Köln - (ots) - WDR-Intendant und ARD-Vorsitzender Tom Buhrow: „Gerd Ruge gehört zu den großen Reporterpersönlichkeiten der ersten Stunde. Profunde Analysen, präzise Interviews und die Fähigkeit, komplexe Zusammenhänge leicht verständlich zu erklären, das zeichnete ihn aus. Er war ein wertvoller Zeitzeuge wichtiger politischer Ereignisse im In- und Ausland. Unvergessen bleiben seine zahlreichen Auslandsreportagen und Reiseberichte. Das Publikum hat ihn dafür geliebt. Für viele nachfolgende Journalist:innengenerationen war er Vorbild und Orientierung. Ich werde seine sympathische und bescheidene Art vermissen.“
Gerd Ruge, am 9. August 1928 in Hamburg geboren, begann seine berufliche Laufbahn 1949 als Redakteur beim damaligen Nordwestdeutschen Rundfunk in Köln. 1956 ging er als erster ständiger Korrespondent aus der Bundesrepublik für die ARD nach Moskau. 1964 wurde er Amerika- und Washingtonkorrespondent der ARD. Anfang der 1970er Jahre übernahm der ARD-Chefkorrespondent die Leitung des Bonner WDR-Studios. Von 1977 bis 1981 arbeitete Ruge als ARD-Hörfunkkorrespondent in Moskau. Er leitete das Politmagazin „Monitor“, gründete und leitete den „Weltspiegel“ und war zwei Jahre Chefredakteur beim WDR Fernsehen. Nach sechs Jahren Leitung des Moskauer ARD-Studios ging Gerd Ruge am 1. September 1993 in den Ruhestand. Er arbeitete weiter als freier Journalist und begeisterte mit seinen Reisereportagen unter dem Titel „Gerd Ruge unterwegs“ die Zuschauer:innen.
Gerd Ruge war Träger des Bundesverdienstkreuzes 1. Klasse und erhielt viele wichtige Auszeichnungen, darunter drei Grimme-Preise und den Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis. Seit 2002 schreibt die Film- und Medienstiftung NRW einmal im Jahr das mit 100.000 Euro dotierte Gerd Ruge Stipendium aus.
Anlässlich des Todes von Gerd Ruge ändert der WDR heute das Programm: Um 21.45 Uhr sendet das WDR Fernsehen die lange Gerd Ruge Nacht „In 80 Jahren um die Welt“ und im Anschluss eine seiner letzten Reportagen „Gerd Ruge unterwegs – Sommer am Colorado“.
Gerd Ruge
© WDR/B. Fürst-Fastré
Gerd Ruge: Der Erzähler lässt erzählen
"Und, wie ist das Leben?" Mit dieser einfachen Frage in seiner freundlichen Art nähert sich Ruge den Menschen und erzählt selbst, indem er sie erzählen lässt.
Gerd Ruge am Holzzaun der russischen Bäuerin, Gerd Ruge im Schwarzen-Ghetto mit Bürgerrechtlern, Gerd Ruge im Moskauer Stau mit Mikrofon bei offener Bulli-Tür. Er fängt Stimmungen ein wie kein anderer, erzählt gerne große Geschichten anhand der kleinen Leute.
Seine Reisereportagen bleiben unvergessen
Seine jüngeren Reisereportagen für den WDR "Gerd Ruge unterwegs" sind legendär. Das hellblaue Hemd, die beige Hose und, ja, auch die etwas vernuschelte Sprache werden zu seinen Markenzeichen. Ist Gerd Ruge im Fernsehen, fühlen viele sich gut aufgehoben und folgen ihm gern bis ans Ende der Welt.
"Ein Reporter muss sich nicht selbst in den Vordergrund spielen." Reporter-Legende Gerd Ruge Ein "Überbleibsel" der alten Schule
In der heutigen Zeit des kühlen Nachrichtenjournalismus und verbreitet reißerischer Reportagen wirkt Ruge fast wie ein "Überbleibsel" der alten Schule. "Ein Reporter muss sich nicht selbst in den Vordergrund spielen", ist sein Credo.
Was einen guten Reporter ausmacht, muss er oft erklären. "Neugier und gute Füße", vor allem aber solle er "den Wunsch haben, sich emotional zu engagieren", ohne das Engagement zum Fehler zu machen. Er müsse geduldig sein, zuhören können - und im richtigen Augenblick ganz ungeduldig werden und den Beitrag fertigstellen.
Seinen eigenen Erfolg erklärt der gebürtige
Hamburger, der 1948 seine journalistische Ausbildung beginnt, auch mit
dem Siegeszug des Massenmediums Fernsehen. In den 60er-Jahren habe das
Publikum alles aufgesogen, was gesendet wurde. Und das sind auch die
Bilder des jungen deutschen Reporters, der zu dieser Zeit Washington-Korrespondent der ARD ist.
Mit Gerd Ruge um die Welt - ein Rückblick in Bildern
Gerd Ruge war WDR-Journalist und Reporter-Legende. Am
Freitag starb er mit 93 Jahren. Seine Karriere begann er früh – und er
arbeitete bis ins hohe Alter. Ein Rückblick in Bildern.
Die einschneidendsten Ereignisse seines Journalistenlebens geschahen im Jahr 1968 – die Attentate auf Robert Kennedy und Martin Luther King. Ruges emotionale Berichte schrieben Zeitgeschichte.
Nachdem er zunächst für die Tageszeitung "Die Welt" aus Peking berichtete, kehrte er 1987 als Leiter des Moskauer ARD-Studios nach Russland zurück. Das Bild zeigt ihn mit seiner Kollegin Gabriele Krone-Schmalz. "Ich mag die Menschen sehr gern. Sie sind zum großen Teil sehr warmherzig, die verrückten Reichen wie die Armen", so seine Liebeserklärung an die Russen.
Das blaue Mikrofon, ein blaues Hemd, eine helle Hose und die etwas vernuschelte Stimme - das waren seine Markenzeichen. Im Jahr 2011 lief seine Reportage "Kirchen, Kühe und Kalaschnikows - Rund um Moskau auf Landstraßen und Feldwegen".
Gerd Ruge hinterlässt einen Sohn und eine Tochter aus erster Ehe. Mit seiner dritten Ehefrau, der 2021 gestorbenen Münchner Journalistin Irmgard Eicher, lebte er zuletzt in seiner Wahlheimat München und verbrachte zwei Monate im Jahr auf Zypern. Auf die Frage, was für ihn Heimat bedeute, antwortete der umtriebige Weltreisende stets: "Heimat ist da, wo meine Bücher sind und wo meine Familie ist."