BL.: "Das war erwachsen. Wir haben viel Qualität bei unserem Auftritt gesehen." - Wie haben Sie das gemeint?
PN.: Ich fand, dass wir gegen Essen in der 1. Halbzeit überragend gespielt haben, es in der 2. aber hätten besser machen können. Mit einer etwas reiferen und abgeklärteren Leistung hätten wir sicherlich einen Punkt oder sogar drei holen können. Gegen Straelen haben wir eine reife Leistung auf den Platz gebracht und dem Gegner gezeigt, dass wir deutlich mehr Qualität haben als er selbst. Außerdem hat mir die Reaktion nach dem Spiel gegen Essen gefallen. Die Enttäuschung war bei allen sehr groß. Man kann Spiele verlieren. Aber es ist natürlich sehr ärgerlich nach einer überragenden ersten Hälfte und einer 2:0 Führung. Oft entstehen dann aus kleinen Fehlern große Sachen, häufig ist es dann nicht nur einer, sondern eine Fehlerkette, so war es auch bei uns. Wir haben relativ schnell das Gegentor kassiert, das 2:1, konnten das hohe Tempo der ersten Halbzeit so nicht halten, haben ein Stück weit angefangen zu denken und haben das eigene Tor dann nicht mehr so verteidigt, wie man es machen sollte und deshalb haben wir leider noch 3 Tore kassiert.
BL: Der SCP hat diesmal im 4-4-2-System gespielt. Ist das vielleicht das System der Zukunft für die Preußen?
PN: So wie wir den Fußball interpretieren schauen wir eher auf uns als auf den Gegner, da wir die Qualität besitzen uns nicht nach dem Gegner richten zu müssen sondern unser Spiel durchdrücken möchten und dies häufig auch können. Da kann es mal andere Formationen geben. Aber ganz ehrlich: Bei den ganzen Formationen: Ich kann nachvollziehen, dass Journalisten und auch Trainer darauf schauen in welchem System gespielt wird. Aber wenn ich Ihnen jetzt sage, dass wir nicht im 4-4-2-System, sondern mit einer falschen 9 gespielt haben oder sonst was… Das sind solch kleine Nuancen, die nicht entscheidend sind. Du musst die Taktik ausfüllen mit Leben die der Trainer ausgibt und versuchen dann erfolgreich zu sein. Ob das ein System der Zukunft wird hängt auch davon ab welche Spieler wir zur Verfügung haben und welche Ausrichtung wir favorisieren.
BL: Welche Qualitäten bringt die Neuverpflichtung Robin Ziegele mit?
PN: Ich sehe ihn zentral in der Defensive, er besitzt eine gute Schnelligkeit, bringt eine Grundaggressivität mit und hat schon ein bisschen was gesehen in seinen jungen Jahren, u.a. auch die 2.Liga. Von daher glaube ich, dass er für den Kader ein absoluter Gewinn ist. Er haut sich sicherlich rein, ist also ein sogenannter Mentalitätsspieler.
BL: Ist es angedacht oder möglich den Kader in der Winterpause nochmal zu verstärken?
PN: Ich werde dann die Situation nochmal neu bewerten. Aktuell kann ich es mir nicht vorstellen, weil ich sehr zufrieden mit dem Kader hinsichtlich der Größe und insbesondere der Qualität und dem Charakter bin.
BL: Du hast im Juli 2020 Dein Amt als sportlicher Leiter bei den Preußen angetreten. Das war ja kein leichter Zeitpunkt das Amt anzutreten, da es mitten in der Corona-Krise war. Es sind 8 Spieler der Abstiegsmannschaft geblieben. Von daher mussten viele neue verpflichtet werden. War dies in der Krise eine besondere Herausforderung in finanzieller Hinsicht den Kader aufzubauen?
PN: Es war aus verschiedensten Aspekten schwierig: Zum einen war die Mannschaft gerade abgestiegen, man wusste so gar nicht wo man vom Niveau her in der Regionalliga stehen würde, auch von den finanziellen Möglichkeiten, wieviel kann man investieren aufgrund der Sponsoren die uns erhalten bleiben würden. Zum Glück blieb uns ein Großteil erhalten. Es war für uns alle eine schwierige Situation, die wir, wie ich meine, sehr gut gemeistert haben.
BL: Die folgende Frage muss kommen, auch wenn man sich die Antwort denken kann:
Was ist das Ziel des SCP in dieser Saison?
