Giffey ließ zugleich Präferenzen für Sondierungen mit Grünen und CDU erkennen. "Es gibt einen großen Teil der Bevölkerung, der SPD und die Grünen gewählt hat, aber die CDU ist in Berlin fast gleichauf mit den Grünen", sagte die SPD-Spitzenkandidatin im RBB. In Berlin regiert die SPD derzeit gemeinsam mit Grünen und Linken. Laut vorläufigem Ergebnis hat sie nach der Wahl vom Sonntag diverse Möglichkeit zur Bildung von Dreierbündnissen.
Demnach gewann die SPD in der Hauptstadt letztlich klar mit 21,4 Prozent. Die Grüne und die CDU folgten dem vorläufigem amtlichen Ergebnis zufolge annähernd gleichauf mit 18,9 beziehungsweise 18,1 Prozent, wie die Landeswahlleitung mitteilte. Die Linke kam auf 14 Prozent, die AfD erreichte acht Prozent, und die FDP kam auf 7,2 Prozent. Die Wahlbeteiligung betrug 75,7 Prozent.
Die SPD kam damit fast auf ihr Ergebnis von 2016, während sich die Grünen um rund dreieinhalb Prozentpunkte verbesserten und die CDU leicht zulegte. Die Linke verlor etwa anderthalb Punkte, die AfD halbierte ihr Ergebnis fast, die FDP gewann leicht hinzu.
Im neuen Abgeordnetenhaus kommt die SPD dem vorläufigem Ergebnis zufolge auf 36 Mandate. Die Grünen erhalten 32 und die CDU 30 Sitze. Auf die Linke entfallen 24 Mandate, während die AfD 13 Sitze erhält und die FDP zwölf Abgeordnete entsenden kann. Die SPD hat damit bei möglichen Koalitionspartnern die freie Wahl.
Grüne und Linke werteten das Ergebnis am Montag als Bestätigung der bisherigen rot-rot-grünen Regierung, zugleich boten CDU und FDP der SPD Koalitionsgespräche an. Die Grünen-Spitzenkandidatin Bettina Jarasch sagte im ARD-"Morgenmagazin", die Berlinerinnen und Berliner hätten ein "deutliches Zeichen" gegeben, dass sie "eine ökosoziale Koalition" wollten.
Der Linken-Spitzenkandidat und bisherige Kultursenator Klaus Lederer sprach im RBB von einem "Wählerauftrag, Rot-Rot-Grün in Berlin zu sondieren". CDU-Kandidat Kai Wegner rief die SPD zu Verhandlungen mit seiner Partei auf. "Wenn wir einen Neustart wollen, dann stehen wir bereit", sagte er im RBB. Auch FDP-Spitzenkandidat Sebastian Czaja zeigte sich dort "bereit für Gespräche".
Parallel zur Abgeordnetenhauswahl nahmen die Berlinerinnen und Berliner an Sonntag auch den Volksentscheid "Deutsche Wohnen & Co. enteignen" an. 56,4 Prozent votierten laut Landeswahlleitung dafür, 39 Prozent dagegen. Voraussetzung für eine Annahme des war dabei, dass die Mehrheit der Berliner Wählerinnen und Wähler - mindestens aber 25 Prozent der Stimmberechtigten - zustimmt.
Das Ziel des Volksentscheids der gleichnamigen Bürgerinitiative ist die Vergesellschaftung von Wohnungen von Immobilienkonzernen in Berlin. Betroffen wären nach den Plänen der Initiative alle "privaten profitorientierten Immobiliengesellschaften", die mehr als 3000 Wohnungen in der Hauptstadt besitzen. Da der Entscheid kein konkretes Gesetz oder eine Verfassungsänderung zum Inhalt hat, ist das Ergebnis jedoch nicht bindend. Der Berliner Senat ist nicht verpflichtet, ein entsprechendes Gesetz auszuarbeiten.
Die Initiative hinter dem Volksentscheid zeigte sich am Montag dennoch optimistisch, dass dieser reale politische Folgen haben werde. Sollte die Landesregierung ein "so eindeutiges Ergebnis" ignorieren, werde dies auch eine "Gegenreaktion der Bevölkerung" nach sich ziehen, sagte Sprecher Rouzbeh Taheri im RBB.
Auch bei Koalitionsgesprächen könnte der Umgang mit dem Entscheid für Streit sorgen. Die Linke unterstützt ihn, die Grünen können ihn sich als letztes Mittel vorstellen, CDU und FDP lehnen ihn ab. Auch Giffey machte vor der Wahl deutlich, dass sie nichts von Enteignungen hält. Nach dem Ergebnis kündigte sie aber an, den Entscheid zu respektieren und die "notwendigen Schritte" einzuleiten.
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