Neue Viren, die Krankheiten auslösen, stammen oft von Tieren. Bekannte Beispiele sind das aus Mücken stammende Zika-Virus, die Vogelgrippe-Viren sowie das Kamel-assoziierte MERS-Virus. Um neu auftretende virale Erkrankungen schnell zu erkennen und mögliche Epidemien zu verhindern, suchen DZIF-Forschende an der Charité – Universitätsmedizin Berlin gezielt nach Viren im Tierreich. In einer aktuellen Studie entdeckten sie in Insekten nun hunderte neuer Viren aus über 20 Virusgattungen. Die Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift PLOS Pathogens* veröffentlicht.
„Jedes neue Virus, das wir finden, könnte eine bisher unerkannte
Ursache von Erkrankungen sein, sowohl beim Menschen als auch bei
Nutztieren“, erklärt Prof. Dr. Christian Drosten, Direktor des Instituts
für Virologie am Campus Charité Mitte. Der Wissenschaftler hat sich im
Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) der gezielten
Identifikation von Viren verschrieben. Sein Team hat unter anderem den
internationalen Standard in der Diagnostik der MERS-Erkrankung gesetzt.
Momentan widmet er sich der Erkennung seltener Virusdiagnosen durch neue
Sequenziertechniken. „Je mehr Viren wir kennen und in unserer Datenbank
speichern, umso leichter können wir die Ursache von neu auftretenden
ungewöhnlichen Erkrankungen erkennen“, ist Prof. Drosten überzeugt.
In der aktuellen Studie hat sich das Forschungsteam der größten
internationalen Transkriptom-Datenbank, einer Art Verzeichnis der
Genaktivität, zu Insekten bedient und darin die Datensätze auf
Virusgenome untersucht. Während sich Wissenschaftler bislang vor allem
auf Moskitos und andere blutsaugende Insekten konzentriert haben,
umfasst diese Studie alle Ordnungen von Insekten. Systematisch
untersucht wurden Viren mit sogenannter negativer einzelsträngiger
Ribonukleinsäure (RNA). Diese Gruppe von RNA-Viren umfasst enorm
wichtige krankheitsverursachende Viren; Ebola und Masern werden ebenso
durch sie ausgelöst wie Tollwut und Lungeninfektionen.
In
Proben aus insgesamt 1.243 Insektenarten entdeckten die
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mindestens 20 neue
Virusgattungen, bei einigen stehen noch die letzten Prüfungen aus. „Das
ist wohl die bisher größte Einzelstudie in der Entdeckung neuer Viren“,
schätzt Prof. Drosten. Die Arbeitsgruppe hat die neuen Insektenviren
bereits in ihre Suchdatenbanken eingespeist. Mit ihrer Hilfe werden
Fälle seltener und ungewöhnlicher Erkrankungen beim Menschen untersucht.
Dazu gehören Patienten, bei denen alle Symptome auf eine Virusinfektion
hinweisen, ein Virus jedoch nicht nachgewiesen werden kann. „Wir
benutzen dann Hochdurchsatz-Sequenziermethoden, um nach allen Viren zu
fahnden, die in den Patientenproben vorkommen“, erklärt der Virologe.
„Wenn der Patient ein Virus hat, finden wir es – vorausgesetzt, es ist
in unserer Datenbank hinterlegt oder es hat Ähnlichkeit mit einem dort
verzeichneten Virus.“ Mit der Erweiterung um die neuen Insektenviren
steigen die Erfolgschancen bei der Suche.
Im Rahmen des
DZIF-Projektes „Virusnachweis und Pandemieprävention“ werden sich die
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an der Charité auch in den
kommenden Jahren weiter auf neu auftretende Viren vorbereiten. Mit neuen
Kenntnissen zur Virusdiversität können auch die Nachweisverfahren
verbessert werden.
Charité – Universitätsmedizin Berlin und des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF)
Foto: Paraskevopoulou/Charité