Eine Rolle dabei spiele "das Eskalationspotenzial der sozialen Medien" sowie die "vermeintliche Anonymität" im Internet, sagte der per Video aus Berlin zugeschaltete Minister. Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden müssten immer dann einschreiten, wenn Rechtsstaat und Menschenwürde bedroht würden und die Grenze zur Strafbarkeit erreicht sei. Gleichwohl gebe es eine Grauzone.
So bewegten sich viele Akteure an der Grenze der Strafbarkeit. In der Debatte müsse deshalb sehr genau differenziert werden, fügte Seehofer an. Die Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden seien keine "Gesinnungseinrichtung". Meinungsstreit, auch in polemischer Zuspitzung, sei "existenznotwendig" für Demokratien.
Die Herbsttagung des BKA steht in diesem Jahr unter dem Titel "Stabilität und Spaltung". Die rund 700 Teilnehmer aus Politik, Sicherheitsbehörden, Justiz, Wissenschaft und anderen Bereichen beraten auf der zweitägigen Fachveranstaltung schwerpunktmäßig unter anderem über die Ursachen und Folgen gesellschaftlicher Spaltungen und Konflikte im Bereich Kriminalität und Extremismus.
BKA-Präsident Holger Münch nannte die Entwicklung im Bereich der politisch motivierten Kriminalität "besorgniserregend". Die Zahl der Taten habe 2020 einen Höchststand erreicht, werde aber in diesem Jahr vermutlich noch einmal übertroffen, sagte er. "Die Coronapandemie scheint bestehende Tendenzen der Polarisierung der Gesellschaft teilweise zu verstärken."
Auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier äußerte in einem Grußwort an die Tagungsteilnehmer seine "Sorge" angesichts einer zunehmenden Radikalisierung unter sogenannten Querdenkern und Coronaleugnern. "Verschwörungsglaube, oft gepaart mit blankem Antisemitismus, bereitet den Boden für Angriffe auf Medien, Impfärzte und Wissenschaftler, für ein Klima der Spaltung und Hetze", sagte er laut Redetext. Das dürfe nicht geduldet werden.
Seehofer forderte in seiner Rede unter anderem auch deutlich verstärkte Anstrengungen im Kampf gegen die Verbreitung von Kinderpornografie. Die Zahl der Fälle werde sich in diesem Jahr vermutlich erneut verdoppeln. "Dieser Trend muss mit allen uns möglichen Mitteln gestoppt werden." Die Polizei brauche dafür auch die nötigen Mittel. Dazu gehöre die Vorratsdatenspeicherung.
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