Gleichzeitig Ökostrom erzeugen und Insekten sowie Niederwild einen Lebensraum bieten – möglich ist das für die Landwirtschaft im Kreis Steinfurt durch ein außergewöhnliches Projekt, das die Kreisverwaltung nun bereits im zweiten Jahr fördert. Denn über den Verein "Nachhaltiger Westen e.V." haben Landwirtinnen und Landwirte auch in diesem Jahr wieder eine Förderung des Kreises erhalten, wenn sie für die Verwertung in Biogasanlagen statt Mais mehrjährige Wildpflanzen angebaut haben. Die Idee dahinter: Während Mais zwar ertragreich bei der Erzeugung von Biogas ist, hat er Insekten und Wildtieren als Monokultur wenig zu bieten. Eine Blühfläche ist dagegen ein idealer Lebensraum für sie und kann später als "bunte Biomasse" trotzdem zur Biogaserzeugung genutzt werden.
"Da die Blühmischung in der Biogasanlage allerdings einen geringeren Ertrag bringt als Mais, gleicht der Kreis Steinfurt den Landwirtinnen und Landwirten den dadurch entstehenden Verlust aus und fördert sie mit 350 Euro pro Hektar Blühfläche im Jahr", erklärt Judith Minker, Biodiversitätsbeauftragte des Kreises Steinfurt. Insgesamt stellt die Kreisverwaltung den Teilnehmenden jährlich 80.000 Euro zur Verfügung. Der Kreistag unterstützt das Projekt mit breiter Mehrheit. Zusätzlich beteiligt sich auch die Deutsche Wildtier Stiftung mit rund 8.600 Euro Fördermitteln an dem Projekt.
"Damit leisten wir als Kreis Steinfurt einen wichtigen Beitrag zur Förderung der Biodiversität und zur Bekämpfung des Insektensterbens. Zusätzlich sind die Blühflächen auch Lebensraum für Niederwild, sodass im Rahmen des Projektes der Naturschutz, die Landwirtschaft und die Jägerschaft an einem Strang ziehen", erläutert Landrat Dr. Martin Sommer.
Zurzeit beteiligen sich rund 50 Landwirtinnen und Landwirte aus dem Kreisgebiet und kommen gemeinsam auf 84 Hektar Blühfläche. Ist die Saatgutmischung einmal eingesät, kann bis zu fünf Mal – jeweils im Spätsommer – geerntet werden. Ein Hektar ergibt dann rund 30 Tonnen Blühmasse. Alle Beteiligten, die die Förderung zurzeit erhalten, haben sich freiwillig und geschlossen dazu entschieden, jedes Jahr mindestens zehn Prozent der Fläche stehenzulassen, um Insekten und Wild auch weiterhin Raum zu bieten.
Ein zusätzlicher Vorteil der bunten Blühmasse: Die in der Mischung enthaltene Artenvielfalt an Blühpflanzen – dazu gehören beispielsweise der gelbe Steinklee, der Natternkopf und die Wilde Möhre – sorgt auch für ein attraktives Landschaftsbild.
Die Initiative für das Projekt ging von der Kreispolitik aus. Den entsprechenden Antrag hatte die UWG-Fraktion eingebracht. Der Verein "Nachhaltiger Westen e.V." beschafft das Saatgut und übernimmt die Ausschüttung der Fördermittel des Kreises an die Landwirtinnen und Landwirte. Auch die Struktur des Vereins zeigt, dass hier Landwirtschaft und Jägerschaft zusammenarbeiten: Erster Vorsitzender ist Hans-Georg Guhle, Geschäftsführer des Maschinenrings Steinfurt-Bentheim, zweiter stellvertretender Vorsitzender ist Heinz-Peter Hochhäuser, Leiter des Regionalforstamtes Münsterland.
Wichtige Partner im Projekt sind außerdem die Kreisstelle Steinfurt der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen, der Kreisverband Steinfurt des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes, die Naturstoffzentrale Land und Forst (NLF) sowie die Biologische Station Kreis Steinfurt.
"Ziel ist es, in den kommenden drei Jahren weitere Landwirtinnen und Landwirte für eine Teilnahme zu gewinnen und so die Anzahl an Blühflächen im Kreis deutlich zu erhöhen. Dabei ist aber auch zu berücksichtigen, dass das Projekt aus Naturschutzsicht ein Baustein zur Förderung der Biodiversität von mehreren ist und die Maßnahmen aus dem Vertragsnaturschutz nicht ersetzt", gibt Judith Minker einen Ausblick in die Zukunft. Grundsätzlich sei zu hoffen, dass der Anbau von Wildpflanzen zur Substitution von Energiemais zukünftig im Rahmen der EU-Agrarsubventionen gefördert wird.
Kreis Steinfurt