PN: Man hat aufgrund der bis jetzt gezeigten Leistungen gesehen, dass wir fußballerisch, soweit lehn ich mich auch aus dem Fenster, zu den besten Teams gehören, wenn nicht, das beste sind. Es ist aber sehr eng an der Spitze, da mehrere Traditionsvereine versuchen dort mitzumischen um den Aufstieg. Wir werden eine dieser Mannschaften sein. Ich seh da noch Wuppertal, Oberhausen und Fortuna Köln. Diese drei. Dann gibt es einen Verein der von der Struktur und den finanziellen Möglichkeiten in einer anderen Liga spielt. Das ist Rot Weiß Essen. Die haben wesentlich mehr Möglichkeiten. Da muss schon eine Menge zusammenkommen um konkurrenzfähig zu sein. Ich glaube, dass wir in dem direkten Vergleich gezeigt haben, dass wir konkurrenzfähig sind. Die hatten das Quäntchen Glück auf ihrer Seite.
BL: Wir sind ja immer noch in der Corona-Krise. Sind alle Spieler der ersten Mannschaft geimpft?
PN: Ja, alle in der ersten Mannschaft sind geimpft. Wir haben im Verein eine riesengroße Impfquote. Darüber sind wir sehr glücklich.
BL: Es gibt ja auch in Fußballkreisen Impfverweigerer. Wie würdest Du damit umgehen, wenn das in euren Reihen der Fall wäre?
PN: Grundsätzlich muss das natürlich jeder selbst wissen. Das sehe ich auch in unseren Reihen so. Letztendlich muss ich es ihm freistellen und tue dies auch. Trotzdem muss ich sagen, dass wir eine Gemeinschaft sind, auch über den Fußball hinaus. Wenn jemand Angst davor hat, kann man nichts machen aber wenn man nur zu faul ist das zu tun, dann erwarte ich schon von den Jungs, dass sie verantwortlich im Sinne der Gemeinschaft handeln. Ich bin klar für die Impfung, weil dies der einzige Weg aus der Krise ist. Diese Position habe ich bei Gesprächen mit den Spielern natürlich auch vertreten.
BL: Jetzt mal zu einer schönen Aktion von Dir: Bratwürste und Freibier für etwa 100 Fans die auswärts in Straelen keine digitalisierten Tickets bekommen haben. Wie kam es zu dieser Aktion?
PN: Das war spontan. Mir haben die Fans echt leidgetan. In der Situation hatte ich gedacht, dass sie angereist waren, natürlich gab es gewisse Regeln, die man akzeptieren muss. Andererseits ging es um personalisierte Tickets, die eigentlich nicht mehr notwendig waren. Trotz der Gespräche von Fanseite ließ man sie nicht hinein. Da es während des Spiels war, konnte ich mich in dem Moment nicht darum kümmern. Ich wollte, dass sie ein bisschen mitgenommen werden. Deshalb war es eine spontane Idee Ihnen dies zu ermöglichen. Ich war übrigens mit Thorben Deters bei Herrn Füller, der ältere Herr der gegen Essen von der Treppe gestoßen wurde. Er hat leider noch Schmerzen, aber es geht ihm schon besser und er wird zum Glück nichts Bleibendes davontragen.
Ich muss sagen, dass mich die Vorkommnisse gegen Essen, wie so viele, echt mitgenommen haben. Die Gewaltbereitschaft war enorm. Das war grenzwertig. Ich bin was das angeht harmoniesüchtig und möchte, dass Fußballfeste gefeiert werden mit Fans. Es gab für mich nichts Größeres als vor Zuschauern zu spielen, ob zuhause oder auswärts. Es war immer das größte. Man hat es immer für die Fans gemacht. Ich sehe bei Preußen, das es nur gemeinsam geht. Wir haben als Verein Ziele. Das geht nur gemeinsam mit der Stadt, allen Angestellten und vor allem mit den Fans.
BL: Wie siehst Du die Zusammenarbeit mit den Fans, auch den Ultras? Gibt es da regelmäßigen Kontakt und Treffen?
PN: Ich führe in unregelmäßigen Abständen Gespräche mit den Fan-Gruppierungen, meistens mit Ole Kittner zusammen. Auch mit der neuen Ultra-Gruppierung. Wir tauschen unsere Gedanken aus und probieren ein gutes Miteinander.
BL: Du hast ja eine mehrjährige Vergangenheit in den Niederlanden, mit Twente Enschede, sowohl als Spieler als auch als Funktionär. Gibt es Gedanken deinerseits, aufgrund Deiner Erfahrungen, eventuell eine Kooperation der beiden Vereine im Jugendbereich anzustreben?
PN: Nein, bisher gab es das nicht.
BL: Es könnte ja die Idee sein, dass junge Twente-Spieler, ähnlich wie bei den Zweitvertretungen der Bundesligisten in einer ersten Mannschaft, in diesem Fall dem SCP, Erfahrungen und Spielpraxis sammeln könnten. Wäre das denkbar?
