Dass der Präsident persönlich im Kongress erscheint, ist höchst ungewöhnlich - und zeigt den Ernst der Lage. Biden will ein 1,2 Billionen Dollar (rund eine Billion Euro) teures Infrastrukturpaket und ein 3,5 Billionen Dollar schweres Paket mit Sozialmaßnahmen durch den Kongress bekommen. Beide Vorhaben könnten aber wegen eines erbitterten Streits zwischen dem progressiven und dem moderaten Demokratenflügel scheitern.
Das Repräsentantenhaus sollte eigentlich schon am Donnerstag das bereits im Senat beschlossene Infrastrukturpaket verabschieden, das Milliarden für Straßen, Brücken, Zugstrecken und den Ausbau des Breitbandinternets vorsieht. Linke Abgeordnete drohen aber, das Infrastrukturpaket scheitern zu lassen, wenn nicht zugleich die geplanten Sozialreformen vorankommen.
Sie fürchten, dass das Reformpaket für Bildung, Familien, bessere Kinderbetreuung, einen Ausbau der staatlichen Krankenversicherung und den Klimaschutz im Senat versanden könnte, wenn das Infrastrukturpaket erst einmal beschlossen ist und sie damit kein Druckmittel mehr haben. Denn zwei demokratische Senatoren - die Mitte-Politiker Joe Manchin und Kyrsten Sinema - lehnen das Sozialpaket als zu teuer ab. Manchin bezeichnet das Vorhaben als "fiskalischen Irrsinn" und will nicht mehr als 1,5 Billionen Dollar genehmigen.
Weil die Demokraten im Senat nur über eine hauchdünne Mehrheit verfügen, können sie sich nicht einen einzigen Abweichler leisten - was Manchin und Sinema eine unglaubliche Macht gibt. Mit ihrer Haltung haben die beiden Senatoren, die gemeinsam den Spitznamen "Manchinema" erhalten haben, den Zorn vieler Demokraten auf sich gezogen, zumal sie im Alleingang Bidens Reformagenda begraben könnten.
Seit Tagen suchen das Weiße Haus und die Spitzen der Demokraten im Kongress fieberhaft nach einem Kompromiss. Die Vorsitzende des Repräsentantenhauses, die Demokratin Nancy Pelosi, wollte noch am Freitag über das Infrastrukturpaket abstimmen lassen. Sie dürfte den Text aber nur zur Abstimmung vorlegen, wenn sie sich einer Mehrheit sicher ist.
Der Streit über die beiden gigantischen Investitionspakete ist nicht Bidens einzige Sorge. Den USA droht Mitte Oktober auch die Zahlungsunfähigkeit, wenn bis dahin nicht die Schuldenobergrenze angehoben wird. Die Demokraten müssen hier gegen den Widerstand der oppositionellen Republikaner ankämpfen.
Abgewendet werden konnte dagegen in letzter Minute eine Haushaltssperre, die ab Freitag gedroht hätte: Der Kongress verabschiedete am Donnerstag einen Übergangshaushalt, der eine Finanzierung der Bundesbehörden bis zum 3. Dezember sicherstellt.
Ohne die Übergangslösung wären die USA in einen sogenannten Shutdown gerutscht. Dann wären hunderttausende Bundesbedienstete in den unbezahlten Zwangsurlaub geschickt worden, zahlreiche öffentliche Einrichtungen wie Behörden, Museen und Nationalparks hätten bis auf Weiteres schließen müssen.
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