisten rund hundert Demonstranten umzingelten und festhielten. Nach eigenen Angaben nahm die Polizei rund 400 Menschen fest. 

Schon in der Silvesternacht war es am Rande von friedlichen Protesten zu Zusammenstößen zwischen Demonstranten und der Polizei gekommen. Einige Protestierende setzten Barrikaden in Brand. Die Beamten gingen mit Tränengas und Wasserwerfern gegen die Aktivisten vor.

In Hongkong hatten vor knapp sieben Monaten Massenproteste gegen die pekingtreue Führung begonnen, die teilweise in Gewalt umschlugen. Bei den Kommunalwahlen im November hatte Regierungschefin Carrie Lam zwar ein Debakel erlebt, dennoch gibt es weder bei ihr noch in Peking Anzeichen für Zugeständnisse an die Demokratiebewegung. Zu den zentralen Forderungen bei den Protesten zählen die Freilassung der inzwischen rund 6500 festgenommenen Demonstranten, eine unabhängige Aufarbeitung der Polizeigewalt und das Recht zur freien Wahl des Regierungschefs. 

In einem offenen Brief an die Hongkonger Regierungschefin Lam forderten unterdessen 38 Parlamentarier sowie Würdenträger aus 18 Ländern, einen Prozess für demokratische politische Reformen einzuleiten und die Polizei zu größtmöglicher Zurückhaltung anzuhalten. Zudem müsse die Polizeigewalt der vergangenen Monate aufgearbeitet werden, hieß es in dem Brief, den auch die Grünen-Sprecherin für Menschenrechte und humanitäre Hilfe im Bundestag, Margarete Bause, unterzeichnete.

ck/cp

Xinqi Su und Yan Zhao / © Agence France-Presse