PN: Ja, grundsätzlich habe ich natürlich eine Offenheit nach Holland aufgrund meiner Vergangenheit. Es muss nicht nur verschriftlicht werden, sondern zusammenpassen und mit Leben gefüllt werden. Es könnte natürlich punktuell interessant sein. Man muss konkret die Situation bewerten und schauen ob es dann Sinn macht. Aber grundsätzlich bin ich offen dafür. Das ist keine Frage. Ich sehe, dass die Strukturen bei Preußen Münster sehr klein sind. Wir können viele Dinge nicht so abdecken, wie man es von größeren Vereinen gewohnt ist. Daher muss man bei dem Thema Kooperation oder Weiterbildung von Spielern dies sehr punktuell und von Fall zu Fall bewerten. Aber natürlich sind die Einwohner von Enschede sehr grenzbezogen und haben eine Nähe zu Deutschland. Von daher würde eine Kooperation grundsätzlich Sinn machen.
BL: Was sind eigentlich die Aufgaben eines sportlichen Leiters bei Preußen Münster?
PN: Die Aufgaben sind sehr vielschichtig. Primär geht natürlich darum einen schlagkräftigen Kader zusammenzustellen. Im Alltagsgeschäft bearbeitet man Themen und versucht auftretende (Alltags)-Probleme zu lösen. In struktureller Hinsicht versucht man den Verein immer wieder aufs nächste Level zu hieven. Ich glaube, dass wir es schaffen müssen, die Arbeit auf ganz verschiedene Eckpfeiler zu setzen um ein stabiles Fundament zu haben um darauf sportlichen Erfolg aufzubauen. Bei mir kommt ja auch noch die Jugend dazu. Ich glaube, dass wir dort durch strukturelle Veränderungen einen größeren Nährwert erzielen. Damit haben wir bereits mit der Verpflichtung von Kieran Schulze-Marmeling begonnen. Er ist ein Top-Talente-Trainer und trainiert bei uns die U23 hauptamtlich. Das haben wir hinbekommen und ich glaube, dass dies für Preußen Münster ein Riesengewinn ist. Wir haben in der Kabine viel verändert. Jetzt bekommen wir hoffentlich bald die 2 neuen Plätze. Es ist wie gesagt sehr vielschichtig. Im Grunde ist es ein Fulltime-Job. Wir schaffen es jetzt zum nächsten Sommer hin 2 neue Plätze entstehen zu lassen. Damit können wir infrastrukturell den nächsten Schritt gehen und sind auf einem guten Weg die Voraussetzungen zu schaffen um ein Nachwuchs-Leistungszentrum (NLZ) zu werden. Aktuell sind wir von der Leistung die unsere Jugendabteilung bringt unfassbar stark. Wir sind kein NLZ, spielen trotzdem mit allen Mannschaften in den höchsten Ligen. Das hat bundesweit kein Verein. Wir sind kein NLZ spielen aber ausschließlich gegen Vereine die NLZ sind. Es gibt Auflagen um ein NLZ zu werden. Man braucht beispielsweise 3 exklusive Fußballplätze. Wir haben einen auf dem die gesamte Jugend trainiert. Deshalb werden die 2 jetzt gebaut. Dann muss man Hauptamtlichkeiten haben. Man braucht einen NLZ-Leiter, der hauptamtlich im Verein ist. Deshalb sind finanzielle Mittel hierfür notwendig. Für den Kabinentrakt zum Beispiel ist genau vorgeschrieben, wieviel Quadratmeter dieser haben muss usw..
BL: Jetzt nochmal etwas Persönliches: Wie gefällt Dir die Stadt Münster?
PN: Es ist, glaube ich, eine der lebenswertesten Städte Deutschlands. Es ist einfach eine sehr schöne Stadt. Hier besteht ein hohes Bildungsniveau. Es gibt viele schöne Ecken, in denen man sich einfach wohlfühlt. Über den Markt zu schlendern oder morgens um die Promenade oder den Aasee zu joggen ist einfach schön. Aber zum nächsten Spielplatz gehe ich.
BL: Du hast kleinere Kinder?
PN: Ich habe einen mittleren und einen kleineren Sohn von anderthalb und acht Jahren.
BL: Du wohnst im Kreuzviertel.
PN: Ja, das Viertel ist auch sehr schön mit den alten Häusern mit den schönen Giebeln. Ich fühl mich pudelwohl in Münster. Ich kannte die Stadt schon, da ich aus Riesenbeck komme und öfter mal hier war. Ich hatte allerdings nicht so den Bezug zu Preußen Münster.
BL: Hast Du Hobbies, wenn Du mal Zeit hast außerhalb der Familie und Preußen?
PN: Es kommt jetzt zu kurz, aber ich bin gerne mal eine Runde golfen gegangen mit ein paar Jungs. Dafür finde ich aber im Moment keine Zeit. Ich genieße einfach die Zeit, wenn ich frei habe mit der Familie oder Freunden. Ich habe immer mal wieder versucht Klavier zu spielen. Das finde ich schön. Aber da bin ich Legastheniker. (lacht).
BL: Peter Niemeyer, vielen Dank für das Gespräch.