"Jahrelang habe ich eine Cannabis-Legalisierung abgelehnt", sagte Lauterbach der "Rheinischen Post" (Mittwochsausgabe). "Mittlerweile komme ich als Arzt aber zu einem anderen Schluss." Er verwies darauf, dass illegal verkauftem Cannabis immer häufiger neuartiges Heroin beigemischt werde, das sich rauchen lasse. "Damit werden Cannabis-Konsumenten schnell in eine Heroin-Abhängigkeit getrieben." Dieses Phänomen sei neu und verändere die Lage.
Mit einer Legalisierung von Cannabis ließe sich dem ein Riegel vorschieben, sagte der SPD-Politiker. "Ich bin deswegen dafür, dass wir in einem möglichen Koalitionsvertrag mit Grünen und FDP einen Passus zur legalen und kontrollierten Abgabe von Cannabis an Erwachsene formulieren", sagte Lauterbach.
Ein Sprecher des Gesundheitsministeriums sagte, die scheidende Bundesregierung halte abgesehen von einigen medizinischen Ausnahmen "weiterhin an der Strafbarkeit von Cannabis" fest. Es sei aber richtig, dass nun eine "gesamtgesellschaftliche Debatte" über die Nutzung begonnen habe. Gegenwärtig halte das Gesundheitsministerium Cannabis aber weiter für eine "gefährliche Substanz".
Der Präsident des Deutschen Lehrerverbands, Heinz-Peter Meidinger, äußerte Bedenken gegen eine Legalisierung. "Am Beispiel der Niederlande sieht man, dass die Legalisierung von weichen Drogen auch zu einer drastischen Ausweitung der harten Drogenszene geführt hat", sagte Meidinger dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). "Die Grenze zwischen harten und weichen Drogen wird zunehmend verwischt."
Meidinger plädierte allenfalls für Modellversuche. Diese könnten dazu beitragen, "eine bessere Entscheidungsgrundlage zu bekommen", sagte er.
Der Bund Deutscher Kriminalbeamter forderte aber auch bei Modellprojekten als Bedingung verpflichtende Präventionsgespräche mit den Konsumenten. "Es braucht geschulte Fachleute, die Konsumenten in den Abgabestellen aufklären", sagte der kommissarische Bundesvorsitzende Dirk Peglow dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Apotheken seien dafür nicht geeignet, "da dort keine ausführliche Drogenprävention erfolgen kann".
Der Vorstandsvorsitzende des Weltärztebundes, Frank Ulrich Montgomery, warnte vor einer Legalisierung. "Aus medizinischer Sicht ist die Freigabe von Cannabis deutlich abzulehnen", sagte Montgomery den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Er sah Überlegungen zur Legalisierung politisch motiviert.
Die Schädlichkeit von Cannabis mit Alkohol zu vergleichen, sei "Zeichen mangelnder politischer Führung", sagte Montgomery. Besonders gefährlich werde es, "wenn unter einem falschen Verständnis von Liberalität die Freigabe einer medizinisch gefährlichen Substanz als Akt der Befreiung betrachtet wird".
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