Das Bundesentwicklungsministerium will seine Helfer im Irak trotz der angespannten Lage vorerst im Land belassen. Die 60 deutschen Experten der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) arbeiteten "unter strengen Sicherheitsvorkehrungen", erklärte Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) am Mittwoch in Berlin. "Dies schließt Evakuierungsplanungen ein, sollte dies erforderlich sein." Aktuell gebe es "aber keine Grundlage, das Personal abzuziehen". Hilfsorganisationen warnen aus Sorge um Millionen Flüchtlinge und Vertriebene vor einer weiteren Eskalation des Konflikts zwischen den USA und dem Iran.
Der Entwicklungsminister zeigte sich besorgt über die Eskalation im Irak und in der Region. "Klar ist: Es muss weiter in den Wiederaufbau und auch in die Versorgung der vielen syrischen Flüchtlinge investiert werden", erklärte Müller. Radikale Kräfte dürften "nicht weiter erstarken".
Die deutschen GIZ-Experten sind nach Müllers Angaben ausschließlich im Norden des Landes tätig. Sie leisteten dort "wichtige Arbeit zur Stabilisierung des Irak". So seien schon mehr als sechs Millionen Menschen mit Trinkwasser und 3,5 Millionen Menschen medizinisch versorgt worden.
"Jede Verschärfung oder ein neuer militärischer Konflikt wäre eine Tragödie", sagte Rudi Tarneden, Sprecher von Unicef Deutschland, am Mittwoch der Nachrichtenagentur AFP. Allein im Irak gebe es bereits jetzt rund vier Millionen Menschen, die auf humanitäre Hilfe angewiesen seien, davon rund die Hälfte Kinder und Jugendliche. Die Hilfsorganisation Norwegian Refugee Council (NRC) wies darauf hin, dass in der Region auch 24 Millionen Jemeniten und zwölf Millionen Syrer lebten, die unter Kriegsfolgen litten.
Die Hilfsorganisationen setzten sich "für Deeskalierung" ein, sagte Tarneden. Es müssten "alle Versuche" unternommen werden, "einen neuen Konflikt zu unterbinden". Eine zusätzliche Konfrontation zwischen internationalen Mächten und Regionalmächten würde für die "zum Reißen gespannten Rettungsleinen" das Ende bedeuten, erklärte NRC-Chef Jan Egeland. In den besetzten Palästinensergebieten gebe es zwei Millionen Hilfsbedürftige, im Iran allein drei Millionen hilfsbedürftige Afghanistan-Flüchtlinge.
Nach Angaben der irakischen Armee waren in der Nacht zum Mittwoch insgesamt 22 iranische Raketen auf US-Stützpunkten im nordirakischen Erbil sowie in Ain al-Assad im Westirak eingeschlagen. Der Angriff war eine Reaktion auf die gezielte Tötung des einflussreichen iranischen Generals Kassem Soleimani bei einem US-Drohnenangriff am Freitag.
Pro-iranische Milizen im Irak hatten Vergeltungsangriffe auf US-Truppen angekündigt. Die Bundeswehr prüft deswegen einen Teilabzug ihrer Soldaten aus dem Norden des Irak. Konkret gehe es um einen Teilabzug aus Erbil, wo derzeit knapp 120 Bundeswehrsoldaten an einer Ausbildungs- und Stabilisierungsmission mitwirken, erläuterte eine Sprecherin des Bundesverteidigungsministeriums.
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