Angesichts der explosiven Lage im Irak hat die Bundeswehr die Ausbildung von Sicherheitskräften dort vorübergehend ausgesetzt. Betroffen sei das deutsche Einsatzkontingent an den Standorten im nordirakischen Erbil und im zentralirakischen Tadschi, teilte die Bundeswehr in der Nacht zu Samstag mit. SPD-Chefin Saskia Esken begrüßte die Entscheidung. Sie sei notwendig, um die deutschen Soldaten zu schützen. Möglicherweise müsse auch das Mandat der Bundeswehr überprüft werden, sagte Esken im Deutschlandfunk.
Dabei komme es darauf an, wie sich die Situation vor Ort entwickele, sagte Esken in dem Interview am Samstagmorgen weiter. Sie verwies auch auf mögliche Entscheidungen bei den Vereinten Nationen, die Einfluss auf das Mandat hätten. Die Ausbildungsmission sei ausgesetzt worden, weil man "die Situation gerade im Moment, was den Fortgang der Mission angeht, noch nicht beurteilen kann".
Das Mandat für die Ausbildung der irakischen Sicherheitskräfte ("Capacity Building") war am 24. Oktober 2019 vom Bundestag verlängert worden und läuft bis Ende Oktober 2020. Politiker der Grünen und der Linkspartei fordern ein Ende der Bundeswehr-Mission im Zentralirak. Auch der Wehrbeauftragte des Bundestages, Hans-Peter Bartels, äußerte Bedenken gegen die Fortsetzung des Bundeswehr-Einsatzes im Irak.
Esken bekräftigte im Deutschlandfunk die Forderung der SPD, den Einsatz der deutschen Tornado-Aufklärungsflieger zu beenden, die in Jordanien stationiert sind. Das Mandat für die Aufklärungsflüge unter dem Namen "Counter Daesh" läuft noch bis zum 31. März 2020. Die Bundeswehr unterstützt die mehr als 60 Staaten umfassende Anti-IS-Koalition mit Luftaufklärung und der Betankung von Flugzeugen der Partnerländer.
Zu der Ausbildungsmission im Irak teilte die Bundeswehr weiter mit, an den Stützpunkten in Erbil und Tadschi seien "zweckmäßige Maßnahmen der Eigensicherung" zur Anpassung an die aktuelle Sicherheitslage getroffen worden. "Die Sicherheit unserer Soldatinnen und Soldaten hat oberste Priorität", hieß es auf der Internetseite der Bundeswehr.
Zuvor hatte der kommandierende General der Anti-IS-Koalition entschieden, die Sicherheitsmaßnahmen für die im Irak stationierten internationalen Truppen zu verschärfen. Derzeit sind im Irak rund 130 Bundeswehr-Soldaten stationiert, davon etwa 30 auf dem Stützpunkt Tadschi sowie in Bagdad und rund 100 Soldaten im kurdischen Nordirak.
Nach der gezielten Tötung des einflussreichen iranischen Generals Kassem Soleimani durch die USA im Irak stehen die Zeichen auf Eskalation. Der Oberste Nationale Sicherheitsrat des Iran drohte den USA am Freitag "schwere Vergeltung" an. Die USA entsenden 3000 bis 3500 zusätzliche Soldaten in den Nahen Osten.
Die Bundesregierung warnte vor einer Spirale der Gewalt in der Region. "Angesichts der jüngsten Entwicklung sehen wir die Gefahr einer Eskalation", sagte Vize-Regierungssprecherin Ulrike Demmer am Freitag.
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