OLG Braunschweig – Musterfeststellungsklage VW: Volkswagen und der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) haben im Musterprozess um mögliche Entschädigungen für Hunderttausende Dieselfahrer mit Vergleichsverhandlungen begonnen. Sie befänden sich nach Aussage von VW und vzbv jedoch noch in einem frühen Stadium, es sei unklar ob es tatsächlich zu einem Vergleich kommen werde. Dies berichten u.a. SZ (Klaus Ott), taz (Christian Rath), Hbl (Stefan Menzel, Dietmar Neuerer/Volker Votsmeier) und lto.de. Rund 2,4 Millionen Kunden hatten VW-Dieselfahrzeuge gekauft, bei denen die Abgasreinigung nur auf den Prüfstanden einwandfrei funktionierte, nicht hingegen bei der gewöhnlichen Nutzung auf der Straße. In vielen Fällen fordern sie nun Schadensersatz wegen des gesunkenen Wiederverkaufswertes ihrer Fahrzeuge. Rund 444.000 von ihnen gehen gemeinsam per Musterfeststellungsklage gegen VW vor, 60.000 weitere bei anderen Gerichten. Die Ansprüche aller anderen Kunden sind nach Ansicht des VW-Konzerns spätestens seit Ende 2019 verjährt. Hbl (Volker Votsmeier) verweist in einem separaten Artikel auf die hohen Rechtskosten für VW, welche sich durchaus im Milliardenbereich bewegen könnten.
Klaus Ott (SZ) kritisiert den VW-Konzern. Er habe mithilfe teurer Anwälte und jedes zulässigen Tricks ein mögliches Grundsatzurteil so lange hinausgezögert, bis weitere Klagen offenbar verjährt wären. Diese harte Linie möge sich finanziell auszahlen, unternehmenspolitisch sei dieser Umgang mit den Kunden für Volkswagen aber eine Bankrotterklärung. Felix W. Zimmermann (zdf.de) verweist insbesondere auf technische Schwierigkeiten bei der Berechnung eines Schadensersatzes auf Grundlage eines möglichen Vergleichs. Wer beispielsweise schon 200.000 Kilometer mit dem gekauften Dieselfahrzeug gefahren sei, bekäme gerichtlich weit weniger zugesprochen als eine Person, die erst 20.000 Kilometer unterwegs war. Eine pauschale Schadensersatzsumme sei daher nicht gerecht.
Kinderpornographie zur "Keuschheitsprobe": Der ehemalige Bundesrichter Thomas Fischer befasst sich in seiner spiegel.de-Kolumne mit den Plänen der Bundesregierung, Ermittlern im Bereich der Kinderpornographie das Verwenden sogenannter "Keuschheitsproben" zu erlauben. Danach sollen Polizeibeamte mit Computertechnologie erstelltes fiktionales kinderpornographisches Material herstellen und verbreiten dürfen, um so Zugang zu pädophilen Netzwerken im Internet erlangen zu können. Der tatsächliche Nutzen sei jedoch zweifelhaft. Es sei zu erwarten, dass die Betreiber derartiger Netzwerke die Anforderungen an "Keuschheitsproben" bald so anpassen würden, dass computergeneriertes Material nicht mehr ausreiche. Im Übrigen kritisiert Fischer die undifferenziert dramatisierende Sprache, wenn von Kinderpornographie die Rede ist.
Digital Economy: In einem Gastbeitrag für die FAZ kritisiert Rechtsanwalt Friedrich Graf von Westphalen die EU-Richtlinie 2019/770 zu digitalen Dienstleistungen. Diese erlaube erstmals einem Verbraucher, für digitale Dienstleistungen nicht mehr mit Geld zu bezahlen, sondern durch die Gestattung der Nutzung seiner personenbezogenen Daten. Der Verbraucher werde so zum Objekt und damit zum Gegenteil dessen, was Juristen das privatautonom agierende Rechtssubjekt nennen würden.
BGH zu künstlicher Befruchtung bei später Mutterschaft: Krankenversicherungen können verpflichtet sein, auch älteren Frauen die Kosten einer künstlichen Befruchtung zu erstatten. Dies hat der Bundesgerichtshof nach Meldung u.a. von zeit.de entschieden. Im Fall ging es um eine 44-jährige Frau, deren Mann auf natürlichem Wege keine Kinder zeugen konnte. Die Krankenkasse hatte die Kostenübernahme in Höhe von 17.500 Euro mit dem Hinweis auf das erhöhte Risiko von Fehlgeburten abgelehnt. Der BGH entschied nun, dass für die Einstufung einer künstlichen Befruchtung als medizinisch notwendige Heilbehandlung allein die Wahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft entscheidend sei, nicht deren weiterer Verlauf. Anders liege es lediglich, wenn wegen der Gesundheit der Eltern eine lebende Geburt unwahrscheinlich sei.
