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Äthiopien droht die Einnahme der Hauptstadt

Die Rebellen in Äthiopien drohen mit einer raschen Einnahme der Hauptstadt.

Im Konflikt der Regierung in Äthiopien mit der Rebellengruppe TPLF aus der nördlichen Region Tigray haben Verbündete der Rebellen mit einer raschen Einnahme der Hauptstadt Addis Abeba gedroht. "Wenn die Dinge so weitergehen wie bisher, sprechen wir über eine Angelegenheit von Monaten, wenn nicht Wochen", sagte ein Sprecher der Oromo Befreiungsarmee (OLA) am Mittwoch. Die Vereinten Nationen prangerten derweil schwere Verbrechen von allen Parteien des mittlerweile ein Jahr andauernden Konflikts an.

Die TPLF hatte zuletzt bedeutende Gebietsgewinne in der nördlich von Addis Abeba gelegenen Region Amhara vermeldet. Die Regierung von Ministerpräsident Abiy Ahmed dementierte dies zwar, rief am Dienstag jedoch einen landesweiten Ausnahmezustand aus. Die Behörden können nun etwa Bürger im wehrfähigen Alter zum Militärdienst einberufen und gegen Medien vorgehen, denen sie Unterstützung der Rebellen vorwerfen.

Die Behörden der Hauptstadt forderten die Bewohner auf, sich auf die Verteidigung ihrer Stadtviertel vorzubereiten. Abiy rief die Bevölkerung am Mittwoch auf, die Kriegsanstrengungen zu unterstützen. Er beschuldigte die Rebellen, Äthiopien in ein Bürgerkriegsland wie Libyen und Syrien zu verwandeln: "Sie sind darauf aus, ein Land zu zerstören - und nicht, es aufzubauen."

Der Sprecher der OLA sagte, ihre Kämpfer hätten sich mit denen der TPLF "zusammengeschlossen und stehen in ständigem Kontakt". Der Sturz von Ministerpräsident Abiy sei eine "eine ausgemachte Sache".

Der Sprecher der TPLF, Getachew Reda, warf Abiy und dem Militär vor, angesichts einer nahenden Niederlage eine "Schreckensherrschaft" zu errichten. Der Ausnahmezustand sei ein "Freibrief", um Menschen aus Tigray "nach Belieben zu verhaften oder zu töten", erklärte er auf Twitter. 

Äthiopische Regierungstruppen hatten im November 2020 die in Tigray regierende TPLF angegriffen, nach Regierungsangaben als Reaktion auf Attacken der TPLF auf Armeestellungen. Nach Einnahme der Provinzhauptstadt Mekele erklärte Abiy den Einsatz zunächst für beendet.

Die Kämpfe gingen jedoch weiter und durch eine Gegenoffensive der TPLF verloren die Regierungstruppen im Juni erneut die Kontrolle über Mekele und weitere Gebiete. Die teils heftigen Kämpfe weiteten sich dann auch auf die Nachbarregionen Amhara und Afar aus. Die äthiopische Armee setzte mehr und mehr auf Luftangriffe, was wegen zahlreicher ziviler Opfer international scharf kritisiert wird.

"Der Tigray-Konflikt ist von extremer Brutalität geprägt", erklärte die UN-Menschenrechtskommissarin Michelle Bachelet anlässlich der Vorstellung eines Untersuchungsberichts zu Menschenrechtsverstößen. Es gebe Hinweise auf mögliche "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" und "Kriegsverbrechen", die "in unterschiedlichem Maße von allen Konfliktparteien" verübt worden sein, hieß es in dem Bericht.

Durch die Kämpfe wurden bislang fast zwei Millionen Menschen vertrieben. Es gibt immer wieder Berichte über Gräueltaten, darunter Massaker und Massenvergewaltigungen. Die Region Tigray ist weitgehend vom Rest der Welt abgeschnitten. Die Versorgungslage gilt als katastrophal.

Wegen der Abriegelungen und unterbrochener Kommunikationswege ist die Situation nur schwer zu überblicken. Auch die UNO gab an, für ihren Bericht vielerorts nur eingeschränkten Zugang erhalten zu haben.

Angaben von Rebellen zufolge waren zahlreiche äthiopische Militärvertreter im Laufe der ersten Offensive auf Tigray auf ihre Seite übergelaufen. Die Regierung dementiert dies. Auch über Verluste der Armee im Tigray-Konflikt ist wenig bekannt. Die Rebellen geben an, tausende Soldaten getötet oder gefangen genommen zu haben.

Auch die Rolle des Nachbarlandes Eritrea ist unklar. Abiy hatte nach wiederholten Berichten über Gräueltaten eritreischer Streitkräfte, die mit den äthiopischen Truppen verbündet sein sollen, deren Präsenz in Tigray bestätigt und ihren Abzug angekündigt. Beobachter bezweifeln jedoch, ob Abiy sie überhaupt zum Gehen bewegen - und ob er sich dies militärisch überhaupt leisten könnte.

pe/ju