Nach zweiwöchigen Verhandlungen verkündete der britische COP26-Präsident Alok Sharma die Einigung der Delegierten aus fast 200 Ländern. Auf den Hammerschlag folgte erleichterter Applaus. Zuvor hatte die kurzfristige Abänderung der Formulierung zum Kohleausstieg für Wirbel gesorgt.
Statt des Appells an die Staaten, "ihre Bemühungen in Richtung eines Ausstiegs" aus der Kohlenutzung zu beschleunigen, wurde der Aufruf beschlossen, dass die Staaten die Nutzung von Kohlekraftwerken ohne CO2-Abscheidung "schrittweise verringern" sollten. Einige Länder wie die Schweiz äußerten sich im Plenum enttäuscht und erbost über die Abschwächung.
Sharma entschuldigte sich bei den Delegierten mit den Tränen kämpfend dafür, wie und dass diese Last-Minute-Entscheidung zustande gekommen war. Dies tue ihm "zutiefst leid", sagte der Brite. Der erste Appell gegen Kohle-Nutzung in einem COP-Beschluss überhaupt war vorab von vielen als eines der wichtigsten Ergebnisse der COP26 eingestuft worden.
Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) sagte dazu, sie habe sich die Formulierung zur Kohle zwar "noch etwas eindeutiger gewünscht". Dennoch sei damit "jetzt weltweit der Kohleausstieg eingeleitet".
In den am Samstagabend verkündeten Beschlüssen wird zudem betont, dass die Auswirkungen des Klimawandels bei einer Erderwärmung um 1,5 Grad viel geringer sein werden als bei einem Temperaturanstieg um zwei Grad. Damit wurde die ehrgeizigere Zielvorgabe des Pariser Klimaabkommens gestärkt, das eine Begrenzung der Erderwärmung auf deutlich unter zwei und möglichst 1,5 Grad vorsieht.
Außerdem sind die Staaten nun aufgerufen, ihre dafür noch völlig unzureichenden nationalen Klimaziele bereits bis Ende 2022 auf den Prüfstand zu stellen - drei Jahre früher als bislang geplant.
Heftige Kritik bei den Entwicklungsländern erregte die Weigerung der Industrieländer, für bereits entstandene Schäden durch den Klimawandel endlich konkrete Hilfen zuzusagen. Auch konnten sie nicht in den Beschlüssen verankern, dass die Industrieländer ihren Rückstand der vergangenen Jahre bei den von ihnen zugesagten Klimahilfen in Höhe von jährlich 100 Milliarden Dollar (87,4 Milliarden Euro) zumindest nachträglich ausgleichen müssen.
Bei den Hilfen zur Anpassung an den Klimawandel sind die Industriestaaten nun aufgefordert, ihre Beiträge angesichts zunehmender klimabedingter Wetterextreme zu verdoppeln. Überdies wurde nach jahrelangen Verhandlungen das Regelbuch zur konkreten Umsetzung des Pariser Abkommens abgeschlossen, unter anderem mit Regeln zur Übertragung von Emissionszertifikaten bei Klimaschutzmaßnahmen von Staaten oder Unternehmen in anderen Ländern.
Zusätzlich zu den Beschlüssen waren in Glasgow Initiativen zum Schutz des Waldes, zur Verringerung des Methangasausstoßes, für emissionsfreien Straßenverkehr und andere Klimaschutzmaßnahmen auf den Weg gebracht worden.
UN-Generalsekretär António Guterres warnte, die "Klimakatastrophe" stehe dennoch weiter "vor der Tür": "Unser zerbrechlicher Planet hängt am seidenen Faden."
Oxfam-Klimaexperte Jan Kowalzig erklärte: "Die kleinen Schritte, die die COP26 nach vorne gemacht hat, dürfen uns nicht zu der Illusion verleiten, mit einem echten Erfolg nach Hause zu fahren." "Die 1,5-Grad-Grenze der maximalen Erwärmung braucht mehr politisches Tempo", forderte auch der Klimaexperte der Hilfsorganisation Care, Sven Harmeling.
Greenpeace-Chefin Jennifer Morgan nannte die Vereinbarungen in Glasgow "bescheiden" und "schwach". "Lebt 1,5 Grad noch?", schrieb der Klimawissenschaftler Niklas Höhne vom NewClimate Institut. "Glasgow hat das 1,5-Grad-Limit wiederbelebt, es befindet sich jedoch immer noch auf der Intensivstation."
Die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg bekräftige ihren Vorwurf, die Verhandlungen bei der Weltklimakonferenz seien lediglich "Blabla". "Die wirkliche Arbeit geht außerhalb dieser Hallen weiter", schrieb sie im Onlinedienst Twitter. "Und wir werden niemals aufgeben, niemals."
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