BAG – Betriebsratsmitbestimmung auf Twitter: community.beck.de (Christian Rolfs) wirft den Blick auf ein im Februar 2020 anstehendes Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht. Dieses werde über die Frage verhandeln, ob der (Gesamt-)Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht bei der Einrichtung eines Twitter-Accounts durch die Arbeitgeberin aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 Betriebsverfassungsgesetz geltend machen könne.
OLG Frankfurt/M. zu Änderung des Nachnamens: Der Nachname eines Kindes darf auch gegen den Willen des Vaters geändert werden, wenn dies für das Wohl des Kindes erforderlich ist. Dies hat das Oberlandesgericht Frankfurt entschieden, wie u.a. zeit.de (Alena Kammer) und lto.de berichten. In dem Fall ging es um ein Mädchen, das seit 2014 keinen Kontakt mehr mit seinem Vater hat. Die Mutter ist inzwischen wiederverheiratet und trägt den Familiennamen des zweiten Ehemannes, den auch eine inzwischen geborene weitere Tochter trägt. Das Gericht nahm an, dass das Mädchen durch die Verschiedenheit ihres Namens und dem der Mutter sowie der Halbschwester außerordentlich belastet würde. Damit sah das Gericht bereits eine niedrigere Schwelle als ausreichend für die Namensänderung an als der Bundesgerichtshof. Dieser verlangt für eine Namensänderung gegen den Willen des Vaters, dass bereits konkrete Umstände für eine tatsächliche Kindeswohlgefährdung vorliegen. Mit Blick auf die abweichende Rechtsprechung des BGH aus dem Jahre 2005 hat das Gericht die Rechtsbeschwerde zum BGH zugelassen.
VG Münster zu angebundenen Rindern: Rinder, die in Anbindehaltung untergebracht sind, müssen zumindest im Sommer täglich Auslauf bekommen. Diese Entscheidung des Verwaltungsgerichts Münster meldet lto.de. Bei der Haltung werden die Tiere mittels einer kurzen Kette, eines Strickes oder eines Eisengestänge am Hals im Stall fixiert. Das Gericht sieht hierdurch nahezu alle durch das Tierschutzgesetz geschützten Grundbedürfnisse der Rinder stark eingeschränkt. Als Folge der Bewegungsarmut könne es auch zu gehäuften Erkrankungen und Schmerzen kommen. Folglich sei eine Anordnung des Kreisveterinäramts rechtmäßig gewesen, wonach die Kühe zumindest vom 1. Juni bis zum 30. September eines jeden Jahres täglich für mindestens zwei Stunden Auslauf bekommen müssen.
Videokonferenz in Zivilverfahren: lto.de (Annelie Kaufmann) berichtet über die Erfahrungen der Justiz mit der Videokonferenz in Zivilverfahren. Bereits seit einigen Jahren bestehe diese Möglichkeit nach § 128a Zivilprozessordnung, werde jedoch von den Gerichten unterschiedlich häufig genutzt. Insbesondere werde die Übertragung von Anwälten beantragt, die sich hiermit eine weite Anreise ersparen könnten. Sie biete sich an, wenn keine umfangreichen Verhandlungen zu erwarten seien oder nur bestimmte Rechtsfragen erörtert werden müssten.
Neuer G20-Prozess in Hamburg: Die taz (Marco Carini) berichtet über ein anstehendes Mammutverfahren zur Aufarbeitung der Vorfälle beim G20-Gipfel in Hamburg im Juli 2017. Es gehe um das Geschehen in der Straße Rondenbarg, in der etwa 150 bis 200 überwiegend dunkel gekleidete Demonstranten und eine Hundertschaft der Bundespolizei aneinandergerieten. Anders als bei anderen Ausschreitungen während des G20-Gipfels sei hier jedoch kein nennenswerter Sach- und kein Personenschaden entstanden. Die Anklageschrift gehe von einer sehr weiten strafrechtlichen Haftung aller Demonstrationsteilnehmer aus, etwa für gemeinschaftlich begangenen schweren Landfriedensbruch, ungeachtet des jeweiligen konkreten Tatbeitrages. Es sei derzeit noch unklar, ob das Verfahren vor dem Amtsgericht oder dem Landgericht stattfinden werde.
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